Selfie-Journalismus und die schwindende Macht der Bild

"Nein!" schreit diese Zeitung. Die Leser nahmen es betont gelassen. Auch die Politik blieb standhaft.
Die deutsche "Bild" versuchte ihre Leser gegen die Griechen mit einer Selfie-Aktion aufzuhetzen. Nur 0,004 Prozent machten mit.

Die deutsche Bild ist die wichtigste deutschsprachige Boulevardzeitung. Mit allen Konsequenzen, die diese Art des knallbunten Journalismus mit sich bringt. Berüchtigt ist die Bild (wie hierzulande auch die Kronen Zeitung) für Pressekampagnen aller Art. Beliebtestes Ziel der Redaktion um Chefredakteur Kai Diekmann: Die "Pleitegriechen", die nach Ansicht der Redaktion lieber den reichen Deutschen das Geld aus der Tasche ziehen würden, als ihre eigene Volkswirtschaft endlich in Schwung zu bekommen.

Selbsttest statt Selfie

Wie gewichtig die Stimme der Bild heutzutage ist, testete die Zeitung unabsichtlich selbst. Sie druckte ein "Nein!" gegen weitere Zahlungen an "die gierigen Griechen" und lud ihre Leser dazu ein, Selfies mit dem Motiv zu machen, um eine Abstimmung im Bundestag zu beeinflussen. Und dabei zeigte sich: Mit den Mobilisierungskräften der Zeitung ist es nicht mehr allzu weit her. Wie der "Bild-Blog", der sich auf Verfehlungen von Boulevardzeitungen spezialisiert hat, errechnete, beteiligte sich eine verschwindend geringe Anzahl an der grenzwertigen Aktion. Nur 0,004 Prozent aller Bild-Leser stellten ein entsprechendes Bild zur Verfügung. Weil sich so wenige Leser in Selfie-Manier selbst fotografierten, schwärmten zudem die Hausfotografen aus, um Passanten zu einer Pose mit dem "Nein" zu überreden. Auch der Bundestag ließ sich nicht beirren: Am Freitag wurde die Verlängerung der Griechenland-Hilfen mehrheitlich beschlossen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat dafür die Bild aufgefordert, ihre Aktion gegen die Verlängerung der Griechenland-Hilfen zu stoppen. Der Verband sprach von einer "Kampagne", die direkten Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen wolle.

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