Retz ist ganz weit weg
Ein Toter im Weingarten, ausgerechnet jetzt, wo man so schön zusammengesessen ist. (Gemütlich bleibt es trotzdem: Am nächsten Tag gibt’s Schweinsbraten mit Kraut und Knödel, Toter hin oder her). Ein neuer Fall für „Polt“ (28. 12., 20.15 Uhr, ORF 2).
Alfred Komareks Dorf-Gendarm Simon Polt ist als Ermittler längst in Pension, aber als Teilzeitwirt und Freund des betroffenen Weingartenbesitzers kann ihm das Dorfgeschehen nicht egal sein. Aber eigentlich war das Lösen von Fällen noch nie Simon Polts Interessensschwerpunkt. Seine Leidenschaften sind Grüner Veltliner und sein Kater Czerno – ein notorischer Bratwurstdieb und verlässlicher Schenkelwärmer in rauen Weinviertler Winternächten.
KURIER: Was hat der Polt zu Weihnachten gemacht?
Alfred Komarek: Der verbringt Weihnachten traditionell allein mit seinem Kater. Aber er hat schon so ein Eigenleben in meinem Kopf, dass ich mich nix mehr sagen trau. Er entscheidet selber.
Silvester-Feierer ist er wahrscheinlich auch keiner?
Komarek: Er hat sich als Gendarm so viel über die Silvesterknallerei geärgert, dass er eigentlich nix mehr davon wissen will ...
Erwin Steinhauer: ... aber er macht sich schon ein Flascherl auf. Und der Czerno kriegt auch was. Eine Biskotte getränkt in Grünen Veltliner.
Komarak: Na, eher in Baldrian.
Herr Komarek, als Sie den Polt geschrieben haben, haben Sie sich da jemanden wie den Herrn Steinhauer vorgestellt?
Steinhauer: Es gibt auch Ähnlichkeiten zwischen mir und der literarischen Vorlage.
Komarek: Und zwar?
Steinhauer: Naja, der war auch ein bissl fester im G’sicht und hat auch Koteletten getragen.
Komarek: Und er war ein unendlich gutmütiger Gendarm. Er ist schon lang vor dem ersten Buch gestorben.
Herr Steinhauer, als der Polt an Sie herangetragen wurde, mochten Sie ihn gleich?
Steinhauer: Er hat mich als Figur sofort überzeugt, weil er so anders war. Ich bin ein begeisterter Krimileser. Mich hat die Langsamkeit dieser Geschichte interessiert. Allerdings: Der ORF war nicht sehr mutig dabei.
Komarek: Ja, sie haben jedes Mal wieder gezögert. Weil alles, was der Polt ist, spricht gegen einen Fernseherfolg.
An seinem ersten Arbeitstag lernt Polt: Als Gendarm muss man ein Diplomat sein. Und sich ein dickeres Fell zulegen. Ist ihm das gelungen?Komarek: Nein, drum gibt er ja auf. Er resigniert und zieht die Uniform aus.
Polt war schon in der Jugend ...
Steinhauer: ... früh vergreist.
... aus der Zeit gefallen. Man kann es auch positiv formulieren. Das macht ihn liebenswert.
Steinhauer: Absolut.
Komarek: Er wollte ja immer Lehrer werden. Ist ihm nicht gelungen, sein Vater konnte sich das nicht leisten.
Hätte er dieser Tage mit den Lehrern mitdemonstriert?
Steinhauer: Nein, das war nie seins. Es ist nie so, dass er zielgerecht auf etwas zugeht. Aber es ist wunderbar, wie sich die Fälle um ihn herum lösen.
Komarek: Er ist mehr Katalysator als Bewirker.
Ähnelt der Polt seinem Lebensraum, dem melancholischen Weinviertel?
Komarek: Ja, Wein plus Landschaft prägen die Menschen. Ich versuche beim Schreiben immer, den Lebensraum miteinzubeziehen. Das hat meine Lektoren seit jeher erschreckt: Menschen, die wenig reden, in einer Landschaft, die nicht berühmt ist, und schon gar nicht „in“. Eine Lektorin hat mir geschrieben, dass sie auf Seite 30 ist, und es ist noch nix passiert! Ich hab zurückgeschrieben: Es wird auch nix passieren.
Herr Komarek, Sie stammen aus dem ungleich pittoreskeren Bad Aussee. Wie haben Sie sich das Weinviertel erarbeitet?
Komarek: Ich habe in Wien studiert, bin aber nie Städter geworden, zum Wiener schon gar nicht. Das ist mir nie gelungen. Das Weinviertel war ein Fluchtpunkt für mich. Am Anfang war ich sehr verdattert, ich hab gedacht: Was ist denn das für eine Gegend? Das Salzkammergut hat etwas Umfangendes, dort der Berg, da die Kirche. Das Weinviertel ist wie ein Meer, das aufgehört hat, zu wogen. Das ist für mich therapeutisch.
Apropos therapeutisch: „Trink ma wos“ ...
Steinhauer: Ist ein Gruß.
... und einer der häufigsten Sätze im „Polt“-Film. Besteht da nicht Gefahr, die österreichische Sauf-Kultur zu positiv darzustellen?
Steinhauer: Nein. Das tun wir nicht. Es gibt Figuren im Film, die daran zugrunde gehen.
Bouteillen statt Doppler.
Steinhauer: Dabei schmeckt der Wein im großen Gebinde besser als im kleinen! Der Doppler ist wegen dem Weinskandal in Verruf geraten.
Komarek: Als ich vor 35 Jahren ins Weinviertel gekommen bin, haben die Leute gesagt: Wenn ein Etikett drauf ist, is’ er schon nix mehr.
Polt kommt aus der Region und war nie weit weg.
Komarek: Mein Presshaunachbar hat einmal gesagt: Jetzt bin i in Pension, jetzt fahr ich weit weg. Nach Retz oder noch weiter.
Haben Sie keine Angst, dass Ihre Bücher einen Weinviertel-Boom auslösen könnten? Dann wär’s vorbei mit der Beschaulichkeit.
Komarek: Nein, die große Abwanderung ist vorbei, und es gibt erfolgreiche Weinbauern. Aber von Höhenflug kann nicht die Rede sein. Die Gegend ist noch immer ruhig.
Sind Sie zufrieden mit dem Film?
Steinhauer: Ich hab ihn nicht gesehen. Ich schau mir das erst Jahre später an. Das ist immer ein Stress für mich. Mir fallen alle meine Fehler auf.
Hat der Polt viel von Ihnen?
Steinhauer: Nichts, außer der Liebe zum Veltliner. Vor allem hab ich nicht seinen unbedingten Drang zur Wahrheit. Da bieg ich lieber ab.
Herr Komarek, haben Sie je das Gefühl gehabt, Sie müssen Herrn Steinhauer den Polt erklären?
Komarek: Nein, ich hab eher das Gefühl gehabt, ich muss ihm um den Hals fallen.
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