Warum auch die selbstständigsten Autos einen Babysitter brauchen

Robotaxi von Waymo auf einer Straße in den USA.
Autonomes Fahren entwickelt sich weiter, aber kommt nicht in die Masse. Bestimmte Probleme scheinen schwer überwindbar.

Von selbstfahrenden Autos träumt die Menschheit schon seit Jahrzehnten. In jüngster Zeit wurden dabei auch große Fortschritte gemacht. In China und den USA kann man in einigen Städten bereits Robotertaxis bestellen und sich damit fahrerlos kutschieren lassen. In Europa herrscht beim Thema autonomes Fahren dagegen oft noch Skepsis. In Wien fand diese Woche zum insgesamt sechsten Mal eine international besetzt Konferenz der Plattform "The Autonomous" statt, bei der viele Fragen rund um das Thema diskutiert wurden.

Ist es prinzipiell möglich, völlig sichere fahrerlose Autos zu bauen?

"Die kurze Antwort ist nein", sagt Missy Cummings. Die ehemalige Kampfjetpilotin ist Leiterin des Robotikzentrums der US-Universität Duke und untersuchte auch Unfälle mit selbstfahrenden Autos für die US-Verkehrssicherheitsbehörde. "Jeder, der sich mit künstlicher Intelligenz spielt, etwa ChatGPT, weiß, dass diese Programme halluzinieren." So gehe es allen Systemen, die Bilder interpretieren, etwa vom Verkehrsgeschehen. "Manchmal sehen sie etwas, wo nichts ist." Für dieses Problem gebe es noch keine Lösung. Man dürfe nie vergessen, dass selbst fortschrittlichste Computer über ihre Wahrnehmung nicht nachdenken können, wie es Menschen tun. Im schlimmsten Fall kann das Todesopfer fordern.

Missy Cummings: Bis zur völligen Autonomie von Fahrzeugen wird es noch eine Zeit lang dauern.

Missy Cummings: Bis zur völligen Autonomie von Fahrzeugen wird es noch eine Zeit lang dauern.

Wie können autonome Autos dann mit Situationen umgehen, die sie nicht verstehen?

Momentan sitzt bei vielen selbstfahrenden Autos noch ein Sicherheitsfahrer an Bord, der im Notfall eingreifen kann - obwohl auch das nicht immer Unfälle verhindern kann. Laut Cummings könnte auch "Remote Assist" eine vorübergehende Lösung sein. Im Zweifelsfall könnte ein Fahrzeug einen Menschen zu Hilfe rufen, der ihnen eine unklare Situation erklärt. "Autos brauchen einen menschlichen Babysitter", so die Expertin. Autos direkt fernzusteuern, dafür sei die Zeitverzögerung derzeit noch zu lange und daher zu unsicher. Bei geringen Geschwindigkeiten (bis 30 km/h) sei es aber kein Problem, sagt Jakub Juza von Roboauto. Das Unternehmen ist auf "Teleoperation" spezialisiert.

Warum gibt es Robotaxis überhaupt, wenn ihre Sicherheit nicht garantiert ist?

Beim Praxisbetrieb von hochgradig automatisierten Fahrzeugen seien andere Länder einfach wagemutiger, sagt Stefan Poledna, CEO von TTTech Auto. Das österreichische Unternehmen wurde erst Anfang 2025 an den niederländischen Halbleiter-Hersteller NXP verkauft und ist auf sichere Datenübertragung in Fahrzeugen spezialisiert. In China und den USA werden Dinge oft zuerst ausprobiert und Probleme erst im Nachhinein ausgebügelt. Nicht jede Idee scheint aus Expertensicht sinnvoll. Elon Musks Vision etwa, dass Tesla-Autos nur durch Kameras, ohne Kombination mit Radar- oder Lidar-Sensoren, völlig autonom unterwegs sein werden, wird laut Cummings "nie im Leben" umsetzbar sein.

Wo bleibt Europa in dem Spiel?

Die großen Player beim Thema autonomes Fahren kommen laut Poledna aus China, den USA und Israel. Große Konzerne investieren große Summen in Forschung und Entwicklung, Start-ups kämen leichter zu Kapital. Europäische Unternehmen können auf dem Gebiet dennoch reüssieren, wenn sie sich auf bestimmte Produkte spezialisieren und an starken Märkten orientieren. China sei aufgrund seines wachsenden Automarktes das Zielgebiet Nummer eins. Der Wettbewerbsdruck sei dort aber enorm. In Europa und Österreich seien die Voraussetzungen für das Entwickeln und Testen von Fahrzeugtechnologien gar nicht so schlecht. Notwendig seien allerdings einheitliche Rahmenbedingungen.

Welche wirtschaftliche Bedeutung hat die Fahrzeug-Automatisierung?

Wenn man den Begriff auf Assistenzsysteme in Autos ausdehne, dann habe die Automatisierung bereits eine große Bedeutung, meint Ricky Hudi, Vorsitzender von The Autonomous: "Den wirtschaftlichen Einfluss können wir gar nicht überschätzen, weil das Menschenleben rettet." Von passiven auf aktive Sicherheitssysteme erweiterte Sicherheitsbewertungen wie NCAP zeigten laut Poledna, dass das Thema enorm wichtig sei. In Zukunft werde autonomes Fahren nicht nur den Individualbereich betreffen, sondern auch den öffentlichen Transport. Im ländlichen Raum könnte man etwa mit bedarfsgesteuerten, fahrerlosen Shuttle-Bussen den Verkehr nachhaltiger machen.

Was braucht es, um selbstfahrende Fahrzeuge schnell auf den Markt zu bekommen?

Der Tenor bei der Veranstaltung von The Autonomous ist, dass Autonomes Fahren den Straßenverkehr der Zukunft sicherer und effizienter machen würde. Derzeit gelte es aber noch, Vertrauen zu schaffen und besser zusammenzuarbeiten. Es sei wichtig, Entscheidungen von Fahrzeugsystemen - die immer öfter mit KI arbeiten - nachvollziehbar und erklärbar zu machen, sagt Katrin Matthes vom Software-Entwickler Ampere. Verstärkte Zusammenarbeit zwischen Staaten und Unternehmen sei außerdem maßgeblich. Bei Regulierungen herrsche derzeit noch "ein einziges Durcheinander", sagt Jeff Walker vom B2B-Marktplatz SDVerse. Für Unternehmen sei Zusammenarbeit überlebenswichtig, "weil Entwicklungskosten sonst zu hoch werden".

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