Ausgeboostert? Wie es den Corona-Impfstoff-Herstellern jetzt geht

Eine Hand zieht eine Dosis des Moderna COVID-19-Impfstoffs mit einer Spritze auf.
Bei Pfizer, Biontech und Moderna brechen die Absatzzahlen massiv ein. Sie brauchen nach Auslaufen der Pandemie neue Wachstumsfelder.

War es das schon wieder mit den Corona-Impfungen? Aus dem Milliarden-Seller der Pandemie ist ein Ladenhüter geworden. Allgemeine Impfmüdigkeit macht sich breit, die Sache mit den Auffrischungsimpfungen, dem "Boostern", wird nicht so genau genommen. Das spüren auch die Impfstoff-Hersteller Pfizer, Biontech und Moderna. Sie müssen jetzt auf die sinkende Nachfrage reagieren, Kosten und Personal kürzen und neue Wachstumsfelder suchen. 

„Die Corona-Party bei den Herstellern ist wahrscheinlich vorüber“, sagt Harald Kober, Senior Fondsmanager und Biotech-Experte bei der Erste Asset Management, zum KURIER. 

Zwei Fläschchen mit Pfizer- und Moderna-Impfstoffen gegen COVID-19 und eine Spritze.

Solange nicht sehr aggressive Covid-19-Mutationen auftreten, die zu überfüllten Spitälern führen, werde es keine großen Absatzzahlen mehr geben. Während der Pandemie spülten die neuen mRNA-Impfstoffe Milliarden in die Taschen der drei Unternehmen. Diese sitzen dank Corona jetzt auf dicke Finanzpolster, die sie für die    Weiterentwicklung ihrer Produkte, Entwicklung neuer Therapien – aber auch für Übernahmen, ausgeben.  

Albert Bourla, CEO von Pfizer, spricht auf einer Veranstaltung des Weltwirtschaftsforums.

Pfizer-CEO Albert Bourla

PFIZER

Der US-Pharmariese verzeichnete im Vorjahr einen Umsatz- und Gewinneinbruch und musste allein im dritten Quartal Abschreibungen in Höhe von 5,6 Mrd. Dollar vornehmen. Der Hauptteil davon entfiel nicht auf überzählige Impfdosen, sondern auf unverkäufliche Packungen des Covid-Medikaments Paxlovid. Der Jahresumsatz brach um 42 Prozent auf 58,5 Mrd. Dollar ein, der Nettogewinn um 72 Prozent auf 10,5 Prozent. 

„Paxlovid“ wurde 2.256 Mal über niedergelassene Ärzte verschrieben.

Auch das Corona-Medikament Paxlovid ist von Pfizer

Bis Ende des Jahres müssen 3,5 Milliarden Dollar an Kosten eingespart werden. Auch ein größerer Stellenabbau wird global umgestellt, vor allem in Irland und Großbritannien. Die Pfizer-Aktie notiert auf einem Zehn-Jahres-Tief. Pfizer ist produktmäßig aber breit aufgestellt. Mit den Finanzpolster aus dem Covid-Erlösen erwarb Pfizer im Vorjahr für 43 Mrd. Dollar den Krebsspezialisten Seagen und baute damit seine Angebotspalette  an Krebsmedikamenten aus. Die Sparte soll eigenständiger werden.

Ugur Sahin, CEO und Mitbegründer des deutschen Biotechnologieunternehmens BioNTech, wird in Marburg von Journalisten interviewt.

BIONTECH

Besonders hart zu spüren bekam das deutsche Biotechunternehmen Biontech den Nachfrageeinbruch bei Corona-Impfstoffen. Der Umsatz stürzte im Vorjahr von  17,3 Mrd. Euro auf 3,8 Mrd. Euro ab. Der Nettogewinn schrumpfte von zuvor 9,4 Mrd. auf magere 930 Mio. Euro. Weil der mit viel deutschem Steuergeld finanzierte Impfstoff Comirnaty der einzige Umsatzbringer der Mainzer ist, werden die Erlöse weiter schrumpfen. Das Unternehmen rechnet mit Umsätzen von nur noch 2,5 bis 3.1 Mrd. Euro und Verlusten.

Der Aktienkurs brach binnen eines Jahres um 30 Prozent ein. Um die verbliebenen Aktionäre bei Stange zu halten, braucht Biontech dringend ein neues Medikament, meinen Analysten. Dank eines dicken Finanzpolsters aus den Impfstoff-Verkäufen wird die Forschung & Entwicklung angekurbelt. 

Große Hoffnung liegt in der Entwicklung eines Krebsmedikamentes auf Basis der mRNA-Technologie. Schon 2026 soll das erste Präparat auf den Markt kommen, ab dann plant das Unternehmen jährliche Marktzulassungen im Bereich Onkologie. Bis 2030 will das Unternehmen Zulassungen in insgesamt zehn Indikationen erreicht haben, wie Chef und Mitgründer Ugur Sahin zuletzt ankündigte. Bei der Entwicklung von Krebsmedikamenten kooperiert Biontech auch mit dem chinesischen Unternehmen Duality Bio im Bereich der Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADC). 

Ein Mann mit Brille gestikuliert vor einem gelben Hintergrund.

Moderna-CEO Stephane Bancel

MODERNA 

Noch schlechter als für Pfizer und Biontech lief es für den US-Hersteller Moderna. Dieser musste im Vorjahr die Produktionskapazitäten und die Vermarktung für den Covid-Impfstoff stark zurückfahren. Dies brockte dem Unternehmen milliardenschwere Wertberichtigungen und einen Jahresverlust von 4,7 Mrd. Dollar (4,35 Mrd. Euro) ein. Das Jahr zuvor hatte dem Impfstoff-Hersteller noch einen Gewinn von knapp 8,4 Mrd. Dollar ausgewiesen.

Bei Moderna ruhen die Hoffnungen auf seinen Impfstoff gegen das Atemwegsvirus RSV, dessen Marktzulassung den Angaben zufolge noch im ersten Halbjahr erwartet wird. Geforscht wird ebenfalls im Bereich Infektionskrankheiten, Krebstherapien auf mRNA-Basis und seltene Erkrankungen. „Aktuell ist noch nicht ersichtlich, ob Krebsmedikamente auf mRNA-Basis besser/wirksamer als andere Therapieformen sein werden“, gibt Kober zu bedenken.

Wo kommt das Wachstum her?

Das größte Marktwachstum in den nächsten Jahren erwartet der Pharma-Experte im Bereich Diabetes/Fettleibigkeit – Stichwort Abnehmspritze – sowie im Bereich der Erkrankungen des zentralen Nervensystems (Alzheimer, Parkinson etc.) 

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