Aufschub für Defizitsünder

epa05058343 Spanish Minister of Economy Luis de Guindos and Portuguese Finance Minister Mario Centeno (R) during a Eurogroup Finance ministers meeting at the European Council headquarters in Brussels, Belgium, 07 December 2015. EPA/OLIVIER HOSLET
Sanieren Spanien und Portugal nicht bis Dezember die Budgets, werden EU-Mittel gekürzt.

Die hohen Haushaltsdefizite von Spanien und Portugal beschäftigten am Dienstag die EU-Finanzminister bei ihrem Treffen in Luxemburg. Wegen ihrer Verstöße gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt droht die EU-Kommission mit der Kürzung der Strukturfondsmittel.

Unter den Finanzministern gab es vorerst aber noch keinen Konsens über sofortige Sanktionen. Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) sagte, dass eine Entscheidung über die Aussetzung der EU-Mittel für Spanien und Portugal bis Dezember fallen müsse – es sei denn, die Länder erfüllen noch rasch ihre Verpflichtungen.

Spielregeln einhalten

Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sieht den Anti-Austerity-Kurs einiger EU-Staaten besorgt: "Interessanterweise sprechen sich alle gegen den Sparkurs aus, die ihre Ziele nicht erreichen und keine Reformen machen", betonte Schelling. "Wenn man in der Währungsunion ist, muss man sich an die Spielregeln halten."

Dass Spanien 2017 die EU-Defizitvorgabe verfehlen wird, wie die spanische Wirtschaftszeitung Expansión am Dienstag berichtete, ist für den früheren Chef des deutschen Wirtschaftsforschungsinstituts Ifo, Hans-Werner Sinn, keine Überraschung. Die Wirtschaft der südeuropäischen Länder liege am Boden, doch die derzeitige Politik der EZB verhindere eine echte Gesundung: "Wenn Sie einem Land Geld geben, dann gibt’s keine Reform", sagte er Montagabend in einem Vortrag beim "Industrieforum 2016" auf Einladung der Wirtschaftskammer.

Verstöße gegen die Maastricht-Kriterien hätten nie Konsequenzen nach sich gezogen, kritisierte er. Seit 1999 habe es in der Eurozone 165 Überschreitungen, davon 114 nicht erlaubte, gegeben. "Das ist Europa – man vereinbart etwas, hält sich aber nicht daran." Das könne durchaus irgendwann einmal auch Gläubigerländern wie Deutschland auf den Kopf fallen. "Wenn die Blase platzt, sieht Deutschland sein Geld nie wieder. Wir fühlen uns reich, aber in Wahrheit sind das reine Buchforderungen."

Damit die Südländer halbwegs wettbewerbsfähig bleiben, versuche die EZB, den Norden zu "inflationieren". Und weil die Schuldnerländer die Zinsen nicht bedienen können, werden diese auf null bzw. in den negativen Bereich gesetzt – "zulasten der Steuerzahler". Weil das ganze System so komplex sei, durchschaue und kritisiere es auch kaum jemand.

Brexit ändert alles

Unterschätzt werde auch die Bedeutung des Brexit. Großbritannien habe in der EU so viel wirtschaftliches Gewicht wie die 20 kleinsten der 28 Mitgliedsländer (inklusive Österreich). "Nichts kann in Europa so bleiben, wie es ist. Wir müssen alles neu überlegen." Durch den Austritt der Briten verlieren die freihandeslorientierten Länder (wozu Sinn auch Österreich zählt) ihre Sperrminorität. Mit Österreich geht der Wirtschaftsprofessor milde um: "Sie klagen auf hohem Niveau." Er habe in seiner Jugend oft in Österreich geurlaubt, das sei ein armes Land gewesen. Seit dem EU-Beitritt habe Österreich eine "unglaubliche Blüte erlebt".

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