Amazon-Chef Bezos kauft "Washington Post"

Eine der renommiertesten US-Zeitungen geht an den Internet-Unternehmer Jeff Bezos.

Paukenschlag am US-Zeitungsmarkt: Die Washington Post, eine der renommiertesten Zeitungen der Welt, wechselt den Besitzer. Neuer Eigentümer wird der Gründer des Internethandelsriesen Amazon, Jeffrey Bezos.

Das Blatt, das unter anderem den Watergate-Skandal ins Rollen gebracht hat, wird um 250 Millionen Dollar verkauft, teilte die Zeitung selbst am Montag mit. Dieser Verkauf ist eines der bisher aussagekräftigsten Zeichen dafür, wie tiefgehend der vom Internet ausgelöste Umbruch am Zeitungsmarkt ist.

DieWashington Postist ein bestimmender Faktor in der US-Politik, der nun in den Händen eines der reichsten Männer der Welt ist. Bezos hat Amazon vom Online-Buchhändler zum weltumspannenden Warenversandhaus und zu einem wichtigen Anbieter von Computerdiensten gemacht.

Nach Angaben der Zeitung ist der Verkauf eine direkte Folge von verschärfter Konkurrenz und einem Einbruch bei Werbeeinnahmen, der durch die Verschiebung des Nachrichtenkonsums ins Internet ausgelöst worden war. Der Ertrag der Post ging in den vergangenen sechs Jahren um 44 Prozent zurück. Die Print-Auflage büßte alleine im ersten Halbjahr 2013 sieben Prozent ein.

Schock

Die Zeitung war für 80 Jahre im Besitz der Familie Graham. Der Gedanke an einen Verkauf war zunächst ein „Schock“, sagte der Vorsitzende der Zeitung, Donald Graham. Aber die Transaktion biete der Post eine „viel größere Chance auf Erfolg“.

Bezos hat noch nie eine Zeitung geleitet und gab an, keinen „ausgearbeiteten Plan“ zu haben. Die Führung werde „Experimentierfreude“ brauchen.

Oft ist die Krise ein Vorzeichen für die folgende Blüte: Als die bisherigen Eigner der Washington Post die Zeitung im Jahr 1933 erwarben, kauften sie einen Teil Konkursmasse. Die Zeitung sollte fortan Geschichte schreiben. Der Watergate Skandal, die Iran-Contra-Affäre und andere innen- wie außenpolitischen Bomben platzten im 20. Jahrhundert auf den Seiten der "Post", neben der New York Times lange Zeit eine der wenigen nationalen Zeitungen in den USA.

47 Pulitzerpreise später stand die Familie Graham, die als Haupteigner fungierte, schon fast wieder am Anfang: Die Auflagen sanken, die Gewinne schmolzen. Dass die Zeitung um fast läppische 250 Millionen Dollaran den Amazon-Gründer Jeff Bezos verkauftwird, war für die altehrwürdige Herausgeberfamilie wahrscheinlich die letzte Chance, heil aus dem Schlamassel herauszukommen. Zehn Jahre früher hätten sie noch 2,5 Milliarden für das ehemalige Flaggschiff kassiert.

Was treibt Bezos an?

Die Zeitungskrise in den USA (und zeitlich verzögert auch in Europa) marschiert also unaufhaltsam voran. Plötzlich investiert ein Internetmilliardär sein Privatvermögen in einen der "Walking Dead". Was Bezos antreibt, bleibt Spekulation, er kann sich die Zeitung aber leisten. Nur ein Prozent seines geschätzten Besitzes hat er dafür aufwenden müssen. Eines ist aber gewiss: Lange wird es die gedruckte Washington Post nicht mehr geben.

2010 lag deren Auflage unter der Woche noch bei 557 Millionen, 2012 waren es nur mehr 480 Millionen. Im ersten Halbjahr 2013 sank die Auflage noch einmal um sieben Prozent. Die Washington Post Company steckt in den tiefroten Zahlen: Der Gewinn brach 2012 um 56 Prozent ein. Zu diesen Zahlen äußerte sich der neue Eigner zwar nicht, ließ aber bereits im Vorjahr in einem in den vergangenen Stunden wieder viel gelesenen Interview mit der Berliner Zeitung wissen, dass er nicht mehr an gedruckte Medien glaube.

Was immer in den kommenden Monaten in Washington passiert, es könnte einmal mehr einen Sog am Markt erzeugen, der verzweifelt nach Auswegen aus dem erodierenden Nachrichtenkerngeschäft sucht. Kaum jemand nimmt an, dass der smarte Geschäftsmann Bezos hier ein bisschen mediengeschichtliche Nostalgie erstanden hat, um es als Zuschussbetrieb am Leben zu halten. Vielmehr dürfte er die Zeitung zu einem Internetunternehmen umkrempeln. Online hat die "Post" wachsende Zugriffe, aber magere Gewinne, eine Paywall hat noch nicht den gewünschten Effekt gebracht.

Neue Wege im Zeitungmachen

Der Amazon-Gründer hat naheliegenderweise auch den Tabletmarkt im Auge, den der Onlineriese als großer Player mitbetreibt. Der naheliegende Schluss: Der Internetriese verknüpft seine Infrastruktur mit dem Contentproduzenten Washington Post und beschreitet neue Wege im Zeitungmachen. Die soll künftig am Tablet gelesen werden. Bezos glaubt, dass die Geräte schon bald in mehrfacher Ausführung in den Haushalten herumliegen werden. Hier ließe sich also in naher Zukunft vielleicht doch noch Geld verdienen.

Mit den bisherigen Eignern tritt jedenfalls der alte amerikanische Zeitungsadel ab. Stets hatten die Grahams die publizistischen Standards hoch gehalten und sich auch in den Krisenjahren für den Ruf der "Post" als wichtigste Hauptstadtzeitung gekämpft. Dass sie sich zurückziehen, markiert ein Stück bitterer Resignation: Wir sehen im Journalismus beim besten Willen kein Geschäft mehr. New Economy bitte kommen.

Auf den ersten Blick entbehrt die Nachricht nicht einer gewissen Ironie: Als Gründer und Chef von Amazon hat Jeff Bezos wie kaum ein anderer die Verdrängung gedruckter Bücher durch E-Books beschleunigt. Jetzt kauft er sich die "Washington Post". Immerhin passt die Business-Philosophie des 49-Jährigen perfekt zum heutigen Zustand der Branche in Amerika: Er ist bereit, jahrelange Durststrecken in Kauf zu nehmen.

Zudem ist Bezos nicht darauf angewiesen, dass die Washington Post ihn reicher macht. Die 250 Millionen Dollar, die er für eine der berühmtesten Zeitungen der Welt bezahlte, machen höchstens ein Prozent seines geschätzten Vermögens aus.

Sein Interesse an der Medienwelt offenbarte Bezos erstmals im Frühjahr, als er fünf Millionen Dollar in die Website "Business Insider" investierte, ein Blog, das Wirtschafts-Berichterstattung mit klickträchtigen Schlagzeilen praktiziert.

Davor war vor allem die Raumfahrt als Hobby und Leidenschaft des quirligen Milliardärs bekannt. Er versucht, Reisen ins Weltall auf die Beine zu stellen, eigenes Raumschiff inklusive. Ein Prototyp stürzte bei einem unbemannten Testflug ab, Bezos bleibt dran und scheute in der Zwischenzeit keine Mühen, um Triebwerke der Trägerrakete von "Apollo 11" vom Meeresgrund zu heben.

Das zeigt: Schon mit seinem Tagesjob bei Amazon und dem Raumfahrt-Hobby ist Bezos gut ausgelastet. Das ließ er seine neuen Angestellten auch sofort wissen: "Ich werde die Washington Post nicht im Tagesgeschäft führen." Zugleich kündigte er Veränderungen an: Durch das Internet sei alles im Wandel und es gebe keine Karte für den Weg in die Zukunft. "Wir werden experimentieren müssen."

Imaginärer Kunde

Bezos' Führungsstil bei Amazon ist so eigenwillig wie kontrovers. Man erzählt, er lasse in Besprechungen oft einen Stuhl frei - für den imaginären Kunden. In den klammen Anfangsjahren wurden kurzerhand Türen zu Schreibtischen unfunktioniert, Top-Manager müssen alle paar Jahre an die Telefon-Hotline. Wachstum geht vor Gewinn, selbst wenn es schwarze Zahlen gibt, sind sie für ein Unternehmen dieser Größe eher symbolisch.

Bezos, der als Kind viel Zeit auf der Ranch seines Großvaters in Texas verbrachte, gründete Amazon 1994. Die Firma überlebte das Platzen der Internet-Blase vor über zehn Jahren und ist der weltgrößte Online-Einzelhändler. "Ich habe in meinen Jahren im Geschäft gelernt, dass es am Gefährlichsten ist, sich nicht von den anderen zu unterscheiden", sagte Bezos in einem dpa-Interview. "Wir wollen Sachen erfinden, die den Leuten anfangs ungewöhnlich vorkommen - aber einige Jahre später für alle normal sind."
(APA/dpa)

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