Gottes eigener Richter

Ron Perlman als Richter Pernell Harris: Nach dem Selbstmordversuch seines Sohnes glaubt er, Gott zu hören. Damit beginnt eine aberwitzige Geschichte.
Amazon steigt ebenso kontroversiell wie groß ins TV-Geschäft ein.

Gott spricht. Und Amazon verleiht ihm eine schaurige Stimme, die klassischerweise mehr Fragen aufwirft, als sie beantwortet. Fakt ist: Der nächste Streamingdienst wartet mit einer bombastischen Serienproduktion auf. Amazon Prime startet heute, Freitag, zeitgleich in Österreich und internationalen Märkten die Serie "Hand of God". Richter Pernell Harris (Ron Perlman) wird darin von Visionen heimgesucht, die ihm helfen sollen, seinen Sohn zu rächen, der nach einem Suizidversuch im Koma liegt. Der ertrug es nicht, dass seine Frau vor seinen Augen vergewaltigt wurde. Pernell hört und sieht fortan Zeichen Gottes, die ihn auf die Spur des Täters führen sollen.

Eine aberwitzige Geschichte entspinnt sich, bei der kunstvoll offen bleibt, ob der Richter verrückt ist oder tatsächlich von Vorsehungen heimgesucht wird. Der KURIER hat mit Hauptdarsteller Ron Perlman über seine Rolle und das goldene Zeitalter des Fernsehens gesprochen.

KURIER: Herr Perlman: Spricht Gott wirklich mit dem Richter, oder ist er einfach verrückt geworden?Ron Perlman: Ich bin mir nicht sicher. Er kämpft mit aller Kraft, seinen Sohn zu retten. Er überantwortet sich einer Welt, in der Wunder geschehen, und wir folgen ihm auf dieser Reise.

Die Serie geht thematisch und erzählerisch viele Wagnisse ein. Wie lange haben Sie gebraucht, um zuzusagen? Ich dachte nicht, dass sie (Regisseur Marc Forster und Autor Ben Watkins, Anm.) an mich denken würden, aber ich habe mein Interesse deponiert. Als wir uns trafen, vereinbarten wir, miteinander zu arbeiten. Danach gingen wir zu allen Fernsehstationen und Streamingsdiensten und warteten ab, wer mit dem größten Enthusiasmus darauf reagieren würde. Das war Amazon.

Ist das nicht eine wunderschöne neue Welt für Fernsehmacher und Kreative? Man spricht ja vom "goldenen Zeitalter des Fernsehens". Das ist auch meine Meinung. Ich habe dieses Medium noch nie in einer Art und Weise sich erweitern gesehen wie in den vergangenen fünf Jahren.

Sie sagten aber in Interviews auch schon, in zehn Jahren sei diese große Zeit wieder vorbei. Momentan sind wir sozusagen in einem Stadium der Gnade. Um originäre und umfassende Geschichten zu erzählen, ist man im TV richtig.

Was kann also schiefgehen? Wenn man die großen Perioden – egal, in welchem Medium – betrachtet: Es beginnt, hat den Höhepunkt und fängt an, sich zurückzuentwickeln. Ein Beispiel sind die Filme der 60er and 70er. Originäre Stoffe, die alle Grauzonen des menschlichen Lebens darzustellen versuchen. Irgendwann, wohl aus ökonomischen Gründen, verschwand das. Es machte Platz für "Star Wars", das wiederum Comic-Verfilmungen wich – etwas anderes scheint es ja nicht mehr zu geben.

Amazon ist ein neuer Player im Streaming oder TV. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Dienst? Es ist sehr spannend, weil sie gerade rausfinden wollen, wer sie sind. Ich fand es sehr ermutigend, wie sie auf "Hand of God" reagiert haben, denn das ist keine Serie, die von vielen Sendern mit Enthusiasmus betrachtet wird. Es ist auch beeindruckend, mit welchen Talenten Amazon zusammenarbeitet: Sie haben gerade Woody Allen gesignt, Steve Soderbergh, Marc Forster und so weiter. Sie nähern sich dem Phänomen mit einem erstaunlich intelligenten Zugang an.

Sie spielen einen sogenannten "Wiedergeborenen", einer fast fundamentalistischen Ausprägung des US-Christentums. Beschäftigt Sie Religion auch in Ihrem Privatleben?Ich habe früher an nichts geglaubt. Über die Jahre habe ich meine eigene Beziehung mit einer Art Kraft außerhalb meiner selbst gefunden. In Ermangelung eines besseren Ausdrucks könnte man sie "Gott" nennen. Pernell zu spielen, der zu Jesus gefunden hat, ist eine Grätsche für mich. Aber jemanden zu spielen, der ein fundamentales Bedürfnis danach hat, von einer äußeren Kraft geleitet zu werden, weil er die Ressourcen für die ihm gestellten Aufgaben selbst nicht hat – das kann ich nachempfinden.

Haben Sie Angst vor einer religiösen Kontroverse? Evangelikale und fundamentale Christen sind in den USA sehr präsent. Nein. Ich bin begeistert, einen Dialog darüber zu beginnen. Wir stellen mehr Fragen, als wir Antworten anbieten können: Ist Pernell ein Fußsoldat Gottes, oder benutzt er ihn für seine Zwecke? Wir fragen die Menschen: Wie würdet ihr handeln? Ich freue mich, Teil dieser Diskussion zu sein.

Haben Sie aktuell selbst eine Lieblingsserie? Ich habe zu Hause einen Stapel an Serien wie "The Wire" oder "Breaking Bad", die ich ansehen werde, wenn ich Zeit habe. Das Letzte, was ich mit absolutem Enthusiasmus gesehen habe, war "The Newsroom". Aber: Ich habe praktisch keine Zeit.

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