Herbert Kloiber: "Das ist mutlose Medienpolitik"
Im Jahr 2003 startete ATV als erster heimischer Sender österreichweites Privat-TV. ATV-Eigentümer und Opern-Liebhaber Herbert Kloiber über Medienpolitik und Filmpläne.
Herbert Kloiber: Ich denke, es ist inzwischen im Kopf aller Meinungsmacher und Politiker, dass diese private Konkurrenz dem ORF ganz gut getan hat. Er musste den Elfenbeinturm des Allein-Glückselig-Machenden verlassen. Und es gibt jetzt endlich ein duales System aus öffentlich-rechtlichem und privatem Fernsehen, auch wenn es noch immer nicht ausgewogen ist. Wir, bei ATV, bemühen uns indes redlich, mit Fußball und der Eröffnung der Olympischen Winterspiele in Sotschi auch einmal höchste Quoten zu erreichen. Beim WM-Qualifikationsmatch gegen Schweden ist das mit über einer Million Zusehern in der Spitze gelungen. Ansonsten sollen es bei ATV ordentliche Marktanteile sein, die die Werbewirtschaft dazu bringen, das in etwa bei uns auszugeben, was wir ausgeben. Es ist also auch nicht das tolle Geschäft. Aber ich bin nicht unglücklich mit der Bilanz.
ATV ist die Nummer eins unter den österreichischen Privatsendern. In der Primetime liegen wir ja klar vor Puls4. Was sich zeigt ist, dass wir sehr gut bestehen können mit unseren Eigenproduktionen. Das werden wir ganz klar weiter stärken. Das passiert nun mit „Wien – Tag und Nacht“ im Vorabend, aber es muss auch von Montag bis Freitag in der Primetime verstärkt Eigenproduktionen bei ATV geben. Martin Gastinger kann da als kreativer Kopf hinter den Produktionen auf eine hohe Erfolgsquote verweisen. Das wirkt auch auf dem internationalen Markt, wo ja diese Produktionen vermarktet werden. Eben erst wurde wieder eine Eigenentwicklung, „Promis specken ab“, an SAT.1 verkauft. Also das heißt, wir müssen Geld dafür in Richtung Eigenproduktionen umschichten, um mit ATV und ATV 2 zusammen die Zehn-Prozent-Marke zu erreichen.
Ich sage mal so: Zwischen „Figaros Hochzeit“ und „Wien – Tag und Nacht“ müssen wir das hinbekommen und werden wir das hinbekommen. Ich trenne da aber meine persönlichen Vorlieben und Neigungen völlig von dem, was bei ATV zu tun ist. Problematisch würde es nur werden, wenn sich Seher und Werbewirtschaft davon abkehren wollten. Aber dafür gibt es keine Anzeichen. Im Gegenteil. Und ich kann auch sagen, dass „Wien – Tag und Nacht“ im Vergleich zu den deutschen Produktionen schon anders ist. Was ich vom Cast gesehen habe, sind die Akteure in der Lage, sich mit einem deutlich größeren Wortschatz als nur drei Worten verständlich zu machen. Was wir aber als Fernsehmacher von den deutschen Produktionen gelernt haben ist, dass man Geduld haben muss. Wir waren bei RTL 2 nicht nur einmal am Rande der Verzweiflung und wollten „Berlin – Tag und Nacht“ einstellen, weil es nicht funktionierte. Die Zeit zwischen 18 und 20 Uhr gilt ja im Fernsehen als Todeszone, weil da auch die deutschen Öffentlich-Rechtlichen, ARD und ZDF, absolut kommerziell unterwegs sind. Aber das läuft jetzt mit beständig hohen Quoten.
Das Problem dabei ist, dass es keine Käseglocke gibt, unter der ein kleiner österreichischer Sender kleine österreichische Serien machen könnte. Unter 10. bis 12.000 Euro pro Minute braucht man niemanden angrinsen, sonst sagen die Zuschauer berechtigt, das ist grottenschlecht. Obwohl beim ORF manches trotzdem grottenschlecht ist, obwohl es teuer ist. Fakt ist: Bei einer Serie ist unter 13 Folgen zu je 450.000 Euro nichts zu machen. Was wir aber planen ist, dass wir mit „Hubert und Staller“, das ja auch bei ATV läuft, auch für einige Folgen nach Österreich kommen, österreichische Gast-Schauspieler eingeschlossen.
ATV2 funktioniert sehr gut, erst recht, seit dort anders programmiert wird und nicht mehr „Teenager werden Mütter“ auf „Don Giovanni“ folgt. ATV2 hat jetzt ein klares Profil, was Fiction betrifft. Es gibt Qualitätsfilme, aber auch Qualitätsserien. So werden wir auch, bevor die dritte Staffel von „Downton Abbey“ startet, die beiden ersten auf ATV2 wiederholen. Und wir werden weiterhin sonntags Oper aus New York oder Zürich bringen. Mit ATV 2 können wir zwischen 18 bis 22 Uhr, der Zeitzone, in der wir einen Großteil des Werbeumsatzes machen, das zusätzlich an Marktanteilen holen, was wir bei ATV nur mit einem deutlich höheren Mitteleinsatz schaffen würden.
Dann würden weitere Sender Sinn machen?
Wir werden in den nächsten beiden Jahren zumindest zwei neue ATV-Sender starten. Einer, der im späteren Herbst des kommenden Jahres kommen wird, wird sich dem Bereich SyFy widmen. Es gibt da ein gutes Serien-Kernprogramm von „Stargate“ bis „Star Trek“, das man um viele Filme und Filmreihen aus diesem Genre ergänzen kann. Und an den Programmrändern kann es auch etwas ausfransen in Richtung Soft-Horror und das Zombie-Genre. Es wird bei diesem neuen Sender aber defintiv keinen Griff in die Mottenkiste geben. Ich denke, was die Ware betrifft, eher an die Jahre 1995 bis 2015 als an 1960 bis 1980.
Was wir sicher nicht machen, sind ein Sportkanal und ein Kinder- und Jugendkanal. Es gibt viel billigen Sport, nur der zieht keine Zuseher an. Und im Kinder- und Jugendbereich ist es ebenfalls ganz schwierig. Da gibt es KiKa, schön sauber, ohne Werbung, recht pädagogisch und manchmal auch anspruchsvoll. Doch da werden sich 2014 SuperRTL und der neue Disney-Chanel gegenseitig bekämpfen. Das wird richtig weh tun, da muss man nicht auch noch dazwischen stehen.
Die sind sehr unterschiedlich. Derzeit produzieren wir die mittlerweile 21. Rosamunde Pilcher fürs Weihnachtsprogramm. Das sind jene Pilcher-Verfilmungen, bei denen Stars wie Vanessa Redgrave mitspielen. von diesen Pilchers werden dann noch eine machen, aber danach ist Schluss. Wobei ich auch sagen muss, dass sie sehr gut beim Publikum funktionieren.
Im April beginnen dann die Dreharbeiten zu „Löwenherz“. Dieser Film, den wir gemeinsam mit RTL und der BBC umsetzen, zeigt aber nicht den Robin-Hood-Löwenherz. Es geht um die Zeit zwischen dem Ende der Kreuzzüge und der Gefangennahme in Dürnstein. Im Mittelpunkt stehen die Auseinandersetzungen Richards Bruder und dem Babenberger Leopold. Die Geschichte basiert auf einem Dreh-Buch eines der Autoren der Erfolgsserie „Game of Thrones“. Und dann wollen wir die Geschichte der Familie Trapp neu verfilmen. Allerdings wird es hier um die Zeit zwischen dem Ende des Ersten Weltkriegs und bis 1928 gehen und wir werden ohne „Edelweiß“ auskommen. Das Drehbuch stammt von Christoph Silber (nicht mit dem KURIER-Autor ident, Anm.), der auch das Buch zu „Das Wunder von Kärnten“ geschrieben hat. Wenn wir das Projekt, das den Arbeitstitel "Last Christmas" trägt umsetzen, würde auch im Land Salzburg gedreht werden.
Im Grund sind unsere Forderungen ein Ceterum censeo: Dem ORF ist genügend Auskommen zu geben über seine Gebühreneinnahmen, aber nicht über Haushaltsabgaben und die diversen anderen Förderstöpfe, die ihm Millionen ersparen. Aber nach der Wahl ist vor der Wahl und alle Schwüre werden vergessen. Oder es wird die Gießkanne, bei der jeder ein bisschen und einer mehr bekommt – das ist mutlose Medienpolitik, die nicht das duale Rundfunksystem festigt, die nicht den ORF zwingt, seinen öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen und die österreichischen Filmschaffenden weiterhin in ihrer Abhängigkeit vom ORF hält. Das geht 180 Grad in die falsche Richtung.
Nehmen Sie die jüngste Ankündigung, die Reduktion des 3SAT-Budgets um 40 Prozent – das sind diese kleinen Akte, die unter der Wahrnehmungsgrenze eines durchschnittlichen österreichischen Politikers liegen mögen, aber tief in die Kulturberichterstattung und ihre Relevanz schneiden. Und das als Mitgesellschafter dieses Senders 3SAT! Oder man kürzt bei ORFIII, für das man sich hat bepreisen lassen. Das sind diese Feigheiten immer dort anzusetzen, wo womöglich die Meinungsmacher, die Multiplikatoren ihnen dann dienlich sein könnten, um die, meiner Meinung nach nicht gerechtfertigte Gebührenrefundierung zu erstreiten. In Deutschland sind die Gebührenbefreiten in fast so viele, wie in Österreich jene, die Gebühren zahlen. Trotzdem erhalten die Öffentlich-Rechtlichen dort keinen Ersatz für Befreiungen. Das Gebührenaufkommen in Österreich ist bei Gott hoch genug. Wobei ich schon auch sage, wenn wir immer vom ORF als eine Art Homunculus reden, muss man auch benennen, dass es Leute gibt, etwa jetzt bei den Koalitionsverhandlungen, die dann auf Wrabetz, Grasl usw. knien und sagen, wo es lang zu gehen hat.
Dringend notwendig ist eine ordnungspolitische Maßnahme: Es muss gesetzlich gewährleistet werden, dass österreichische öffentlich-rechtliche und private Sender auf allen Fernseh-Plattformen, sei es in Kabelnetzen oder SAT-Receivern, vertreten sein müssen und zwar auf den vorderen, angestammten Plätzen. Es kann nicht sein, dass Mitbewerber mit etwas Geld winken und plötzlich ist man im Niemandsland verschwunden. Da ist es höchste Zeit, Schritte zu setzen.
Dazu sollte man wissen, dass ATV den ORF für das Alpin-Paket der Olympischen Spiele ursprünglich überboten hatte. Doch plötzlich gab es eine zweite Bieter-Runde, die nach den Bedingungen zuvor nicht erkennbar war. Nun, wir werden weiterhin versuchen, da und dort Sport-Höhepunkte zeigen zu können, wobei auch klar ist, dass sie enorme Verlust-Bringer sind.
Vom Küniglberg weht ein laues Lüftchen talwärts. Aber ich sage immer Achtung, wenn die Umarmung zur Ansteckung führt. Aber offenbar gibt es da den Wunsch den etwas überlauten Herrn Breitenecker (Markus Breitenecker ist Chef der ProSieben-Gruppe in Wien und des Privatsender-Verbands, Anm.) in die Schranken zu weisen. Ich habe aber Herrn Wrabetz jüngst deutlich gemacht, dass man mich keinen Zentimeter zu einer Verbrüderung gegen die deutschen TV-Veranstalter, mit oder ohne Werbefenster, bringt. Ich finde diesen Zugang auch völlig abseitig, ob das nun Deutsche sind oder Luxemburger, ob die nun eine Chefin aus Münster oder einen Chef aus Wien haben – das ist doch kein Niveau für eine Diskussion. Das geht gar nicht. Ich bin von Kopf bis Fuß und inklusive meiner Seele Österreicher, aber ich bin seit 42 Jahren in Deutschland tätig. Aber genauso sage ich in die andere Richtung, dass wir uns nicht immer vom Verband Österreichischer Privatsender vertreten fühlen. Wenn der VÖP zu sehr in eine Richtung polarisiert, dann könnte es als letzten Schritt auch den Austritt von ATV aus dem Verein geben.
Herbert Kloiber ist nicht nur eine fixe Größe im internationalen Film- und Fernsehgeschäft, sondern auch im Bereich der klassischen Musik. Der einstige Karajan-Mitarbeiter weiß zwischen kommerziell orientierten TV-Geschäften und seinen persönlichen Vorlieben genau zu unterscheiden. Zu Letzteren zählt etwa die Übertragung des Verdi-Requiems aus dem Musikverein mit Mariss Jansons am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Diese ist am 1. November um 18.50 Uhr auf ATV 2 zu sehen.
„Wir werden auch in den kommenden Monaten nach Gelegenheiten suchen, nicht nur Übertragungen aus der MET zu zeigen. Wir beginnen etwa ab Jänner mit einem Brahms-Zyklus.“ Mit der New Yorker MET ist Kloiber eng verbunden und für die Live-Übertragungen in Kinos im deutschsprachigen Raum verantwortlich. „Ich war zu Beginn Skeptiker, ob das auch funktioniert. Wir haben in Deutschland mit 13 Kinos begonnen, mittlerweile sind es 186.“ Zuletzt wurden für die Übertragung von „Eugen Onegin“ allein in Deutschland 38.000 Kinotickets verkauft. „Mit einer einzigen Vorstellung waren wir damit in der Hitparade der erfolgreichsten Filme der Woche auf Platz 3“, sagt er.
Von dem Projekt der Wiener Staatsoper, Vorstellungen live im Netz anzubieten, hält er weniger. „Ich glaube nicht, dass alle Opernfreunde daheim einen großen Bildschirm und die neueste Technik haben. Außerdem sind 14 Euro extrem teuer. Das dürfte höchstens 7 Euro kosten.“
Wiener Patina
Wie schätzt Kloiber die internationale Bedeutung der Staatsoper zurzeit ein? „Im Ballettbereich passiert viel. Und ich mache eine große Klammer um Franz Welser-Möst, den ich sehr schätze. Wenn er am Pult steht, ist das immer in der A-Klasse, manchmal sogar drei Mal A. Aber was an sonstigen Dirigenten zu hören und an Inszenierungen zu sehen ist ... das ist alles stark geprägt von einer französischen Verwaltungs-Provinzialität. Das kann der Wiener Staatsoper nicht zu neuem Glanz verhelfen. Und wenn kein neuer Glanz kommt, wird der alte zur Patina.“
Zur Entwicklung bei den Salzburger Festspielen: „Das ist ein Kasperl-Drama, bei dem das Krokodil recht behalten hat. Was auch immer man von Alexander Pereira wollte, man hat es 1:1 bekommen. In aller Höhe und in aller Tiefe.“ Kloiber versteht nicht, warum man Pereira nicht bis 2016 weiterarbeiten ließ, sondern eine Übergangsintendanz einzog. Und zur Bestellung von Markus Hinterhäuser ab 2017: „Warum musste es derart schnell gehen? Das wäre nicht nötig gewesen, er hat ja noch nicht einmal in Wien angefangen.“
Kommentare