Anzengruber: Künftig viel mehr Stromspeicher nötig

Wolfgang Anzengruber
Ohne "grünen Wasserstoff" und rasche CO2-Bepreisung in Österreich sind die Klimaschutz-Ziele nicht erreichbar, so der Verbund-Chef.

Österreich muss in Zukunft viel größere Strommengen als derzeit speichern können - Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber spricht von 15 Prozent eines Jahresverbrauchs. Dazu müssten die Pumpspeicherwerke ausgebaut werden, die Möglichkeiten seien aber begrenzt. Daher müsse stark auf "grünen Wasserstoff" gesetzt werden, gewonnen aus erneuerbarem Strom. Das wird den Strombedarf aber ziemlich hochtreiben. Für die geplante CO2-Senkung sollte rasch eine Bepreisung eingeführt werden.

Überschüssige Mengen

Beim Stromspeichern geht es vor allem um überschüssige Mengen von den Erzeugungsspitzen im Sommer, denen ein Strommangel im Winter gegenübersteht. Derzeit könne Österreich nur ein Drittel des künftig nötigen Volumens speichern, nämlich 5 Prozent des Jahresbedarfs oder etwa 3,5 Terawattstunden (TWh). Nötig seien aber 10 TWh, von denen mit einem Ausbau aber nur die Hälfte gestemmt werden könne. "Es fehlt die zweite Hälfte. Da kommt einiges an technologischer Entwicklung auf uns zu", meinte Anzengruber am Freitag im Klub der Wirtschaftspublizisten.

Österreich müsse daher das Thema "grüner Wasserstoff" deutlich voranbringen. Dessen Erzeugung sei derzeit noch sehr teuer, man werde hier aber eine Kostendegression sehen. Einsetzbar sei dieser Wasserstoff zunächst in erster Linie in der Industrie, etwa in den Branchen Chemie, Petrochemie, Stahl oder Zement. Später werde der Transportsektor dazukommen, etwa Lkw-Flotten oder vielleicht das Fliegen.

"Wir brauchen ein synthetisches Gas aus erneuerbarem Strom, das sich speichern und gut transportieren lässt", so der Chef des Stromkonzerns. Deshalb habe der Verbund kürzlich der OMV die Mehrheit am Gasleitungsbetreiber GasConnect Austria (GCA) abgekauft. Derzeit sei in Österreich eine bis zu 7-prozentige Wasserstoff-Beimischung erlaubt, im Ausland würden bis zu 10 Prozent dazugegeben.

Importe

Allerdings sei der Strombedarf für die Wasserstoff-Erzeugung ab Ende dieses Jahrzehnts noch nicht in den Bedarfsprognosen enthalten - laut Anzengruber wären allein für die Hälfte des Wasserstoff-Bedarfs 30 bis 40 TWh an zusätzlichem Strom nötig. Letztlich werde Österreich aber wohl nur ein Viertel jener 1,2 Mio. Tonnen Wasserstoff pro Jahr selbst produzieren können, die für das Temperatur-Absenkungsziel von 1,5 Grad erforderlich seien. "Das heißt man wird einen großen Teil des Wasserstoffs, der mit Hilfe von erneuerbarem Strom gewonnen wird, importieren müssen."

Kommen könnte dieser Wasserstoff aus Skandinavien - etwa von Offshore-Windkraft, die nur dafür errichtet werde - oder aus Nordafrika bzw. Osteuropa (Rumänien, Bulgarien, Ukraine). Bei Nordafrika wäre es ein Revival des "Desertec"-Projekts. Im arabischen Raum würden ebenfalls schon Überlegungen in diese Richtung angestellt, und die russische Gazprom werde nicht zusehen, sondern vielleicht auch einmal grünen Wasserstoff liefern, meinte der Verbund-Chef.

Stützung des Netzes

Gaskraftwerke könnten künftig als Brückentechnologie eingesetzt werden - und sie seien noch mehr als zehn Jahre zur Stützung des Netzes, also zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit durch Engpassmanagement nötig, so Anzengruber. Damit solche Anlagen wirtschaftlich rentabel sind, müsste der Strompreis aber wieder auf circa 60 Euro pro Megawattstunde (MWh) steigen.

Die Spotmarktpreise würden derzeit in einer Bandbreite von 25 bis 45 Euro hin und her springen; er rechne damit, dass sich die Preise auch in den nächsten zwei Jahren seitwärts bewegen. Erst für 2022/23 würden Experten wieder mit einer Wirtschaftsleistung auf dem Niveau von vor der Coronakrise rechnen.

Da die internationale Politik sich 2015 bei der Klimakonferenz in Paris zur Eindämmung des globalen Temperaturanstiegs auf 1,5 Grad Celsius verpflichtet habe, sei es das oberste Ziel, die CO2-Emissionen zu reduzieren. Daher sollte Österreich so rasch wie möglich mit einer Bepreisung beginnen, wie dies etwa Deutschland mit anfangs 25 Euro pro Tonne CO2 gemacht habe - in anderen Ländern seien die Beträge deutlich höher, etwa in Schweden zwischen 80 und 100 Euro je t, erinnerte Anzengruber, der Ende des Jahres nach zwölf Jahren an der Spitze aus dem Konzern ausscheidet, ihm folgt Vize Michael Strugl nach.

Gutschreibungen

Bei 10 t CO2-Emission pro Kopf in Österreich würde es um 250 Euro im Jahr gehen, lege man das deutsche Modell 1:1 um. "Das wäre machbar", meinte der Verbund-Chef, denn diese Beträge könnten sich ja durch Gutschreibungen auch wieder reduzieren. Die Preise könnten dann Jahr für Jahr um 5 Euro/t angehoben werden. Letztlich gehe das deutsche System Richtung 50 Euro, "das wird man auch brauchen, sonst sind die Klimaschutz-Ziele nicht erreichbar". Derzeit gibt es CO2-Preise - über das Emissionshandelssystem - für einige Industriesektoren, die aber nur 40 bis 45 Prozent der CO2-Emissionen verursachen.

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