Arbeiten in der Pension: Der Ruhestand beginnt immer später
Omas und Opas gesucht: Das beliebte Generationen-Cafe „Vollpension“ in Wien-Wieden eröffnet im Oktober einen neuen Standort in der Innenstadt und erweitert dafür sein Team. Derzeit backen 25 Seniorinnen und Senioren ihre Lieblingsmehlspeisen nach alten Rezepten und servieren sie ihren Gästen – samt Lebensgeschichten.
25 weitere werden aufgenommen und in Teilzeit – für fünf bis zehn Stunden in der Woche – angestellt. Frau Hilde, die „Oma vom Dienst“, ist 77 Jahre und freut sich über zusätzliche Mitarbeiter. „Die Beziehungen in der Vollpension zu den Jüngeren und Älteren halten mich fit“, erzählt sie, „wir haben hier echt einen richtigen Spaß miteinander, auch wenn's mitunter stressig werden kann“. Frau Hilde ist längst kein Einzelfall mehr.
1.700 über 75-Jährige im Job
1.700 über 75-Jährige gehen in Österreich einer Voll- oder Teilzeitarbeit nach, geht aus Daten des Hauptverbandes hervor. Die meisten davon sind im Handel angestellt, gefolgt vom Wohnungswesen und dem Erziehungsbereich. Dazu kommen weitere 5.000 geringfügig Beschäftigte. Bei den über 65-Jährigen hat sich die Zahl der Vollerwerbstätigen binnen zehn Jahren auf 38.000 fast verdoppelt. Gemeinsam mit den geringfügig Beschäftigten sind es mehr als 70.000 (siehe Grafik).
Demografie
Anders als in Deutschland ist es weniger der finanzielle Druck, der Pensionisten weiter arbeiten lässt, sondern vor allem die steigende Lebenserwartung. Zwischen Pensionsantritts- und Greisenalter vergehen heute im Schnitt 20 Jahre. Das sind um fast zehn Jahre mehr als noch 1970. Zeit, die von immer mehr aktiv genutzt wird.
Immerhin zwei Drittel aller Beschäftigten über 45 Jahre will auch in der Pension in irgendeiner Form weiterarbeiten, ergab kürzlich eine Umfrage der Plattform Seniors4Success. Vor zwei Jahren gab dies erst jeder Zweite an. Die meisten Senioren betreuen Familienangehörige oder gehen einer ehrenamtlichen Tätigkeit nach, immer mehr aber auch einer bezahlten Arbeit.
WIFO-Pensionsexpertin Christine Mayrhuber rechnet in den nächsten Jahren, wenn die Babyboomer-Generation ins Pensionsalter kommt, mit einem weiteren starken Anstieg. Die nachrückenden Pensionisten hätten im Vergleich zur Vorgängergeneration schon weniger körperlich belastende Jobs und auch die Angleichung des Frauenpensionsalters ab 2024 wirke sich aus.
OECD mahnt
Im EU-Vergleich hinkt Österreich bei der Beschäftigung 60plus noch immer weit hinterher. Abgesehen vom unterschiedlichen gesetzlichen Antrittsalter fehlt es auch an Anreizen fürs länger Arbeiten. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) fordert daher die Staaten auf, die Beschäftigung im Alter zu erleichtern. Es müsse „Menschen in jeder Lebensphase leicht gemacht werden, arbeiten zu gehen“, mahnt sie Reformen ein.
In Österreich gibt es zwar Anreize fürs Aufschieben der Pension um drei Jahre, beim Zuverdienst jedoch auch Hürden (siehe Infokasten)
Aufschubbonus: Wer über das gesetzliche Pensionsantrittsalter (Männer 65 Jahre, Frauen 60 Jahre, ab 2033 ebenfalls 65 Jahre) hinaus weiterarbeitet, muss für die Aufschubzeit nur noch die Hälfte des Pensionsversicherungsbeitrages zahlen. Das sind 5,125 Prozent für Arbeitnehmer und 6,275 Prozent für Arbeitgeber. Dadurch erhöht sich das Nettoeinkommen. Für die Pensionsberechnung wird jedoch die volle Einkommenshöhe hergenommen und es wird weitere Zeit gesammelt. Weiters wird ein Zuschlag zur Pensionsleistung von 4,2 Prozent pro Jahr (0,35 Prozent pro Monat) gewährt. Weil ein Aufschub nur drei Jahre möglich ist, beträgt dieser Zuschlag maximal 12,6 Prozent.
Zuverdienst: Männer ab 65 und Frauen ab 60 können unbegrenzt zur Pension dazuverdienen. Zu beachten: Zur Berechnung der Einkommensteuer werden beide Bezüge zusammengerechnet. Vom Zuverdienst werden neben Kranken- und Unfallversicherung auch Pensionsversicherungsbeiträge abgezogen. Diese Beiträge werden aber als „besonderer Höherversicherungsbeitrag“ angerechnet, sodass sich der Pensionsbezug im Folgejahr etwas erhöht. Weil für die Berechnung das Lebensalter und die Bemessungsgrundlage maßgeblich sind, schaut für viele Betroffene nur wenig dabei raus. Die monatlichen Sozialabgaben werden bei weitem nicht aufgewogen.
Doppelversicherung
Ein Ärgernis vieler Pensionisten, die arbeiten, sind die Mehrfachversicherungen: Obwohl sie schon in Pension sind, wird ihnen vom Gehalt nicht nur die Kranken- und Arbeitslosenversicherung, sondern auch die Arbeiterkammerumlage und der volle Pensionsversicherungsbeitrag abgezogen. Zwar wird dieser als „besondere Höherversicherungsbeitrag“ der Pension angerechnet, doch nur in sehr geringem Ausmaß. Für ÖVP-Seniorenbund-Chefin Ingrid Korosec steht die daraus resultierende Erhöhung „in keinem Verhältnis zu den Einzahlungen“.
Der Seniorenbund fordert daher eine generelle Streichung der Pensionsversicherungsbeiträge für arbeitende Pensionisten. Auch die Zuschläge beim Aufschieben der Pension sollten deutlich höher ausfallen. In Deutschland etwa beträgt der Zuschlag 6 Prozent, in Österreich nur 4,2. Die Politik hat bisher gebremst. Sind die Zuschläge zu hoch, kostet es den Staat mehr als es bringt.
Wo sind die Jobs?
Laut einer IHS-Studie sind Zu- und Abschläge nur ein Faktor für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben. Insbesondere Frauen reagieren schwach auf finanzielle Anreize. Arbeitsplatzsituation, Lebensplanung und Gesundheit spielen eine ebenso wichtige Rolle. Letztlich muss auch der Arbeitgeber mitspielen. „Ob sich Arbeiten in der Pension lohnt, hängt vom individuellen Einzelfall ab“, meint WIFO-Expertin Mayrhuber. Vom Pensionsaufschub etwa würden vor allem Frauen profitieren.
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