Eiertanz um Böhmermann

Die Türkei möchte Jan Böhmermann bestraft sehen. Kanzlerin Angela Merkel ist jetzt am Zug.
Ankara pocht auf Bestrafung des Satirikers, Berlin wartet zu.

Die Woche wird spannend für Jan Böhmermann. Die Türkei hat am Montag den Wunsch nach Strafverfolgung des ZDF-Satirikers wegen seines umstrittenen Erdogan-"Schmäh-Gedichts" bestätigt. Eine diplomatische Note sei an die deutschen Behörden gesendet worden, sagte der Sprecher von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Böhmermanns Gedicht richte sich sowohl gegen Erdogan, als auch gegen das türkische Volk, sagte er; "vulgäre Aussagen, die derartige Beleidigungen enthalten", hätten nichts mit Meinungs- oder Pressefreiheit zu tun, sondern seien eine Straftat, so Ibrahim Kalin. Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus setzte nach und warf Böhmermann vor, mit dem Gedicht ein "schweres Verbrechen gegen die Menschlichkeit" begangen zu haben. Erdogan stellte am Montag persönlich einen Strafantrag wegen Beleidigung.

Merkel unter Druck

Die Causa setzt vor allem Kanzlerin Angela Merkel unter Druck. Ihre wegen der Flüchtlingskrise eng geknüpften Bande mit Erdogan zwingen sie dabei zu einem kleinen Eiertanz: Vergangenen Montag noch verurteilte sie Böhmermanns Tun lautstark, indem sie dem türkischen Premier Davutoglu persönlich sagte, das Schmähgedicht des Satirikers sei "bewusst verletzend" – eine Formulierung, über die man im Kanzleramt lange gebrütet hatte; schließlich wollte man sich nicht mit dem Vorwurf herumplagen, man habe sich von Ankara vorführen lassen.

Allein, eine Woche später ist Merkels Dilemma nur noch größer. Am Montag musste ihr Sprecher Steffen Seibert bestätigen, dass sich die Türkei nicht beruhigen hat lassen – nun muss die Bundesregierung das Ansinnen Ankaras prüfen. Gibt sie nach, wird eine Strafermächtigung erteilt und ein Verfahren gegen Böhmermann könnte tatsächlich eröffnet werden; theoretisch drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Vorerst warten

Ein Ergebnis werde erst in einigen Tagen vorliegen, sagte Seibert. Zunächst heißt es also für Böhmermann und dessen Anwälte: Warten. Seiberts Erklärung wies aber in eine gewisse Richtung. Er relativierte Merkels Verurteilung des Gedichts ("bewusst verletzend") dahingehend, dass Böhmermann selbst ja von einer "bewussten Überschreitung von Grenzen" gesprochen habe – nichts anderes habe die Kanzlerin ausdrücken wollen, so Seibert. Zudem machte er mehrmals klar, dass die im Grundgesetz verankerte Meinungsfreiheit "weder nach innen oder nach außen verhandelbar" sei – "unabhängig davon, was die Kanzlerin persönlich geschmackvoll oder geschmacklos hält".

Das klingt so, als ob die Sache für Böhmermann juristisch glimpflich enden könnte – und selbst wenn es zu einer Anklage kommt, gehen Beobachter davon aus, dass der 35-Jährige mit einer Geldstrafe davonkommen würde. Er hat das Gedicht über Erdogan mit dem Titel "Schmähkritik" am 31. März in seiner TV-Show "Neo Magazin Royale" präsentiert. Er verunglimpfte Erdogan darin als Mann mit kleinem Penis und Hang zur Sodomie.

Übrig bleibt ein Scherbenhaufen im Sinne der Satire – mit Trittbrettfahrern: ROMY-Preisträger Dieter Hallervorden (80) veröffentlichte das Spottlied "Erdogan, zeig' mich an" auf Facebook: "Ich sing' einfach, was du bist. Ein Terrorist, der auf freien Geist scheißt." Er macht in seinem Schunkelsong darauf aufmerksam, dass Erdogan die satirischen Beiträge über ihn mit seiner Reaktion erst populär gemacht habe. Und hofft wohl auf Kritik aus Ankara.

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