Alexander Wrabetz: Jede Entscheidung ein Jeton

Alexander Wrabetz, Taktierer bis zur Bewegungslosigkeit
Alexander Wrabetz will ein drittes Mal ORF-General werden. Wäre das wirklich gut für das Haus?

Die passendste Farbe für Alexander Wrabetz ist wohl Magenta. Ein bisschen rot, ein bisschen blau. Fröhlich, aber nicht grell. Passt überall dazu. Als er als frischgebackener Generaldirektor 2006 vor die Presse trat, wählte er eine magentafarbene Krawatte. Für seinen jüngsten Foto-Termin mit dem KURIER war die Farbe der Wahl die gleiche. Ansonsten ist Wrabetz äußerlich wie im Umgang gereift. Aus dem stets gut gelaunten Harry-Potter-Lookalike wurde ein ergrauter Manager mit teils recht dünnem Nervenkostüm. Kein Wunder: Seit seinem Antritt als ORF-Chef galt er als steter Ablösekandidat – externer wie interner Dauergegenwind hinterließen ihre Spuren. Nun bewirbt er sich schon für die dritte Amtszeit – schafft er die Wiederwahl im August, hätte er damit den legendären Gerd Bacher überholt.

Bewegungslosigkeit

Dass sich der ORF-Chef schon so früh zu einer Kandidatur bekennt, dürfte als eine der am wenigsten hinausgezögerten Entscheidungen seiner Karriere gelten. Wrabetz ist in den vergangenen Jahren dadurch aufgefallen, jeden Entschluss solange auszusitzen, bis wirklich alle politischen Steine inner- und außerhalb des Hauses gefallen waren. Er gilt als Taktierer bis zur absoluten Bewegungslosigkeit. Am Ende bleibt immer eine Figur am Spielfeld: Die eigene.

Die Zögerlichkeit, die ihm gerne auch als Entscheidungsschwäche ausgelegt wird, macht einen großen Teil des Imageproblems des 55-Jährigen aus. Dafür zögert er vielen zu wenig, Deals mit der Politik einzugehen. "Jede Entscheidung ist ein potenzieller Jeton für ihn", sagt ein Kenner aus dem Haus. "Und jede birgt Konfliktpotenzial." Enttäuschte Landeshauptleute, Parteichefs oder gar Betriebsräte sind für eine Wiederwahl Gift. Und so verteilt Wrabetz eifrig Geschenke: Landeshauptleute bekamen ihre traditionellen Wunsch-Landesdirektoren und dürfen sich ab März über ein Frühstücksfernsehen freuen. Die steirische Landesregierung wird sich über eine Verlängerung der Formel 1 sicher auch nicht ärgern. Für die Wiener SPÖ warf er sich für den ORF-Standort St. Marx solange ins Zeug, bis schließlich überdeutlich wurde, dass er diesen politischen Wunsch nicht durch die Gremien bringen würde. Bis zum Kurswechsel vergingen Monate. In das ORF-Zentrum regnete es da schon länger an mehreren Stellen hinein.

Seine Wegbegleiter bringt diese Art der Beharrungskraft zuweilen zur Weißglut: Der Nummer zwei im ORF, Richard Grasl, platzte damals der Kragen – ein lauter Streit beim Heurigen markierte einen Tiefpunkt im Verhältnis zueinander. Seither agierten die beiden Machtmenschen über erstaunlich weite Strecken als ein Herz und eine Seele. Erst mit dem nunmehrigen Startschuss zum ORF-Wahlkampf setzt eine Entfremdung ein. Dabei machen neue Machtverhältnisse im Stiftungsrat eine Kampfabstimmung zu einer Risikonummer: Wenn sich keiner der beiden durchsetzt, kann schnell ein dritter auf den Schild gehoben werden.

Das Kalkül für Wrabetz’ frühe Wiederkandidatur ist klar: Die SPÖ hat damit ihren Kandidaten und sollte sich tunlichst für seine Wiederwahl einsetzen. Dabei ist das Verhältnis zu seiner Partei in den vergangenen Jahren merklich erkaltet. Sein früherer enger Verbündeter, Josef Cap, spielt in der SPÖ nur mehr eine Nebenrolle und Kanzler Werner Faymann gilt als erbitterter Gegner des ORF-Chefs. Einer der Gründe: Die ORF-Journalisten sind unter Wrabetz’ Führung zu neuem Selbstbewusstsein erwacht. Vorgängerin Monika Lindner war nicht zuletzt wegen Protesten aus den Redaktionen in öffentlichen Misskredit geraten. Wrabetz nutzte 2006 die Gunst der Stunde (und ein grantiges BZÖ), um mit einer "Regenbogenkoalition" überraschend an ihr vorbeizuziehen. Das verbindet: Unter Wrabetz konnten die Journalisten so frei arbeiten wie schon lange nicht, versichern Redaktionsvertreter.

So entspannt sein Verhältnis zur Pressefreiheit intern sein mag, so kompliziert ist dafür sein Umgang mit externen Medienvertretern. Wer Wrabetz kritisiert, wird ermahnt. Dann erbost angerufen. Um irgendwann in den Genuss seiner berühmten SMS zu kommen. "Wieder einmal unprofessionell und verlogen", schreibt er dann etwa. Um den Kontakt fürderhin einzustellen.

Schwache Gegner

Innerhalb der SPÖ sind seine erbittertsten Gegner zu schwach, ihn abzumontieren. Als Meister des Machtvakuums ist "Alex", wie ihn so gut wie jeder nennt, mit dem er beruflich regelmäßig zu tun hat, in dieser Situation auf sicherem Terrain. Die SPÖ soll jetzt einmal verdauen, dass sie mit ihm zu leben hat. "Seine größte Stärke ist das Überleben", erklärt ein Manager im Haus. Und attestiert ihm ein "Klein-Klein-Interessensmanagement bis zum letzten Publikumsrat".

Was auf der Strecke bleibt: Ein strategischer Wurf in einer Medienwelt, die sich auch im Fernsehen rasant weiterdreht. Ein Newsroom-Konzept für 2020, das seit Jahren überlegt wird, dürfte sich bis dorthin wohl mehrfach überholt haben. Die größte Schwäche des ORF: Er droht mit seinem Publikum zu sterben. Die jungen sind zunehmend auf anderen – digitalen – Kanälen unterwegs. Die Jahresmarktanteile sanken auch so von 2007 bis 2014 von 39,4 Prozent auf 33,4 Prozent. Für viele Inhalte fehle das Geld, weil rund die Hälfte der Finanzmittel in die Verwaltung fließe, monieren Kritiker. Auch die Beratungsfirma Boston Consulting habe darauf hingewiesen – als international etablierter Schlüssel gelte 70:30. Eine Aufgabe, die man besser anpackt. Oder aussitzt.

Fragt man Pius Strobl nach den Eigenschaften von Alexander Wrabetz, schießt es wie aus der Pistole. "Er ist eines der größten taktischen und strategischen Talente, die mir je begegnet sind. Er bricht selten Dinge übers Knie und weiß genau, was er will." Strobl war von 2006 bis 2010 Kommunikationschef im ORF und Wrabetz’ durchsetzungsfähiger und wichtigster Vertrauter. Dementsprechend lange dauert es auch, bis ihm eine negative Eigenschaft seines früheren Chefs einfällt: "Es treffen ihn sicher auch Dinge, die ihn kalt lassen sollten", wäre so etwas. Es gibt schlimmere Vorwürfe.

Treue

Als Strobl 2010 über eine Abhöraffäre stolperte, hielt ihm Wrabetz die Treue und Strobl durfte mit seiner Consultingfirma für diverse Sonderprojekte tätig werden. Nachdem er im Eventbereich den Song Contest gemanagt hatte, stößt er nun einmal mehr ins Machtzentrum vor: Als Bauherrenvertreter managt er den Neubau des ORF, für den bereits eine Kostenwarnung erging. Dem Vernehmen nach ist Strobl im Wrabetz-Auftrag damit beschäftigt, alle Ausgaben noch einmal zu prüfen – bis zu Glastrennwänden und Klodeckeln. Strobl wollte sich dazu gegenüber dem KURIER nicht äußern.

Unterdessen steht seine Ehefrau offenbar ebenfalls vor der Rückkehr in den ORF: Eva Pölzl wurde in der Sonntags-Krone bereits als Moderatorin für das ORF-Frühstücks-TV postuliert.

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