NSU-Prozess: Zeitungen prüfen Klage

Nach der umstrittenen Verlosung der Presseplätze im Münchner NSU-Prozess muss sich das deutsche Bundesverfassungsgericht möglicherweise erneut mit dem Vergabeverfahren befassen: Wie der Berliner Tagesspiegel prüft auch die Wochenzeitung Die Zeit eine Klage in Karlsruhe. Das kündigte Chefredakteur Giovanni di Lorenzo am Dienstag im RBB-Inforadio an. Auch die Tagesspiegel-Chefredakteure Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt erklärten, dass sie eine Klage erwägen.
Bei der Verlosung der 50 Presseplätze im Gerichtssaal am Montag waren eine ganze Reihe überregionaler Medien leer ausgegangen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hatte ebenso wenig Glück wie Die Zeit, die Berliner tageszeitung (taz) oder Die Welt.
Tauschen erlaubt
Einige der betroffenen Redaktionen können unter Umständen jedoch trotzdem aus dem Gerichtssaal berichten, denn Tauschen ist diesmal erlaubt. Die dpa-Gruppe etwa stellt einen der ihr zugelosten Plätze den Nachrichtenagenturen Agence France-Presse (AFP) und Thomson Reuters für eine gemeinsame Poolberichterstattung zur Verfügung.
Die Online-Redaktion der Frauenzeitschrift Brigitte, die einen Platz abbekommen hatte, twitterte, sie werde ihn mit dem Magazin Stern teilen. Beide gehören zum Hamburger Verlag Gruner + Jahr.
Prozess um rassistisch motivierte Morde
Türkische und griechische Medien sind diesmal in jedem Fall dabei, wie das Münchner Oberlandesgericht (OLG) im Anschluss an die Verlosung mitteilte. Der Prozess um die rassistisch motivierten Morde und Anschläge des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) soll am 6. Mai beginnen. Er war wegen der Querelen um die Platzvergabe um fast drei Wochen verschoben worden. Der Hauptangeklagten Beate Zschäpe wird Mittäterschaft vorgeworfen. Angeklagt sind außerdem vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer.
Der Verlosung der Presseplätze waren wochenlange Streitereien vorausgegangen - auch vor Gericht. Im ersten Anlauf, als bei der Vergabe noch die Reihenfolge der Anmeldungen entscheidend war, waren keine türkischen Medien zum Zuge gekommen. Acht von zehn Mordopfern stammten aus der Türkei. Schließlich ordnete das deutsche Bundesverfassungsgericht an, dass mindestens drei Plätze für ausländische Medien reserviert werden müssen, insbesondere für türkische. Der Senat entschied sich für die komplette Neuvergabe der Akkreditierungen - per Los.
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