Alarmierend: Jeden Tag sperren in Österreich 9 Bauernhöfe zu

Bauernproteste auf einer Autobahn
In Österreich sperren 9 landwirtschaftliche Betriebe pro Tag zu. Ein Agrarexperte fordert Umdenken beim Kaufverhalten, "sonst sterben ganze Regionen weg".

Stirbt der Bauer, stirbt das Land. Keine Zukunft ohne Bauern.

Diese und andere Statements waren bei den Bauernprotesten im Vorjahr in Deutschland und Österreich auf Plakaten zu lesen. Die Botschaft ist klar: Den landwirtschaftlichen Betrieben geht es schlecht. Und das hat Auswirkungen auf die ganze Bevölkerung.

Was sind die größten Herausforderungen für Landwirtinnen und Landwirte im Alltag und wie lässt sich der alarmierende Schwund an bäuerlichen Betrieben stoppen?

Zuerst zu den Zahlen: Laut Agrarstrukturerhebung ist die Anzahl der landwirtschaftlichen Betriebe zwischen 2020 und 2023 um fast neun Prozent gesunken.

2023 gab es in Österreich rund 101.000 derartige Betriebe, 2020 waren es noch 111.000. Zugesperrt wurden und werden vor allem kleinere Betriebe und Bauernhöfe, die im Nebenerwerb betrieben werden.

Bauernhof-Sterben

Oft werden die Flächen derer, die zumachen müssen, an umliegende Betriebe verkauft, die sich damit vergrößern. So stieg auch die Anzahl der gehaltenen Nutztiere pro Hof. Hannes Royer ist Gründer des Vereins "Land schafft Leben" und erklärt die Konsequenzen: "Familien sind das Rückgrat unserer Landwirtschaft. Wenn nun jeden Tag neun Bauernhöfe zusperren, hat das nicht nur Auswirkungen auf unser Landschaftsbild, sondern auch darauf, wie in Österreich Landwirtschaft betrieben wird."

Familienangehörige als Arbeitskräfte

Rund 80 Prozent der Arbeitskräfte auf Bauernhöfen sind Familienangehörige. Planungsunsicherheit, bürokratische Hürden und schwankende Preise gehören laut aktueller Erhebung zu den Hauptgründen, warum Landwirtinnen und Landwirte ihre Betriebe aufgeben und sich einen anderen Job suchen. "Hinzu kommen Herausforderungen wie in der Schweinehaltung, wo sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen rasch ändern und auch die Wertschätzung aus der Bevölkerung fehlt", so Royer, der selbst einen Bio-Bergbauernhof in Rohrmoos bei Schladming betreibt.

Podiumsdiskussion : Wer isst politisch

Hannes Royer, Bio-Bauer und Agrar-Experte

Und dann wäre da noch der große Punkt der Rentabilität: Internationaler Wettbewerb und Preisdruck machen es vor allem kleineren Betrieben schwer, mit ihren Erzeugnissen ein ausreichendes Einkommen zu erzielen.

Sie werden in allen Bundesländern weniger, am gravierendsten ist das Bauernhof-Sterben allerdings in der Steiermark, wo es besonders viele Mutterkuh-Betriebe gibt.

Der Trend zu größeren Betrieben hält an, obwohl die Landwirtschaft in Österreich nach wie vor klein strukturiert ist.

Wie groß sind die Betriebe?

Zum Vergleich: Hierzulande werden pro Betrieb 23 Milchkühe gehalten, in Deutschland sind es durchschnittlich 74. Agrarexperte Royer dazu: "Mit jedem Bauernhof, der schließt, verlieren wir einen eigenen Mikrokosmos. Wenn Land bewirtschaftet wird, Nutztiere gehalten oder Lebensmittel hergestellt werden, geht es um viel mehr als die reinen Rohstoffe: Es geht um die seit Generationen überlieferten Erfahrungen und Traditionen einer Region."

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"Mit jedem Bauernhof, der zusperrt, verlieren wir einen Mikrokosmos."

Was ist also zu tun? "Lebensmittel lassen sich fast nur mehr in großen Massen produzieren. Daran sind auch Konsumentinnen und Konsumenten mit schuld", sagt Royer.

"Kaufen, was gefordert wird"

Er appelliert: "Wir produzieren hochwertige Nahrung, die hat ihren Preis. Wir alle haben in der Hand, wofür wir unser Geld ausgeben." Alle fordern bio, nachhaltig und klimafreundlich, aber im Supermarkt werde es dann nicht gekauft. "Da haben wir eine riesige Lücke. Wenn Menschen das kaufen würden, was sie fordern, hätten wir wesentlich weniger Probleme."

Die Landwirtinnen und Landwirte in Österreich seien an jenem Punkt angelangt, an dem Idealismus zur Dummheit werde: "Wenn nicht ein massives Umdenken seitens der Konsumenten stattfindet, werden ganze Regionen wegbrechen. Junge Landwirte sind motiviert, aber sie müssen ihre Familien ernähren können. Sonst lassen sie es."

Porträt: Rund um die Uhr im Einsatz

Kürzlich war Familie Hölzl-Leitner eine Woche auf Urlaub. Was sich unspektakulär anhört, bedeutete für die Landwirte Maria und Michael eine Vorbereitungszeit von einem Jahr. "Es war alles so geplant, dass wir in dieser Zeit keine Abkalbungen hatten, dass nur wenige Eier auszufahren waren."

Keine Vertretung

"Wenn über eine 30-Stunden-Woche diskutiert wird, können wir nur lachen. Wir sind auf dem Hof rund um die Uhr gefordert, haben lange Arbeitstage, keine Vertretung im Krankheitsfall."

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Landwirtin Maria Hölzl-Leitner

Das seien für sie die größten Herausforderungen. Maria Hölzl-Leitner führt mit ihrem Mann in der Nähe von Bad Zell, OÖ, einen Milchvieh-Betrieb im Vollerwerb, den Biohof Bart.

Beide sind selbst auf einem Bauernhof aufgewachsen, haben dann studiert, um festzustellen: Sie wollen lieber Landwirte sein. Abgesehen vom eigenen Hof, bewirtschaften sie auch den Herkunftsbetrieb der 37-jährigen Hölzl-Leitner.

"Das Leben als Bäuerin hat nicht nur Nachteile: Wir sind immer auf dem Hof, wenn unsere Kinder mal krank sind, ist das kein Problem. Wir essen auch jeden Tag zu Mittag zusammen." Es sei alles eine Frage der Ansprüche.

Wichtig sei, sich alles professionell und ehrlich durchzurechnen: "Dafür haben wir schon während des Studiums die Landwirtschaftsschule besucht, damit alles auf sicheren Beinen steht."

Als weitere Herausforderungen in der Landwirtschaft nennt sie die Abhängigkeit von den Marktpreisen – "es gibt da sehr viele Schwankungen" – und das Wetter: "Es ist herausfordernd und wir wissen nicht, wie es weitergeht. Wenn wir zu wenig Wasser haben, können wir keine Weide für die Kühe betreiben."

Belastend seien auch die vielen Regularien: "Die treffen mich als kleinen Betrieb viel härter als die Großen."

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