Literatur im Dschungelcamp?
Auf der Internet-Seite zum Klagenfurter Wettlesen 2013 (das im ORF-Landesstudio stattfindet und von 3sat live übertragen wird) steht Ingeborg Bachmanns Satz: „Seht zu, dass ihr wach bleibt!“
Der ORF hat das anders verstanden als es von der Dichterin gemeint war:
Nächstes Jahr werde es einen „Musikantenstadl“ aus Indien geben, der Opernball sei auf Jahre gesichert, und 100 Millionen Euro werde man für Sportrechte ausgeben ... aber die 350.000 Euro, die der Bachmannpreis insgesamt kostet, die möchte man einsparen.
Das hat, wie berichtet, zu Protesten in allen Parteien geführt, sogar in jener, in der ein gewisses Faible für die Lieder Udo Jürgens’ besteht.
Während ORF-General Alexander Wrabetz den Ball (die Finanzierung) an die Landesdirektorin spielt und sie volley zurückschießt, melden sich immer mehr „Büchermenschen“ zu Wort.
Bierschwefel
Wie der Vorarlberger Schriftsteller Arno Geiger (zuletzt „Der alte König in seinem Exil“), der im KURIER-Gespräch sagt: „Was mich am meisten empört, ist, dass am Ende alles so bleibt, wie es ist. Wenn der Bachmannpreis wenigstens tatsächlich abgeschafft würde, dann hätte man immerhin den ERSICHTLICHEN Schaden. Aber so wurde nur wieder unterschwellig suggeriert, dass Literatur etwas Verzichtbares ist. Hingegen das Tanzen und Wandern und Bierschwefel-Verzapfen im Hauptabendprogramm ist unverzichtbar. Und die Musi spielt dazu.“
Der Kärntner Verleger Lojze Wieser muss an die teure Image-Kampagne („ORF. Wie wir“) denken: Die dafür Verantwortlichen mögen lernen, was die Kultur immer schon lernen musste, nämlich mit kargen Mitteln sparsam umzugehen – „die Kultur hat das Umschichten sozusagen patentiert.“
Der Wiener Peter Rosei (zuletzt „Madame Stern“) zum KURIER: „Bachmannpreis oder der Weg nach unten: Vielleicht nimmt ihn der ORF ja als Dschungelcamp-Format? Oder gekreuzt mit Beach-Volleyball?“
Der Kärntner Dichter Janko Ferk: „Das Bachmannpreis-Einsparen klingt nach schlechtester populistischer Politik. Wenn Politikern nichts einfällt, fällt ihnen ein, bei der Kultur einzusparen. Einfältiger geht es auch beim ORF-General nicht.“
Julya Rabynowich (zuletzt „Die Erdfresserin“: „Das Abwürgen des Lesens erzeugt Atemnot im Hirn. Österreich kann nicht ernsthaft daran interessiert sein, eine der wichtigsten und bekanntesten internationalen Veranstaltungen wie ein gesundes Standbein zu amputieren! Ohne Mondschein kommt die Nachtfinsternis. Und das alte Rom hat es nach Schließung der Arena übrigens auch nicht mehr lange gegeben.“
Reifentests
Zwar heißt es immer, es komme allein auf die Qualität des Textes an (über die dann in der Jury fast nie eine einheitliche Meinung besteht).
Aber so völlig egal, wie ein Text vorgetragen wird, ist es bestimmt nicht.
Und da haben die „Tage der deutschsprachigen Literatur“ (4. bis 6. Juli) heuer einen Autor zu bieten, der in der Lage ist, chemische Formeln oder Gebrauchsanweisungen für Schwimmwesten so vorzulesen, dass man mit offenem Mund lauscht.
Burgschauspieler Joachim Meyerhoff ist einer der Eingeladenen. Seine beiden Bücher „Alle Toten fliegen hoch“ und „Wann wird es endlich so, wie es nie war?“ (Kiepenheuer & Witsch) sind in sämtlichen Bestsellerlisten. Meyerhoff ist Deutscher. Dass die Autoren die Kritik nicht kommentieren dürfen, missfällt ihm.
Spaß und Geld
Österreich wird diesmal – es ist die 37. Veranstaltung – von zwei Schriftstellerinnen vertreten. Zum einen von der 27-jährigen Grazerin Cordula Simon, deren Debütroman „Der potemkinsche Hund“ (Picus Verlag) 2012 Beachtung fand.
Sie hofft, dass es „Spaß“ machen wird in Klagenfurt – und das Preisgeld (25.000 Euro) reizt sie: „Die wenigsten Autoren werden mit dem Schreiben reich, und wenn ich die Möglichkeit habe, dorthin zu gehen, wo das Geld ist, wäre es doch verrückt, sie nicht zu nutzen.“
Aus Bludenz in Vorarlberg kommt Nadine Kegele. Sie ist 33 und porträtiert hauptsächlich schwache Frauen um die 30, die mit ihrem Schicksal hadern und in unglücklichen Beziehungen leben:
„Ich interessiere mich für Frauen, die sich selbst durch falsche Männer schädigen oder in Situationen stehen, wo sie es nicht schaffen, ihre Kinder kindgerecht aufzuziehen.“ Im Czernin Verlag debütierte sie mit dem Buch „Annalieder“.
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