Wie das Almensterben in Österreich Bauern, Tieren und Touristen schadet

Kühe auf der Alm
Die Zahl der Bergweiden ist rückläufig. Und das trotz der vielen Vorteile der klassischen Almwirtschaft.

Auf rund 1.000 Höhenmetern rund 20 Minuten von der niederösterreichischen Ortschaft Kleinzell entfernt liegt die Zeisel-Hinteralm. Hier leben 210 Rinder in Gruppen aufgeteilt vom Frühling bis zum Ende des Sommers.

Die Tiere stammen von unterschiedlichen Betrieben. Es ist eine Mischung aus Mutterkühen, Kälbern und Ochsen. 

Nur Stiere gibt es hier keine, weil die Alm inmitten eines beliebten Wandergebiets liegt und Stiere aufgrund ihres höheren Aggressionspotenzials für unbedarfte Besucher zur Gefahr werden können.

Almen wie diese gibt es in Österreich viele. Die Rinderherden auf grünen Wiesen prägen vielerorts das Landschaftsbild. Für die heimische Landwirtschaft und den Tourismus haben die Weideflächen große Bedeutung.

Und trotzdem werden sie immer weniger. Der KURIER hat die Zeisel-Hinteralm besucht, um einen Blick hinter die Almwirtschaft zu werfen.

Die Saison startet immer früher

Die Tiere hier sind bereits seit dem 24. Mai auf dem Berg. Wegen des Klimawandels starten die Saisonen immer früher, weil das Futter nach der Schneeschmelze bei höheren Temperaturen schneller wächst.

Kühe auf der Weide/Alm

Die Rinder reagieren neugierig auf vorbeigehende Menschen.

Noch in den 1990er-Jahren konnte erst Mitte Juni aufgetrieben werden, erzählt Josef Mayerhofer, Obmann des Niederösterreichischen Almwirtschaftsverbands, der zu dieser Zeit selbst für die Zeisel-Hinteralm zuständig war. Mittlerweile ist ein Auftrieb im Mai die Normalität geworden. 

Um die Wiesenflächen als Futterquelle optimal zu nutzen, wird sie in Abschnitte unterteilt und diese eingezäunt. „Koppeln“ nennt sich diese Form des Flächenmanagements. 

„Die Rinder grasen das Futter in ihrem Bereich völlig ab und die Wiese im abgesperrten Bereich kann ungestört wachsen und wird dann als Nächstes abgegrast“, erklärt Mayerhofer. 

Landwirte können mehr Futter einlagern

Die Betriebe profitieren von langen Saisonen durch gezielte Fütterung, weil sie sich große Futtermengen ersparen und mehr Silage für den Winter einlagern können.

Josef Mayerhofer Obmann Alm- und Weidewirtschaftsverein NÖ

Josef Mayerhofer ist der Obmann des Niederösterreichischen Alm- und Weidewirtschaftsverein.

Und die Almwirtschaft bringt noch weitere Vorteile. So beeinflusse sie etwa das Sozialverhalten der Tiere

Das Zusammenleben mit fremden Tieren auf der Weide würde das Gruppengefüge und die Harmonie im Stall fördern, erklärt Mayerhofer, der heuer selbst 24 Tiere seines Milchbetriebs auf die Zeisel-Hinteralm getrieben hat. 

„Die Rinder sind ruhiger, weil sie gelernt haben, sich in einer Gruppe einzuordnen. Das merken wir auch bei uns im Laufstall.“ 

Hinzu kämen gesundheitliche Vorteile und geringere Tierarztkosten durch die natürliche Nahrung und das Leben im Freien, betont Mayerhofer. 

Diese Faktoren führen auch zu höheren Preisen und größerer Beliebtheit beweideter Tiere auf dem Markt.

55 pro Tier für die gesamte Saison

Rund 55 Euro bezahlen Landwirte an die Almgemeinschaft für jedes Tier, das aufgetrieben wird.

Almhütte der Zeisel-Hinteralm NÖ

Die Almhütte auf der Zeisel-Hinteralm

Damit werden die Kosten für die Versorgung der Tiere und für die Pacht abgegolten. Darüber hinaus finanzieren sich Gemeinschaften  durch öffentliche Förderungen.

Trotz der Vorteile entscheiden sich immer mehr Bauern gegen den Almauftrieb. Die Zahlen sind seit mehreren Jahren rückläufig

Nur in Niederösterreich und Vorarlberg bleiben sie in etwa stabil. Doch auch dort gibt es Regionen, in denen immer mehr Landwirte den Almauftrieb oder den gesamten Betrieb einstellen

„In manchen Gegenden wird es in ein paar Jahren keine Almen mehr geben“, sagt Mayerhofer.

Bauern fehlt die Zeit für Arbeit auf der Alm

Auch die Bereitschaft zur Mitarbeit auf der Alm werde unter den Landwirten immer geringer.

Denn diese arbeiten im Normalfall gemeinsam am Erhalt der Infrastruktur, indem etwa Zäune installiert werden oder unerwünschte Pflanzen weggeschnitten werden. 

Tränke auf der Weide

Die betonierten Tränken auf der Alm sind besonders stabil.

Das ist Arbeitszeit, die den Landwirten am eigenen Hof fehlt, was sich viele Bauern in Zeiten von wachsendem Produktionsdruck nicht leisten können. Sie würden dann eher auf die Almwirtschaft und ihre Vorteile verzichten, so Mayerhofer.

Mit negativen Folgen: Denn ohne Bewirtschaftung wachsen auf den Almflächen innerhalb weniger Jahrzehnte Wälder. Ein Verlust für die Biodiversität, aber auch für das Landschaftsbild. 

Heimische Almen als Touristenmagnet

Die klassischen Almen spielen nämlich vielerorts auch für den Tourismus eine wichtige Rolle, da sie durch weitläufige Flächen und Wanderwege eine Vielzahl von Urlaubern anlocken. 

Auch auf der Zeisel-Hinteralm wird eine Selbstversorgerhütte an Feriengäste vermietet, die die gesamte Saison lang ausgebucht sei, erzählt Mayerhofer. 

Obwohl hohe Besucherzahlen meist auch starke Tourismuseinnahmen bedeuten, könne ein Überhandnehmen von Urlaubern auf der Alm zum Problem werden, beklagt Mayerhofer. Vor allem, wenn der Respekt für Tiere und Natur fehlt.

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