In die eidgenössische TV-Krise

SRG-Chef Roger de Weck: „Bashing“ im Vorfeld der Abstimmung
Die geplante Einführung einer Haushaltsabgabe gerät für den Schweizer Öffentlich-Rechtlichen zur inhaltlichen Abreibung.

Die Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft SRG hat in ihrem 94-jährigen Bestehen schon bessere Zeiten erlebt: Die Eidgenossen reiben sich an ihrem öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie noch nie. Die kritischen Wortmeldungen reichen von der Forderung einer kompletten Abschaffung bis zur Verkleinerung – sie kommen von einflussreichen Publizisten ebenso wie von Politikern von rechts bis links. Der Anlass wäre eigentlich rein technischer Natur: In der Schweiz soll die Haushaltsabgabe die bisherige Rundfunkgebühr ablösen – ähnliche Pläne wurden in Deutschland bereits umgesetzt und sind auch für Österreich geplant.

Bisher mussten in der Schweiz – wie auch hierzulande – nur jene Haushalte eine Abgabe entrichten, die Fernseher und/oder Radios betrieben. Um der technologischen Verlagerung der Mediennutzung auf Internet und mobile Kanäle Rechnung zu tragen, soll die Abgabe künftig automatisch für alle Haushalte gelten. Dafür sinkt sie von 462 auf 451 Franken pro Jahr (ca. 434 Euro).

Minderheit betroffen

"Das neue Abgabesystem ist einfach und gerecht – und entlastet die meisten Haushalte", verheißt der Referendumstext. Gemäß der Statistik kämen tatsächlich nur auf rund fünf Prozent der Haushalte Mehrkosten zu, weil sie weder Radio noch Fernseher angemeldet haben.

Dennoch ist die Ablehnung laut den Umfragen erstaunlich breit: Wie die Pendlerzeitung 20 Minuten erhob, sind 56 Prozent gegen den Gesetzesvorschlag.

Diskutiert wird dafür sehr leidenschaftlich über alles andere: Die SRG zeige zu viel Unterhaltung, sei zu kommerziell, behindere die privaten Medienunternehmen und komme generell zu teuer. In der direktdemokratischen Tradition der Schweiz ist eine solche Stimmungslage fatal, schließlich stimmen die Bürger selbst über das Gesetz ab. Dem Urnengang am 14. Juni blicken die Verantwortlichen der SRG entsprechend nervös entgegen.

Scheitert das Gesetzesvorhaben, stellt das eine ernst zu nehmende Niederlage dar. Die Neuorganisation der Gebührenströme wäre wohl für die nähere Zukunft gescheitert. Viel schlimmer noch: Die aufgeheizte Debatte über Sinn und Unsinn eines gebührenfinanzierten Rundfunks bekäme weiteren Schwung.

SRG-Direktor Roger de Weck will die allgemeine Stimmung nicht kommentieren, kritisiert aber die Berichterstattung zu dem Thema: "Die Presse thematisiert sie intensiver als die Erbschaftssteuer", sagte er der Aargauer Zeitung. "Pro Tag erscheinen bis zu 15 Artikel, welche die SRG bashen." Er beobachte, wie "alles mit dem immer gleichen negativen Drall" veröffentlicht werde. Kein leichter Stand.

Harte Politik

Auch Politiker machen im Vorfeld des Referendums publikumswirksam Stimmung gegen die SRG: FDP-Vizepräsident Christian Wasserfallen präsentierte jüngst ein Fünf-Punkte-Programm, mit dem das Angebot der SRG abgespeckt werden soll. Mit der Basler SP-Ständerätin Anita Fetz stellte sich erstmals auch eine prominente Linke gegen den Öffentlich-Rechtlichen: "Niemand kann bestreiten, dass der Service-public-Auftrag der SRG richtig und wichtig ist für die mehrsprachige Schweiz. Ich zweifle aber daran, dass die SRG diesen Auftrag noch erfüllt."

Und Österreich?

Auch ORF-Chef Alexander Wrabetz hat bereits einen Anlauf Richtung Haushaltsabgabe unternommen – er muss seine Überzeugungsarbeit freilich nur bei den Medienpolitikern der Regierungsparteien leisten. Bisher scheiterte der geübte Politnetzwerker allerdings damit. Eine Abstimmung über Sinn und Zweck des ORF blieb dem Sender bisher erspart.

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