Arbeitsinspektorate: Massive Kritik an der verordneten Kontrollwut

Auf 68.000 Kontrollen folgen 1500 Strafanzeigen
Fragwürdige Zielvorgaben des Sozialministeriums im Zusammenhang mit Kontrollen sorgen für große Aufregung.

Sechs Schweißer, die in einem geschlossenen Raum auf einer Großbaustelle ohne Entlüftung ihre Arbeit verrichten; Handelsangestellte, die wegen einer offenen Schiebetür bei 12 Grad Celsius arbeiten müssen; oder Lehrlinge eines Vier-Sterne-Hotels, die wochenlang länger als erlaubt arbeiten müssen – die 550 Mitarbeiter der 20 Arbeitsinspektorate sollen diesen rechtlichen Verstößen und technischen Mängeln einen Riegel vorschieben. Vor allem dann, wenn die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährdet ist.

Laut einem aktuellen Erlass des Sozialministeriums müssen diese Sozialkontrolleure heuer aber verschiedene Zielvorgaben einhalten. So muss jeder Arbeitsinspektor 100 Kontrollen durchführen. Mindestens 30 Prozent der Überprüfungen sind sogenannte Übersichtskontrollen und mindestens 38 Prozent der durchgeführten Kontrollen müssen offenbar "Kontrollen mit Beanstandungen (festgestellten Mängeln)" sein.

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Ist das eine Art Behörden-Willkür oder wurde hier eine Zielvorgabe nur überaus unglücklich formuliert? Wie das Zentrale Arbeitsinspektorat im Sozialministerium auf diese Quoten-Vorgabe kommt, ist völlig unklar.

Eine Anfrage des KURIER am Mittwoch an das Kabinett der Sozialministerin Beate Hartinger-Klein bzw. bei der Abteilung Arbeitsrecht und Zentral-Arbeitsinspektorat blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet.

Bedenkliche Vorgangsweise

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"Wenn ein Ministerium einen Erlass herausgibt, um eine vorgegebene Zielquote zu erreichen, dann ist das sehr bedenklich", sagt der Unternehmer und Neos-Nationalrat Sepp Schellhorn zum KURIER. "Ich kann doch nicht auf die Arbeitsinspektoren Druck ausüben, dass mehr Strafen hereinkommen. Das widerspricht dem Leitsatz des Arbeitsinspektorats, der lautet: Beraten statt Strafen." Nachsatz: "Mir geht es grundsätzlich um die Verhältnismäßigkeit." Diese fehle. Vor allem bei Kleinunternehmen können Strafen zur Existenzgefährdung führen.

Nur 2,2 Prozent Strafanzeigen

Schellhorn schießt sich nicht nur auf das blaue Sozialministerium ein, sondern übt auch Kritik an Lebensmittelkontrollen und der überbordenden Bürokratie, die Unternehmern das Leben schwer macht. Man muss aber auch wissen, dass die Arbeitsinspektoren 2016 rund 68.000 Kontrollen durchgeführt und lediglich 1500 Strafanzeigen erstattet haben. Oder anders gesagt: Nur in 2,2 Prozent der Fälle wird eine Strafe bei der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde beantragt.

Quantitäts- und Qualitätskontrolle?

In diesem Erlass wird weiter angeordnet, dass eine Mängelbehebung bei den festgestellten Mängeln von mindestens 70 Prozent erreicht werden muss. Und dass die Zahl der behobenen Mängel pro Kontrolle den Faktor 1,4 erreichen muss. Letzteres wird als Kontrolleffizienzquote, kurz KEQ, bezeichnet. Dazu muss man aber auch wissen, dass bereits im Jahr 2016 ein Faktor von 1,41 erreicht wurde.

Schellhorn will es aber genau wissen. Er hat an die Sozialministerin und auch an den Finanzminister Anfragen gestellt, welche "Zielvorgaben" für Arbeitsinspektoren und Finanzprüfer gelten.

"Keine Mehrehrgebnisvorgaben"

"Es gibt keine Mehrergebnisvorgaben", kontert Johannes Pasquali, Sprecher des Finanzministeriums. "Als moderne Verwaltung, die nach wirtschaftlichen Grundsätzen arbeitet, haben wir ressourceneffiziente Planungen von Prüfungen und Fallkennzahlen. Bei uns spielen auch Erfahrungswerte eine Rolle." Prüfungen, bei denen recht rasch steuerredliches Verhalten festgestellt werde, werden auch rasch beendet, um freie Kapazitäten für andere Prüffälle zu haben.

Einen Tag später

Am Donnerstag nahm die Sozialministerin zum Thema Zielvorgaben dann doch Stellung. „Diese Herangehensweise entspricht weder der Philosophie der neuen Bundesregierung, die sich in ihrem Regierungsprogramm die Entbürokratisierung der Arbeitsinspektorate zur Aufgabe gesetzt hat und den Grundsatz 'Beraten statt Strafen' in den Mittelpunkt stellt, noch der Management-Philosophie der Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz“, teilte Beate Hartinger-Klein am Donnerstag in einer OTS-Aussendung mit. „In diesem Sinne wird der zitierte Erlass nun überarbeitet.“ Der Erlass stamme noch von Hartinger-Kleins Vorgänger im Sozialministerium, Alois Stöger (SPÖ). Dieser hatte 2016 auf Kritik des Rechnungshofes reagiert, der drei Jahre zuvor bemängelt hat, dass bei den Arbeitsinspektoraten konkrete Zielvorgaben fehlen. Dabei sei als Steuerinstrument ein Zielwert für den Anteil an Kontrollen festgelegt worden, bei denen ein Mangel festzustellen war.

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