Arbeitsmarkt: 10 Ideen zum Aufstieg in die Top10

Arbeitsmarkt: 10 Ideen zum Aufstieg in die Top10
Umstrittene Vorschläge: Die liberale Agenda Austria will Österreichs Arbeitsmarkt radikal durchlüften

Endlich unter den Besten der Welt: 2015 hatte Österreich den Sprung unter die Top-10-Fußballnationen geschafft. Die Freude währte kurz, aktuell ist das Team auf Platz 39.

Der Wirtschaftsstandort Österreich soll ebenfalls in die Top 10 aufsteigen – das aber dauerhaft, wünscht sich die wirtschaftsliberale Denkfabrik Agenda Austria.

Zum Vergleich: Momentan steht Österreich bei der Standortrangliste des IMD auf Platz 25 von 63 Ländern, beim WEF auf 18 von 137. Der KURIER hat sich die Agenda-Ideen speziell für den Arbeitsmarkt im Detail angesehen.

Überbewertet

Meist wird als ein zentraler Grund für die stark gestiegene Arbeitslosigkeit in Österreich die Zuwanderung aus Osteuropa gesehen. Durch sie würden heimische Arbeitskräfte verdrängt.

Agenda-Direktor Franz Schellhorn widerspricht: "Wer grenzenlosen Dienstleistungsverkehr als Problem sieht, muss logischerweise die ganze EU in Frage stellen." Wenn man die aus Österreich entsendeten Arbeitnehmer abzieht, sei der Nettoeffekt der Entsendungen überschaubar. Diese sorgten im Gegenteil für Wettbewerb und somit niedrigere Preise und höhere Qualität für Konsumenten. Die Agenda will, dass mehr Arbeitsplätze im Land entstehen. Und zwar so:

1. Erst mehr, dann weniger Arbeitslosengeld

In Österreich können Arbeitslose darauf vertrauen, dass sie aus Arbeitslosengeld und Notstandshilfe einen konstanten Anteil ihres Letzteinkommens erhalten – und das international betrachtet recht lange. Schellhorn könnte sich zu Beginn sogar ein höheres Arbeitslosengeld vorstellen – dafür aber nicht für einen so langen Zeitraum. Die Unterstützung sollte zeitlich gestaffelt werden und mit der Zeit sinken, damit der Anreiz zur Jobsuche steigt. Schellhorn: "Der Unwille sollte jedenfalls finanzielle Konsequenzen haben."

2. Höchstlohn für Arbeitskräfte in jüngeren Jahren

In Österreich ist ein Arbeitnehmer gegen Ende der Karriere am teuersten – die Agenda will die Lohnkurve zwar nicht abflachen, aber den Höhepunkt nach vorn (in jüngere Jahre) verschieben. "Die Arbeitskosten sollten nicht dann hoch sein, wenn Mitarbeiter in Pension gehen, sondern wenn ihre Produktivität hoch ist." So würden Ältere leichter Jobs finden.

3. Kündigungsschutz lockern

Ein äußerst umstrittenes Thema. Schellhorn nimmt Anleihen bei Dänemark, wo es weniger Schutz, dafür höhere Arbeitslosenunterstützung gibt, um raschere Wechsel zu begünstigen. Befürworter nennen das "Flexicurity", und sehen Neueinstellungen im Vordergrund. Kritiker sprechen eher von "Hire and Fire", weil das flotte Kündigungen begünstigt.

4. Mehr Netto vom Brutto

Wenn unterm Strich mehr Geld übrig bleibt, wäre der Arbeitsanreiz größer. Die Agenda will den Beitrag zur Wohnbauförderung komplett streichen und zur Sozialversicherung um ein en Prozentpunkt senken. Das solle einem Niedrigverdiener mit 1500 Euro monatlich pro Jahr netto knapp 300 Euro mehr bringen.

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5. Sozialleistungen bündeln

Eine Anleihe beim umstrittenen deutschen Hartz IV-Modell: Die bedarfsorientierte Mindestsicherung soll von der Länderebene weggeholt und mit Notstandshilfe und Arbeitslosengeld bei einer zentralen Stelle (etwa beim AMS) übersichtlich gebündelt werden.

6. Stopp der Aktion 20.000

Öffentliche Beschäftigungsprogramme – wie das gemeinnützige Programm für ältere Langzeitarbeitslose – seien teuer und wirkungslos. Schellhorn plädiert stattdessen für Zuschüsse, um Langzeitarbeitslose in den "echten" Jobmarkt zu integrieren. Dafür seien Österreichs Kombilohn-Modelle aber nicht ideal ausgestaltet.

7. Verursacherprinzip bei der Invaliditätspension

Wenn in einem Betrieb besonders viele Arbeitnehmer die Invaliditätspension in Anspruch nehmen, soll dieses Unternehmen höhere Arbeitgeberbeiträge leisten. In den Niederlanden würden so Anreize für stärkere Vorsorge geschaffen.

8. Kollektivverträge auf die Betriebsebene

Dass in Österreich 98 Prozent der Arbeitsverträge dem Kollektivvertrag unterliegen, wird international oft als Vorbild gesehen. Schellhorn sieht das als Hindernis: Firmen könnten leichter auf Auftragsschwankungen reagieren, wenn die Verträge auf Firmenebene mit den Betriebsräten geregelt würden.

9. Bildung ab Kindesalter

Weil die frühkindliche Bildung die beste Medizin gegen (Langzeit-)Arbeitslosigkeit ist, sollte insbesondere für Kinder mit schlechten Sprachkenntnissen die Kindergartenpflicht ab dem vierten Lebensjahr gelten.

10. Staatliche Zuschüsse für Langzeitarbeitslose

Vorbild alter Schwede: In Österreich nehmen 52 Prozent der Menschen zwischen 55 und 65 Jahren aktiv am Erwerbsleben teil, in Schweden sind es 80 Prozent. Damit ältere Langzeitarbeitslose wieder einen Job finden, sollen nicht nur die Betriebe, sondern auch die Arbeitnehmer zeitlich befristet Lohnsubventionen erhalten.

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Franz Schellhorn, Initiator und Leiter des Thinktanks "Agenda Austria"
Sind Sie für ein Ende der Pflichtmitgliedschaft in der Kammer?

Ja. Es ist einer freien Demokratie nicht würdig, Menschen im dritten Jahrtausend noch zur Mitgliedschaft bei einer Interessenvertretung zu zwingen.

Sollte es eine Volksbefragung oder -abstimmung darüber geben?

Eine Abstimmung im Parlament sollte eigentlich völlig ausreichen, zumal ja eine Zwei-Drittel-Mehrheit vorgesehen ist.

Wäre mit einer Volksabstimmung nicht das Ende der Sozialpartnerschaft eingeläutet oder zumindest intendiert?

Warum? Der ÖGB sucht sich seine Mitglieder ja auch am freien Markt. Und niemand würde behaupten, dass der ÖGB am Ende sei. Und eine Partnerschaft, die auf Zwang beruht, ist letztlich auch keine Partnerschaft. Niemand will ein Ende der Sozialpartnerschaft. Das Problem liegt darin, dass die Regierungen der vergangenen Jahre viel zu viele Regierungsaufgaben an die Sozialpartner ausgelagert haben. Eigentlich sollten die Sozialpartner Gesetzesentwürfe der Legislative begutachten. Mittlerweile ist es längst umgekehrt: Die Sozialpartner schreiben Gesetze, die dann im Parlament begutachtet bzw. durchgewunken werden.

Wie sehen Sie die Meriten der Sozialpartnerschaft bei Österreichs wirtschaftlichem Nachkriegserfolg?

Die Sozialpartnerschaft hat wesentlichen Anteil am hohen Wohlstand in Österreich. Das gilt vor allem für die Ära Benya. Nur mit der moderaten Lohnpolitik des ÖGB ist die Anbindung des damals noch weichen Schilling an die harte D-Mark gelungen. Das brachte Österreich einen Produktivitätsschub, von dem wir heute noch zehren.

Braucht es nicht gerade vor dem Hintergrund der Digitalisierung und ihren Veränderungen für die Arbeitswelt ein vermittelndes Gremium?

Ich fürchte, die digitalisierte Konkurrenz aus den aufstrebenden Ländern macht sich nicht viel aus vermittelnden Gremien. Sie will Marktanteile – nämlich unsere.

Was könnte an die Stelle der Sozialpartnerschaft treten?

Die Sozialpartnerschaft soll nicht ersetzt werden. Sie soll sich nur um ihre Kernaufgaben kümmern – etwa die Lohnpolitik. Und die Regierung soll regieren und dabei auch ruhig die Sozialpartner um ihre Meinung fragen. Aber nicht mehr.

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