Anleitung zur flotten Bankenpleite

Anleitung zur flotten Bankenpleite
Wird eine kaputte Bank abgewickelt, zählt jede Stunde - der geplante Ablauf ist völlig vertrackt.

Wenn eine Bank umfällt, ist rasches Handeln gefragt: Sanieren, abwickeln oder zusperren? Die Entscheidung muss schnell fallen, sonst stürmen Sparer die Bank. Wenn sie ihr Geld abheben oder andere Finanzinstitute Kreditlinien sperren, ist die Bank mit Sicherheit pleite.

Deshalb zählt Tempo: Die USA haben darin viel Routine. Für die Beamten der FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation) sind Wochenendschichten normal. Droht eine Pleite, übernehmen sie noch am Freitagabend nach Schalterschluss das Ruder. Die Bank wird aufgeteilt, zerschlagen oder verstaatlicht. Noch bevor die Börsen am Montag aufsperren, gibt es sie nicht mehr – oder unter einem neuen Eigentümer.

Nationaler Eigensinn

Die neue EU-Bankenunion soll ähnliche Möglichkeiten bringen. Am Montag und Dienstag berieten die Finanzminister über letzte Details für den Bankenabwicklungs-Mechanismus (Single Resolution Mechanism/SRM) und den dazu notwendigen Geldtopf.

Wenn die Aufsicht Alarm schlägt, sollen Entscheidungen binnen 24 Stunden oder übers Wochenende fallen. Wer sich das komplizierte EU-Prozedere dafür ansieht, kann daran allerdings nur zweifeln: Weit mehr als 100 Personen, fast ein Dutzend Gremien wären involviert.

Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold hat das visualisiert (siehe die vereinfachte (!) Grafik unten); ein absurdes Behörden-Wirrwarr. Das europäische Dilemma, wie so oft: Die Kommission will keine Kompetenz abgeben – und die Nationalstaaten im Rat wollen das letzte Wort haben.

Das widerspricht aber dem Geist der Bankenunion, die Beschlüsse im europäischen Interesse fällen soll. Schließlich geht es darum, die Last von Bankpleiten fair zu verteilen – sodass zuerst die Eigentümer und Gläubiger, dann die Finanzbranche und erst am Schluss die Steuerzahler bluten. Hätte es die Regeln am 14. Dezember 2009 gegeben, wäre Österreichs Steuerzahlern bei der Hypo-Notverstaatlichung wohl viel Ärger erspart geblieben. Zu spät.

Terminplan wackelt

Aktuell gibt es noch Stunk mit dem EU-Parlament. Die Abgeordneten fordern fraktionsübergreifend eine einfachere Lösung. Sie ärgert, dass die Staaten im Dezember vereinbart haben, die Bankenabwicklung mit zwischenstaatlichen Verträgen zu regeln. Die Volksvertreter wollen eine "normale" Lösung auf EU-Ebene. "Es ist klar, dass der Dezember-Beschluss so nicht hält", hieß es am Montag in Ratskreisen. Man wird dem Parlament also entgegenkommen (müssen).

Die Banken sollen in einen Abwicklungsfonds einzahlen, der nach zehn Jahren über 55 Milliarden Euro verfügen soll. Über die Übergangsphase wird gestritten. Möglicher Kompromiss: Die Zeit könnte verkürzt werden. Oder es wird, wie EZB-Chef Mario Draghi fordert, früher ein EU-Topf daraus. Ursprünglich sollten die eingezahlten Mittel nach und nach, jedes Jahr zu zehn Prozent, ihr "nationales Mascherl" verlieren und am Ende zu hundert Prozent EU-Gelder sein.

Eng wird es mit dem Zeitplan: Damit sich die Beschlüsse vor der EU-Wahl im Mai ausgehen, müssen sich die Unterhändler von Parlament und Rat bis Ende März einigen.

Anleitung zur flotten Bankenpleite

Das ist selbst dem gewohnt regierungskritischen Werner Kogler zu viel. "Das ist wirklich unmöglich", ruft der Grüne Vize-Klubchef dem Neos-Chef Matthias Strolz zu, als dieser eine überdimensionale Kuckucksplakette auf die Regierungsbank im Parlament klebt. "Über Österreich kreist der Pleitegeier", will der pinke Frontmann damit symbolisieren. Das geht sogar den Grünen zu weit.

Es geht um die Hypo. Sondersitzung im Hohen Haus.

ÖVP-Finanzminister Michael Spindelegger tituliert das Geschehen als "Wettbewerb der Beschimpfungen". Nationalratspräsident Karlheinz Kopf ermahnt die Mandatare wegen ihrer teils deftigen Wortwahl und Zwischenrufe auch mehrmals.

Hier geht es zum Live-Bericht zum Nachlesen

"Dreckshaufen"

Da ist von der "toten Kuh" (Kogler über Hypo zum Zeitpunkt der Verstaatlichung), der "Eiterbeule" (Strolz) und dem "Dreckshaufen" (Meinl-Reisinger/Neos) die Rede (siehe Zitate rechts). FPÖ-General Herbert Kickl attestiert Rot/Schwarz, nicht ganz bei Sinnen zu sein (was ihm einen Ordnungsruf einbringt) – und empfiehlt SPÖ und ÖVP einen "Parapsychologen" aufzusuchen. Sein Parteichef Heinz-Christian Strache wachelt mit Handschellen und rühmt sich, er sei "der Schutzpatron der Steuerzahler", was Gelächter in den Abgeordneten-Reihen hervorruft und SPÖ-Finanzsprecher Kai Jan Krainer zu viel ist: "Das ist ein schlechter Witz. Sie sind der Schutzpatron derjenigen, die uns das eingebrockt haben. Sie sind der Schutzpatron von Dörfler (der Ex-Landeshauptmann ist FPÖ-Bundesrat). Die Handschellen können sie gleich in ihrem Klub ausprobieren", wettert Krainer. SPÖ und ÖVP applaudieren, der Kanzler nickt, als wolle er sagen: "Genauso ist es." Werner Faymann gibt sich in seiner – lange erwarteten – Erklärung etwas zurückhaltender. Nüchtern referiert er über "Anstaltslösung, Bankenabgabe und Bankenunion". Emotional wird er nur, als er auf die Rolle der Kärntner Blauen zu sprechen kommt. Es dürfe "nicht vergessen" werden, "wer die Verursacher waren", mahnt Faymann. Und: "Schon gar nicht" brauche die Regierung derzeit "Empfehlungen von der FPÖ". Diese habe "bewiesen, dass sie nicht in der Lage ist, gute Entscheidungen zu treffen". SPÖ-Klubchef Schieder stellt klar: "Die Verantwortung für das Hypo-Desaster tragen Haider und die FPÖ." Spindelegger beklagt auch: "Ich habe das Problem nicht verursacht, ich habe es übernommen". Und er echauffiert sich über die "wahnwitzigen Haftungen" (bis zu 24 Milliarden Euro), die Kärnten übernommen hat.

Die Grünen orten auch ein Kontrollversagen im Bund – und warnen vor der geplanten "Anstaltslösung": Die jede Familie "mindestens 5000 Euro kosten", prophezeit Kogler. "Wie wollen Sie das aushalten? Sie sind in drei Monaten rücktrittsreif". Der Grüne wünscht sich "zumindest eine Teil-Insolvenz", also einen freiwilligen Schuldennachlass der Anleger.

Offene Kostenfrage

Spindelegger schließt weiterhin keine Option aus, er hält also auch eine Insolvenz der Bank für möglich. Wie viel die Hypo-Causa den Steuerzahler kosten wird, ließ er offen. Schieder sprach von vier bis sieben Milliarden Euro, Kogler von 13 bis 15. Spindelegger will zunächst einen Bericht der Hypo-Taskforce abwarten. Bis Sommer soll es eine Lösung geben.

"Skandalös"

Der Opposition dauert das zu lang. "In den vier Jahren (seit der Notverstaatlichung) ist so gut wie nichts passiert", schimpft Kickl. Die Blauen, die Grünen, die Neos und das Team Stronach drängen weiter auf einen U-Ausschuss (siehe unten). Und: Sie drohen mit weiteren Hypo-Sondersitzungen – allen voran die Grünen, weil ihnen missfällt, dass Spindelegger viele ihrer 73 dringlichen Fragen gestern nicht beantwortet hat. "Das war skandalös", befindet Glawischnig. Der Finanzminister reagierte nicht darauf, er eilte zum Flughafen. In Brüssel tagen seine EU-Amtskollegen – auch heute noch. Spindelegger wird daher den Ministerrat verpassen und keine Journalistenfragen in Wien beantworten. Auch Faymann erspart sich das – wieder einmal. Ins Ministerratsfoyer müssen die Minister Klug und Kurz ausrücken. Da könnte der Grüne Kogler wieder rufen: "Das ist wirklich unmöglich."

All jene, die Hypo-Anleihen haben, für die das Land Kärnten garantiert, sollen auf Teile ihres Kapitals verzichten. Das wünschen sich die Oppositionsparteien und wohl auch viele Österreicher – frei nach dem Motto: Die Spekulanten sollen zahlen.

Doch so einfach ist die Sache nicht. Erstens sind die Inhaber dieser Anleihen durchwegs keine auf Risiko-Investments spezialisierten Finanzhaie, sondern konservative Anleger wie Pensionskassen oder Versicherungen in Deutschland und der Schweiz. Sie haben diese Anleihen vor Jahren im Vertrauen auf die Haftung des Landes Kärnten erworben. Diese Anleger haben auch keinen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben. Sie haben die Anleihen vor dem Verkauf der Hypo im Mai 2007 erworben. Später gab es keine Garantien des Landes mehr. 2007 war von Krise noch keine Rede.

Und zweitens würde sich die Republik Österreich mit einem freiwilligen Schuldennachlass ("Hair-Cut") dieser Anleger nur ins eigene Fleisch schneiden. Denn die Republik müsste den Schuldennachlass verhandeln und damit wäre Kärnten sofort aus dem Schneider. Da begänne wieder das Spiel, dass entweder Kärnten pleitegeht oder der Bund einspringt. Daher würde bei einem freiwilligen Verzicht dieser Anleihegläubiger Kärnten rasch aus der Verantwortung sein, der Bund und damit die Steuerzahler müssten bluten. Auch wenn all diese Anleihen in die geplante staatliche Anstalt wandern würden, wäre Kärnten frei. Daher wird noch überlegt, ob die Anleihen nicht in der "guten Hypo" bleiben.

Mitgehangen

Durch die Verluste der Hypo Kärnten schwer getroffen wurden dagegen bereits all jene Investoren, die nicht-garantierte Anleihen der Hypo hatten. Fast alle diese Anleihen wurden weit unter dem ursprünglichen Wert von der Hypo getilgt. Manche dieser Anleihen wurden ein Totalverlust, andere zu einem Viertel getilgt. Die Anleger verloren 75 Prozent ihres Kapitals.

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