Grexit-Gefahr: "Sind mit Geldpuffern gut gerüstet"

Carlo Vivaldi, Bank-Austria-Vize und Osteuropa-Chef für UniCredit
Turbulenzen ja, Ansteckung nein: Osteuropa-Chef Carlo Vivaldi sieht keine Gefahr für Balkan und Italien.

KURIER: Sollte Griechenland im Euro gehalten werden – wenn nötig, um jeden Preis?

Carlo Vivaldi: Das muss man auf politischer Ebene diskutieren. Ich will nicht, dass Griechenland ausscheidet, aber Europas Regeln sind zu respektieren. Kein einfacher Moment, aber Europa hat in solchen Situationen immer einen Schritt vorwärts gemacht, zu mehr statt weniger Integration: Die Finanzkrise führte zur Bankenunion, die Eurokrise machte die EZB stark, jetzt erwarte ich einen Schritt in Richtung politische Integration.

Haben die Bank Austria und Unicredit Geld im Feuer?

Wir haben kein direktes Risiko, nur über Kunden, die in Griechenland tätig sind. Und auch das sehr begrenzt. Alle Banken haben ihr Exposure in den letzten zwei Jahren stark zurückgefahren.

Befürchten Sie ein Übergreifen der Krise auf die Nachbarstaaten am Balkan?

Wir sind in Ländern vertreten, in denen einige griechische Banken stark sind: Bulgarien, Rumänien, Serbien. Dort sehen wir aber keine große Aufregung, außer dass einige Kunden von diesen Instituten zu uns gekommen sind. Die Lage ist ganz anders als für Banken, die in Griechenland vor Ort sind.

Keine Dominoeffekte? Griechenland ist immerhin ein großer Abnehmer für bulgarische oder rumänische Produkte...

Das könnte in der Zukunft ein Thema werden, im Moment ist es das noch nicht. Die finanziellen Folgen sind begrenzt, aber die Volatilität ist sicher erhöht.

Mehr Volatilität heißt was genau?

Dass zum Beispiel die Währungskurse stärker schwanken, die Zinsen variieren, die Börsenkurse stark reagieren.

Wie bereiten Sie sich vor?

Für jede Krise gilt: Die erste Reaktion muss sein, für ausreichende Liquidität zu sorgen. Sie können eine noch so gesunde Bank mit starken Kunden haben – wenn sie nicht mehr flüssig sind, gehen sie schlagartig unter. Also haben wir uns mit komfortablen Geldpuffern gerüstet. In allen unseren Banken.

Wenn Alle auf ihrem Geld sitzen: Trocknet da nicht der Interbankenmarkt, also die Kreditvergabe der Banken untereinander, aus – so wie nach der Lehman-Pleite?

Deshalb steht die EZB bereit, notfalls mit zusätzlicher Liquidität auf europäischer Ebene einzugreifen. Griechenland ist kein so großer Akteur.

Wie oft checken Sie eigentlich die Börsenkurse?

Nicht untertags, aber am Abend kriege ich eine Verständigung aufs Handy. Im Moment sieht man, wie nervös die Märkte sind.

So wie viele Papiere ist die Unicredit-Aktie deutlich abgestürzt. Warum, wenn die Ansteckungsgefahr gering ist?

Spekulation. In Zeiten erhöhter Volatilität lässt sich kurzfristiges Geld machen.

Sie betonen, dass Zentral- und Osteuropa 2014 drei Viertel zur Bank-Austria-Performance beiträgt. Liegt das nicht eher an der Schwäche in Österreich?

Das ist nicht erst 2014, sondern seit vielen Jahren so. Der Beitrag des Osteuropageschäftes war immer positiv und hat schwächere Ergebnisse anderer Regionen aufgefangen. Die Ergebnisse in reifen Märkten sind natürlich schwächer - wegen der tiefen Zinsen und hohen Steuern.

Auch in Osteuropa sinken die Gewinne. Laut einer Analyse ist die Profitabilität der Region so niedrig wie seit 2000 nicht. Geringere Gewinne, höhere Risiken, klingt nicht komfortabel.

Wir sind gerne in Zentral- und Osteuropa, die Region ermöglicht Bank Austria und Unicredit stabile Ergebnisse. Natürlich sind Gewinne wie vor der globalen Finanzkrise 2008 nicht mehr möglich.

Was ist künftig noch möglich?

Zum Vergleich: In Westeuropa erreichen Banken heute 0,2 bis 0,4 Prozent Profitabilität (Return on Assets), in Zentraleuropa mit Russland waren es 2 Prozent vor der Krise und sind jetzt noch 0,8 Prozent. Das ist also mehr als das Doppelte als im Westen.

Kurz gesagt: Osteuropa schneidet immer noch besser ab?

Ja, und es wird auch noch besser werden.

Grexit-Gefahr: "Sind mit Geldpuffern gut gerüstet"
Interview mit Carlo Vivaldi, dem Osteuropa-Chef der Bank Austria UniCredit. Wien, 08.07.2015.
Was tun Sie, um die Ergebnisse zu verbessern?

Unser Geschäftsmodell müssen wir nicht ändern, das ist stabil. Wir weiten die Kundenbasis aus, wie die wachsenden Marktanteile beweisen. Wir investieren in digitale Kanäle, um Kosten zu sparen. Und wir suchen neue Arten der Kommunikation mit den Kunden in den Filialen.

Um Filialen zu schließen?

Der einzige Markt, wo wir das tun, ist Ungarn. Dort müssen wir flexibel sein, um profitabel zu bleiben. Jobs sind nicht verloren gegangen, aber wir ersparen uns Fixkosten. Wir investieren auch in Produkte ohne großen Kapitalbedarf – das sind Dienstleistungen abseits des klassischen Kredites, die unsere Unternehmenskunden wünschen.

Ist das die Zukunft der Banken, weniger Kredit- und mehr Beratungsgeschäft?

Nein, wir werden immer am traditionellen Bankgeschäft – Einlagen nehmen, Kredite ausgeben – festhalten. Aber andere Dienstleistungen, für die statt Zinseinkünften Gebühren und Provisionen fließen, werden künftig an Bedeutung gewinnen – etwa wenn wir Unternehmensanleihen auflegen.

Sie sagen, Sie seien offen für Zukäufe. Möglichkeiten gäbe es da derzeit viele, oder?

Wesentlich ist: Wir haben viele Chancen, organisch zu wachsen, weil andere Banken schrumpfen. Prinzipiell sind Länder interessant, wo wir wachsen wollen, wie Tschechien, oder auch Portfolios in Rumänien, Türkei. Aber dazu muss der Preis stimmen, das Geschäft passen und Synergien ermöglichen. Im Moment liegt nichts auf meinem Tisch.

Auch nicht in der Slowakei, wo Sberbank aussteigen möchte?

Nein.

Angebote für Ihre Bank in der Ukraine haben Sie schon am Tisch?

Sicher, wir führen Verkaufsgespräche. Gäbe es keine Interessenten, dürften wir die Bank gar nicht in der Bilanz auf Verkauf stellen, das würde die Aufsicht nicht erlauben.

Dieser Status dauert aber schon sehr lange. . .

Ja, schon seit Ende 2013. Es ist nicht einfach, wie die Situation in der Ukraine insgesamt, aber wir machen Fortschritte.

Wie wird sich Russland 2015 entwickeln?

Die Situation ist schwierig, wegen der Sanktionen und des gefallenen Ölpreises. Heuer dürfte die Wirtschaftsleistung um über drei Prozent schrumpfen. 2016 wird auch nicht einfach, aber im letzten Quartal könnte das Wachstum zurückkehren. Vorausgesetzt, der Krieg in der Ukraine eskaliert nicht.

Russland ist ein wichtiger Gewinnbringer. Was bedeuten die Probleme?

Unsere Bank dort entwickelt sich besser als erwartet, das verdanken wir unserem Fokus auf solide Unternehmen und gehobene Privatkunden.

Sie erwarten keine Verluste?

Nein. Im Gegenteil wir lagen schon im ersten Quartal 2015 über unseren Planzahlen. Sicher, der Gewinn ist geringer als in der entsprechenden Vorjahresperiode, aber das war zu erwarten.

Osteuropa-Risiko, Hypo/Heta-Schuldenschnitt: Das Ausland sehe den Bankenplatz Österreich sehr kritisch, hat Fimbag-Chef Klaus Liebscher laut „Forbes“ gesagt. Ist das auch Ihre Erfahrung?

Österreich wächst momentan schwächer als andere Länder. Ein Unterschied sind die hohen Bankenabgaben, dadurch verliert das Land an Attraktivität für Investoren.

Spüren Sie die Skepsis durch höhere Refinanzierungskosten?

Natürlich, das ist die direkte Folge der Länderbewertung. Es gab eine Verteuerung. Die Refinanzierungskosten sind relativ höher als in Italien oder Deutschland.

Ist es gerechtfertigt, dass Österreichs Aufsicht wegen Osteuropa einen zusätzlichen Kapital-Sicherheitspuffer von 3 Prozentpunkten verlangt?

Alle Länder wollen ganz besonders vorsichtig sein und das Kapital in ihrem Bankensystem schützen. Ich verstehe das. Aber: Je höher der Kapitalbedarf angesetzt wird, umso weniger nachhaltig ist das Geschäftsmodell. Verglichen mit anderen Industrien haben es Banken schwer, den erwarteten Return zu liefern. Am Ende erhält man so ein instabiles System, wenn niemand mehr investiert.

Könnte Basel IV - das Nachfolge-Regime der jetzigen Kapitalvorschriften Basel III - das noch verschärfen?

Ja, absolut. Die unzähligen Vorgaben haben alle die Tendenz, die Latte höher zu legen. Wenn das keine Grenzen kennt, wird es zum Problem.

Was wäre der klügere Zugang?

Man sollte auch die Argumente der Banken hören. Die Probleme bleiben ja nicht auf den Sektor beschränkt. Kann eine Bank das nötige Kapital nicht aufstellen, muss sie ihr Geschäft schrumpfen. Das heißt, weniger Kredite und schrumpfende Wirtschaft.

Banken-Kritiker werden entgegnen, es gibt auch andere Finanzierungsquellen.

Ja, natürlich entstehen neue Formen, die viel schwieriger zu beaufsichtigen sind. Das ist ein weiterer Effekt. Zugegeben, der Job der Aufseher ist nicht einfach. Aber wenn immer mehr Kapital verlangt wird, gefährdet das die Tragfähigkeit des Systems.

Sie haben einen überraschenden Nebeneffekt erwähnt. Die komplizierte Regulierung schrecke neue Mitbewerber – Stichwort Amazon, Google und Co. - ab. Ist das realistisch?

Die komplexe Regulierung der Banken hat negative und positive Wirkungen. Für neue Markteintritte aus anderen Branchen kann sie eine Hürde sein, denn der damit verbundene Aufwand ist nicht einfach zu bewältigen. Das bedeutet aber nicht automatisch einen Wettbewerbsvorteil für die bestehenden Akteure.

Es fällt auf, dass Chinas Nationalbank sich aktuell an vielen italienischen Firmen beteiligt: Unicredit, auch Generali, Mediobanca, Monte Paschi, oder Industriekonzerne wie Fiat, Telecom Italia, Enel, Eni. Warum?

Das ist ein gutes Signal, ein sehr positives Markt-Feedback für Italien. Es ist nicht nur China, auch andere globale Institutionen vertrauen auf das Potenzial und die Erholung des Landes.

Was hat zu dem Sinneswandel geführt?

Die vielen strukturellen Reformen etwa im Arbeitsmarkt beginnen zu greifen, das Wachstum zieht an.

Ist Italien immun gegen die Griechenland-Krise?

Die Liquiditätssituation ist gesund, die Reformen sind völlig im Einklang mit den EU-Vorgaben. Das ist der gravierende Unterschied zu Griechenland.

Ansteckungseffekte befürchten Sie nicht?

Es ist ein Test für Europa, aber Ansteckungseffekte sehe ich nicht – mehr Volatilität hingegen ganz sicher.

Sie bezeichnen die Malerei als heimliche Leidenschaft. Welcher Stil?

Grexit-Gefahr: "Sind mit Geldpuffern gut gerüstet"
Interview mit Carlo Vivaldi, dem Osteuropa-Chef der Bank Austria UniCredit. Wien, 08.07.2015.
Mir sind Farben und die Emotionen, die sie ausdrücken, wichtiger als Motive. Herbert Brandl (österr. Neo-Expressionist, Anm.) begeistert mich.

Wie oft kommen Sie selbst dazu, den Pinsel zu schwingen?

Mein Ziel war, einmal im Jahr einen Tag der Malerei zu widmen. Das habe ich bisher zwei Mal geschafft. Ich bin also leicht in Verzug – vielleicht später einmal.

Carlo Vivaldi (49)

Der Italiener ist seit Februar Bank-Austria-Vizechef und leitet das Osteuropa-Geschäft. Vivaldi war schon von 2007 bis 2011 als Finanzvorstand in Wien. Davor und danach bekleidete er führende Positionen bei Tochterbanken in der Türkei und Rumänien. Der frühere Basketballspieler ist verheiratet, hat zwei Töchter und ein Faible für expressive Malerei.

Osteuropa

Die italienische Großbank UniCredit steuert ihr gesamtes Osteuropa-Geschäft in 14 Ländern (außer Polen) über die Bank Austria von Wien aus.

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