"Wir können auch komplett anders erzählen"

Warum ist das deutsche TV so spießig? Marcus Ammon, Serienchef von Sky Deutschland, will dies mit mehr Eigenproduktionen ändern.

KURIER: Es scheint, der Serienboom nimmt kein Ende und immer mehr Anbieter setzen auf Eigenproduktionen: Ihre Konkurrenten Netflix und Amazon werfen Serie für Serie auf den Markt. Wird Sky seine Produktionen ebenfalls hinauffahren?

"Wir können auch komplett anders erzählen"
Serienchef Marcus Ammon
Marcus Ammon:Für uns bleiben Eigen- und Co-Produktionen ein wichtiger Bestandteil unserer Agenda. Wir haben "100 Code" als Co-Produktion mit Red Arrow produziert und wir produzieren gemeinsam mit X-Filme und ARD-Degeto demnächst "Babylon Berlin", eine auf Deutsch gedrehte Serie. Auch wenn es gewagt ist, vergleichen wir uns gerne mit HBO. Vor 20 Jahren war das ein Pay TV-Sender, der vor allem Filme und Sport gezeigt hat. Irgendwann haben sie angefangen, auch selbst zu produzieren. Am Anfang die Gefängnisserie "Oz", die "Sopranos", "The Wire". Das waren Serien, die damals nur HBO machen konnte. Das hätte sich keines der etablierten Networks getraut. Das war der große Durchbruch von HBO im Eigenproduktionsbereich. Diese Chance haben wir auch und diese wollen wir konsequent nutzen.

Worum geht es bei "Babylon Berlin"?

Die Serie basiert auf einem Buch eines deutschen Autors namens Volker Kutscher und spielt im Berlin der 1920er-Jahre. Es ist die Geschichte eines jungen Kommissars, der von Köln nach Berlin wechselt, dort zunächst in der Sitte arbeitet, aber sehr schnell ins Kriminaldezernat wechselt und dort an einem großen Goldschmuggel dran ist. Tom Tykwer ("Lola Rennt", Anm.) ist Showrunner. Der Plan ist es, sehr aufwendig zu drehen, und die faszinierende Zeit Berlins in den 20er-Jahren zu zeigen. Es ist unser erstes großes deutsches Projekt.

Warum ist der deutschsprachige Raum bisher vergleichsweise bieder, was seine Fernsehserien angeht?

Das hat damit zu tun, dass man im frei empfangbaren Fernsehen vorwiegend die Quote im Blick hat und daher sehr gefällig produziert. Das müssten meiner Meinung nach insbesondere die öffentlich-rechtlichen Anbieter nicht. In der Branche wird intensiv diskutiert: Warum gibt es in Deutschland nur Produktionen wie "Mord mit Aussicht" und "Lehrer Dr. Specht"? Es gibt fast nichts, was man mit skandinavischen Serien vergleichen könnte. Warum schafft ein kleines Land wie Dänemark, so etwas wie "Borgen" herauszubringen? Ein Kompliment an die Kollegen in Österreich für "Braunschlag": Ich fand es insofern eine gelungene Serie, weil sie Konventionen über den Haufen wirft und Grenzen überschreitet und komplett anders daherkommt. Das allein gefällt mir. Es war einfach mal der Beweis: Wir können auch komplett anders erzählen. Das imponiert mir.

Sie haben für Sky Atlantic einen Output-Deal mit HBO, das heißt, sie haben Zugriff auf alle HBO-Serien. Die werden massenhaft im Internet illegal heruntergeladen. Bereiten Ihnen Raubkopierer Sorgen?

Im Endeffekt bereitet dieser Trend jedem Anbieter von Inhalten Sorgen. Für uns ist es aber auch gleichsam ein Ansporn, noch besser zu werden und so schnell wie möglich Serien auf unsere Plattform zu bringen – ob das im Originalton on demand ist oder in kürzester Zeit synchronisiert im linearen Programm. So zeigen wir durch unseren exklusiven HBO- Deal alle kommenden HBO-Serien parallel zum US-Start in der Originalversion. Die dritte Staffel von "Game of Thrones" war die Serie, die weltweit am meisten illegale Downloads verzeichnete. Die große Ausnahme hierbei war Deutschland, das in den Statistiken der illegalen Downloads in Bezug auf die heiß erwartete 1. Episode der 3. Staffel in den Top Ten nicht einmal auftauchte. Das bestärkt uns in unserer Strategie, die es für Fans offensichtlich unattraktiv macht in die Illegalität zu gehen.

Für Sie bedeutete der Deal mit HBO einen hohen Sicherheitsaufwand, oder?

Ja, aber wir sind auch bereit, das zu tragen. Wir sind offiziell zertifiziert, was es HBO ermöglicht, uns Material früher zur Verfügung zu stellen, damit wir zum Beispiel neue Staffeln schneller synchronisieren können.

"Game of Thrones" ist eine der ersten Serien, die einen richtigen Fankult zur Folge hat, die Menschen tauchen in die Fantasywelt ein wie früher nur bei "Herr der Ringe" oder "Star Wars". Gab es so etwas schon einmal?

"Game of Thrones" toppt das alles noch mit eigenen Conventions und Ausstellungen. Das ist mittlerweile schon ein Universum für sich. Im Mai holen wir auch die "Game of Thrones"-Ausstellung von HBO nach Berlin. Die Wanderausstellung war bereits in London, Amsterdam und Tel Aviv und kommt nun erstmals nach Deutschland. Zu erleben gibt es rund 70 Original-Requisiten, natürlich den Eisernen Thron und eine einzigartige virtuelle Fahrt hoch auf die Eismauer.

Was war die wichtigste Serie, die Sie als Serienchef für Sky akquiriert haben?

Sicher "Game of Thrones". Vielleicht auch noch "House of Cards", weil das durch die besondere Rechtesituation nachträglich als Coup betrachtet werden kann.

Home Box Office (übersetzt etwa: "Heimkino") ist seit Jahren die wichtigste Produktionsstätte für hochwertige Serien in den USA. Der Durchbruch gelang HBO mit den ab 1999 produzierten Sopranos, die auch in Europa im Free TV liefen. Kritikererfolge waren auch The Wire und die allererste HBO-Eigenproduktion, Oz. Beide Produktionen fanden aber nie den Weg in das reguläre deutschsprachige Fernsehen. Das PayTV-Universum von Sky ergänzt das für sehr spezielle Zielgruppen erstellte HBO-Programm jedoch sehr gut:

Auf dem eigenen Sender Sky Atlantic sind viele der Serien auch in Österreich empfangbar. Die wichtigste HBO-Produktion ist derzeit das Fantasyspektakel Game of Thrones. Von Netflix erwarb Sky die Rechte für die Erstausstrahlungen von neuen Folgen von House of Cards.

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