Der "Bild"-Pranger: Die Lügenpresse auf Hausbesuch

Pegida, "Lügenpresse" und der Pranger. Ein ungemütlicher Medienherbst in Deutschland.
Islamhasser und Medien sind eine explosive Mischung. Entspannung ist nicht in Sicht.

Wie geht es dir, Deutschland? In der Bundesrepublik schaukelt sich der Konflikt zwischen fundamentalen Islamkritikern und Medien weiter auf. Die Töne werden radikaler, die Ideen schräger und die Lage ist offen explosiv.

Kern der Debatte sind die zumeist ostdeutschen Pegida-Demonstranten, die wegen der Zuwanderer vom Untergang des Abendlandes fantasieren und sich vom bestehenden System verabschieden wollen. Zumindest unter dieser Regierung und begleitet von diesen Mainstream-Medien. Die Rüpel von Dresden pöbeln schon seit Monaten gegen die sogenannte "Lügenpresse" (also jene, die einem moderaten und aufgeklärten Mainstream entspringt). Seit dieser Woche wird Auseinandersetzung mit den ungeliebten Reportern auch mit Fäusten ausgetragen. Jaafar Abdul Karim, der für die Deutsche Welle (DW) arbeitet, berichtete, er sei am Montag von Demonstranten umringt und bei den Dreharbeiten behindert worden. Nach Beschimpfungen habe einer der Angreifer den Reporter ins Genick geschlagen und sei dann geflüchtet. Am gleichen Tag schlugen Unbekannte einen Fotografen und raubten ihm die Kamera.

Schweigen

Geredet werde mit den Journalisten schon längst nicht mehr, berichtete Karim sichtlich geschockt im Interview mit seinem Sender. Wer Fragen stelle, stehe vor schweigenden Demonstranten, die mit der "Lügenpresse" nicht reden wollen. Woraus speisen sich Hass und die Desinformation eigentlich? Ein Verdacht fällt auf Facebook, wo dubiose Quellen und Anwürfe tausendfach geteilt werden und wo fast ohne Einschränkung gepostet werden kann. Sympathisanten einschlägigen Gedankenguts bestärken sich dort gegenseitig in ihren Zweifeln am System und an den angeblich manipulierten Nachrichten. Die Rhetorik ist derart schrill, dass unverhohlen nach Gaskammern und Galgen gerufen wird.

Hassblase angestochen

In diese Hassblase sticht nun ausgerechnet der deutsche Boulevard. Die Bild recherchierte die Namen von Hetzpostern und veröffentlichte diese in einem ersten Schritt in der Zeitung. Die Journalisten besuchten die Schreiber in Folge zu Hause und befragten sie telefonisch. Die Reaktionen auf die Reporter an der Türschwelle waren betreten bis aggressiv, wie der daraus entstandene Artikel zeigt. "Der Eintrag tut mir unendlich leid", jammerte etwa eine Frau, die gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel gepöbelt hatte. "Ich bin kein Nazi, sondern klassischer SPD-Wähler", beteuerte ein Hassposter, der in seinen Einträgen recht unfreundliche Worte für Moslems fand.

Und auch beliebte Klischees wurden bedient, etwa jenes des rüstigen Frührentners, der sozial ziemlich aus dem Rahmen tanzt. In diesem Fall einer, der Innenminister Thomas de Maizière via Facebook als "alte Ratte" bezeichnet hatte, die der Teufel holen solle. Er wetterte den Reportern entgegen, dass man die Wahrheit eben nicht mehr erfahre. "Da muss ich mir bei Facebook Luft machen."

Die Boulevardzeitung als Forenwart? Die Bild nennt ihre Aktion unverhohlen "Pranger". Der Mob hat damit neuen Stoff für seinen deutschen Medienherbst.

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