Patchwork war gestern
Während einer Bildungskarenz hat sie dann das getan, was immer mehr ältere Österreicher ins Auge fassen: „Ich habe mich kurz vor meiner Pensionierung getraut, das zu beginnen, was genau Meines ist.“ Ihr Handwerk wird sie im Ruhestand fortführen: „Ich bin vier Jahre älter als mein Mann, möchte daher nicht neun Jahre warten, bis er auch in Pension gehen kann.“
Geholfen hat ihr bei ihrem durchaus gewagten Sprung in die Selbstständigkeit die deutlich jüngere Geschäftsfrau Nadine Izdebski. Die Absolventin der Wirtschaftsuniversität Wien hat Ende 2017 die Plattform „i trau mi“ (siehe unten) gegründet.
Nadine Izdebski verfügt über ökonomisches Know-how und darüber hinaus über ein Netzwerk von Experten, die zusätzlich beratend aktiv werden können. Derzeit ist diese Unterstützung für rund 35 Waghalsige noch rein ehrenamtlich. Bis Weihnachten soll sich daraus ein eigenes Firmenmodell entwickeln.
Margit Pietschmann erzählt, dass ihr die Beratungen geholfen haben, auch, um innere Zweifel zu überwinden. Sie lädt ihre Kunden zu sich ein, in ihr Haus am Laaer Berg, um von ihnen zu erfahren, wie sie ihnen ihre Tragtasche auf den Leib schneidern kann. Dabei hilft ihr ihre langjährige Erfahrung als Pädagogin: Sie mag Menschen, und sie kann mit Menschen.
Wichtig ist der Taschen-Schneiderin aus Favoriten, dass sie nur Stoffe verwendet, die bereits in Verwendung waren. Ihre Spezialität waren früher Patchwork-Decken, allerdings wurden diese jahrelang mit Häme beäugt: „Heute ist Upcycling angesagt.“
Gerne arbeitet sie mit Herrenhemden, die schon öfters gewaschen wurden. „Aus ihnen mache ich Kinder-Spieldecken, die sich zu einer Tasche zusammenlegen lassen. Dabei dürfen wir uns sicher sein, dass da keine böse Chemie mehr drinnen ist.“
Leben kann Frau Pietschmann von der Schneiderei (noch) nicht. Muss sie auch nicht: „Mein Mann arbeitet als Angestellter und gibt mir ausreichend Rückendeckung. Wenn ich in Pension gehen werde, dann kann ich, muss aber nichts dazuverdienen.“
Insel der Verwirklichung
Bereits in Pension ist die Montessori-Pädagogin Brigitte Pokorny. Sie hat sich vor vier Jahren ein Apartment im Aphrodite Beach Front Village in Gaziveren im Nordteil der Insel Zypern gekauft, wo sie öfters im Jahr, vor allem im Frühling und im Herbst, feine Zeit am Meer verbringt.
Auch Pokorny hat sich getraut, mit „i trau mi“ Kontakt aufzunehmen. Sie möchte für Gleichgesinnte eine Brücke in ihr Altersdomizil bauen: „Den Flug müssen sich die Leute selbst organisieren, ich bin ja kein Reisebüro. Aber ich biete für sie unterschiedliche kreative Kurse, Workshops, Sport und Wanderungen an.“ Für die Qi Gong-Woche vom 15. bis 22. Oktober gibt es übrigens noch einige freie Plätze.
Auf die Frage, warum sich die Niederösterreicherin dafür einsetzt, dass es Anderen gut geht, verweist sie auf ihren eigenen Nutzen: „Nur Pensionistin sein, das ist mir zu wenig. Ich mag das Organisieren, bin gerne unter Menschen und voller Interessen. So kann ich etwas Neues gestalten und mich dabei ein bisschen verwirklichen.“
Unterstützt wird die weiterhin hoch motivierte Pädagogin von ihrer Freundin Margarete. Geholfen hat ihr auch das neu geschaffene Netzwerk: „Wir haben gleich beim ersten Treffen viel Zuspruch erhalten. Darüber hinaus gab es viele Anregungen und neue Impulse.“
Kommentare