„Die Zinsanhebungen müssen enden, weil man sonst die Wirtschaft zu sehr einbremst. Der konjunkturelle Klimawandel ist bei den Unternehmen angekommen. Es gibt zwar nach wie vor ein moderates Wachstum, die Risiken nehmen jedoch etwas zu.“ Die BA erwartet für nächstes Jahr 1,2 Prozent Wachstum und einen deutlichen Rückgang der Inflation bis Ende 2024 auf unter drei Prozent. „Die EZB wird darauf reagieren und ab Mitte 2024 die Zinsen wieder zurücknehmen“, so Hengl.
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Fixzinsen sind die Regel
Zugleich empfiehlt er Unternehmen, sich an höhere Zinsen zu gewöhnen. „Es wird in naher Zukunft keine Rückkehr zur Nullzinspolitik geben.“ Insbesondere langfristige Zinsen seien aber im historischen Vergleich nach wie vor auf einem sehr moderaten Niveau. Und für bestehende Kredite sei das steigende Zinsniveau nur bedingt problematisch; schließlich haben laut Hengl hier Unternehmen normalerweise ein klares Regelwerk, wie sie ihr Portfolio gestalten: „In der Regel sind es zu zwei Drittel fix verzinste Darlehen.“
Die Auswirkungen der gestiegenen Zinsen (gepaart mit einer schwächeren Nachfrage): Die Unternehmen haben ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten (etwa offene Lieferantenrechnungen) zurückgefahren, was dazu führte, dass sich die Lager leeren. „Wir werden im Herbst sehen, ob die Anpassung am unteren Ende angekommen ist“, so der Banker. Dabei haben Betriebe in Zeiten von Lieferkettenproblemen ihre Vorräte zunächst aufgebaut. „Es gibt keine maßgeblichen Probleme mehr bei den Lieferketten und sie wurden diversifiziert“, so Hengl. Er rät Unternehmen, mit Lieferanten längere Zahlungsziele zu vereinbaren; die Banken würden auch verstärkt bei der Vorfinanzierung helfen.
Weitere Folge: „Die Unternehmen spitzen bei Investitionen den Bleistift etwas schärfer“, sagt Hengl. Allerdings seien diese in Österreich grosso modo gut durch die Krise gekommen, auch dank der Förderungen. Und sie hätten die letzten Jahre genutzt, sich entsprechend aufzustellen. „Das ermöglicht ihnen, sich nach Akquisitionen umzusehen.“
Hengl rät Betrieben, sich verstärkt gegen Preisrisiken abzusichern. „Wir sind die einzige Bank in Österreich, die Strom- und Gaspreise absichert.“ Darüber hinaus gibt es Absicherungsprodukte für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren für Rohstoffe wie Aluminium, Stahl oder Diesel. Knapp 100 Unternehmen, auch kleinere, würden dieses Angebot nutzen.
Als „riesige Chance“ sieht der Vorstand den Klimaschutz. „Wir werden in Österreich 145 Milliarden Euro in den nächsten zehn Jahren investieren müssen, um die Transformation sicherzustellen. Das sind zwei Prozent des BIP.“ Heimische Unternehmen seien hier führend und könnten sich dadurch vom internationalen Mitbewerb differenzieren. „Es führt ohnehin kein Weg an dem Thema vorbei.“
Welche Investitionen dadurch ausgelöst werden, zeigt Hengl am Beispiel einer neuen Kunststoffsortieranlage in Oberösterreich. Diese habe eine Kapazität von 100.000 Tonnen im Jahr, was die Recyclingquote im Land von derzeit 25 auf rund 60 Prozent erhöht. Investitionskosten: 60 Millionen Euro.
Höhere Energiepreise
Höhere Energiepreise wären in diesem Zusammenhang ein nachhaltiges Problem für die Wettbewerbsfähigkeit. „Es wird zu Eingriffen kommen in Form von Förderungen. Wenn dadurch Investitionen angestoßen werden, hat das einen enormen Hebel für das Wachstum.“
Dass es wegen der Energiewende zur Abwanderung von Teilen der Industrie komme, glaubt er nicht. „Hat man das nicht vor fünf oder zehn Jahren auch gesagt? Derzeit gibt es die Tendenz, Risiken unabhängig von der Energiewende zu diversifizieren, weil man gesehen hat, dass sie zunehmen. Europa wird für europäische Unternehmen immer ein Kernmarkt bleiben.“
Größte Herausforderung für Unternehmen punkto grüne Transformation sei die damit einhergehende Bürokratie, die oft den Mittelstand überfordere. „Gerade KMU sehen oft den Wald vor lauter Bäumen nicht und das Personal dafür fehlt.“ Daher hat die Bank Austria für kleine und mittlere Unternehmen ein eigenes Beratungstool namens Nachhaltigkeitsbarometer entwickelt.
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