Wettlesen: Schwacher Start in Klagenfurt
Der erste Tag beim
Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt hat am Donnerstag keine wirklichen Favoriten für die Preisverleihung gebracht. Die Autorinnen und Autoren mussten deutlich mehr Kritik als Lob hinnehmen, auch Daniel Wisser konnte die Jury nicht überzeugen. Völlig durchgefallen sind Anna Maria Praßler und Antonia Baum am Nachmittag. Am Freitag sind die Österreicherinnen Maja Haderlap und Julya Rabinovich an der Reihe.
Nach einem trostlosen Romanauszug von Gunther Geltinger, der eine Mutter-Sohn-Beziehung aus der Sicht des Kindes beschreibt und wenig Zuspruch fand, sorgte Steinbeis mit seiner Erzählung "Einen Schatz vergraben" im Publikum für Heiterkeit. Der Text, der eine Anleitung gibt, wie man sein Vermögen in Form von Gold vor der Katastrophe in Sicherheit bringt, animierte die Jury zu einer angeregten Diskussion, Juryvorsitzender Burkhard Spinnen schaffte es allerdings nicht, die Mehrheit der Juroren von "seinem" Kandidaten wirklich zu überzeugen.
Schlichtheit
Es folgte "Standby" von
Daniel Wisser, eine Beziehungsgeschichte oder eher eine Nicht-Beziehungsgeschichte. Wisser beschreibt einen Mann mit Ordnungszwang, dessen Frau ihn mit ihren Unordentlichkeiten offenbar furchtbar ärgert. Auch das Verhältnis zu seinem Vater im Altersheim ist eigentlich ziemlich zerstört. Der Versuch, auszubrechen, seine Ehe zu beenden und sich seiner Freundin zuzuwenden, geht ebenfalls daneben, alles endet in Ausweglosigkeit. Auffallend bei dem Text war Wissers Stilmittel, bei persönlichen Momenten des Protagonisten in den Passiv zu wechseln, was angeregte Diskussionen auslöste.
Hubert Winkels ortete ein satirisch überzeichnetes Porträt eines zwangsneurotischen Kleinbürgers. Den gewählten Passiv fand Winkels interessant, es sei aber nicht wirklich konsequent durchgezogen. Hildegard Keller sah den Text "gar nicht als Satire". Spinnen fragte sich, was die Versetzung ins Passiv bringe. Auf längere Distanz habe ihn dieser Kunstgriff enttäuscht, dazu seien Konjunktive teilweise falsch angewendet. Alain Claude Sulzer wieder fand genau den Passiv interessant. Heike Feßmann konstatierte eine "erschütternde Schlichtheit". Jandl, der Wisser nominiert hatte, sah einen "ästhetischen Versuch, der von Anfang bis Ende durchgezogen ist".
"Trivialität" und "Bernhard-Imitation"
Praßler und
Baum präsentierten - dem Zufall der Auslosung geschuldet - jeweils eine Beziehungsgeschichte. Während Praßlers Protagonistin den Tod ihres Ex-Freundes verarbeitet, ist Baums Romanfigur ein junges Mädchen, das sich aus kaputtem Elternhaus in eine Beziehung flüchtet, wo sie ebenfalls unglücklich ist. Bis auf jene Juroren, die die Autorinnen nominiert hatten, gab es aber durchwegs negative Beurteilungen. So wurde der in Berlin lebenden Autorin Praßler von mehreren Juroren eine Rollen-Prosa mit Sätzen voller "Trivialität" bescheinigt. Antonia Baum sah sich hingegen dem vor allem von Daniela Strigl eingebrachten Vorwurf ausgesetzt, eine Thomas Bernhard-Imitation bzw. -Parodie vorgelegt zu haben. Burkhard Spinnen meinte zur Auswahl von Winkels - er hatte Baum nominiert - es sei manchmal eben schwer nachvollziehbar, warum ein Kritiker sich in einen Text verliebe. Dies sei bei der Liebe eben so.
Am Freitag wird der Wettbewerb im ORF-Theater fortgesetzt. Als erster ist Linus Reichlin an der Reihe. Danach wird es aus österreichischer Sicht spannend, um 11.00 Uhr liest Maja Haderlap, unmittelbar nach ihr Julya Rabinovich. Am Nachmittag folgen Nina Bußmann und Steffen Popp.
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