Wer braucht noch Landwirte?

Wer braucht eigentlich noch Landwirte? Die Antwort ist klar: Jede und jeder. Nahrungsmittel sind von existenzieller Bedeutung. Und es ist nicht egal, woher sie kommen. Gerade der Ukrainekrieg hat uns vor Augen geführt, dass es nicht gut ist, wenn ein Land sich in existenziellen Fragen (Öl und Gas) von anderen abhängig macht. Dies gilt auch für Grundnahrungsmittel.
Österreich kann sich mit Getreide, Eiern, Hühner- und Schweinefleisch nur knapp selbst versorgen, bei Ölsaaten (Raps, Sonnenblume) schaffen wir nur 50 % Selbstversorgung, so wie bei Obst, Gemüse und Honig. Einzig bei Milch (170 %) und Rindfleisch (145 %) sind wir deutlich überversorgt. Europa verfügt über die Einmaligkeit einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Diese setzt für den EU-Binnenmarkt mit seinen 10 Mio. Landwirten gültige Regeln auf, von Pflanzen- über Tierschutz bis hin zu Gewässer- und Bodenschutz; sie wird daher auch als „Kitt“ der Union bezeichnet. Im Gegenzug dafür erhalten die Landwirte Unterstützung aus dem EU-Haushalt. Dieser wird von den Mitgliedern aber knapp gehalten. Weniger als 2 % der Steuergelder fließen nach Brüssel. 98 % verbrauchen die Mitgliedstaaten u. a. für Soziales, Pensionen, Gesundheit, Verwaltung.

Maximilian Hardegg
Die GAP hat stark an budgetärer Bedeutung verloren, aktuell gehen nur knapp 30 % des EU-Haushaltes dorthin. Das bedeutet umgerechnet, dass sie nur ca. 0,5 % der Steuergelder benötigt. Kein schlechtes „Geschäft“ also für die Konsumenten. Für wenig Steuergeld bekommen wir günstige Nahrungsmittel samt besten Standards. Diese geringe Staatsausgabe hat aber für die Landwirte eine sehr hohe existenzielle Bedeutung. Im Höchstkostenstandort Österreich ließe sich Nahrung sonst kaum mehr erzeugen. Aktuell wird in Brüssel über den neuen Finanzrahmen verhandelt, das Ergebnis wird auch für die neue GAP von großer Bedeutung sein. Ich hoffe, dass sich die Entscheidungsträger dabei maßgeblich von Pionierbetrieben leiten lassen und ein realistisches Zukunftsbild zeichnen mit wettbewerbsfähigen und zeitgemäßen Betrieben, welche sich dem Erhalt der Umwelt, der Artenvielfalt und dem Tierwohl widmen.
Wettbewerbsfähigkeit ist keine Frage der Größe, vielmehr des Standortes, des Betriebskonzeptes und des unternehmerischen Geschicks. Die Landwirtschaft ist nämlich eine Wirtschaftssparte, die sich durch über 90 % Familienbetriebe auszeichnet, wo wertvolle Eigenschaften wie Sparsamkeit, Dauerhaftigkeit und Denken in Generationen gelebt werden. Das ist nicht nur sehr wertvoll für eine Gesellschaft, sondern macht die Betriebe auch sehr robust.
Hier liegt die große Chance. Gelingt es der Kommission, Millionen Landwirte zu motivieren, Umweltleistungen freiwillig zu erbringen, wird Europa im Bereich Nachhaltigkeit einen großen Sprung nach vorne machen. Damit dies gelingt, muss den Betrieben Verantwortung übertragen werden – Motto: Ihr könnt das, ich unterstütze euch dabei. Dies kann große Kräfte freisetzen. Neben Zielen und Anreizen braucht es ein gut dotiertes Agrarbudget, auch seitens der Mitgliedstaaten. Und es muss gelingen, dass die Landwirte gemäß ihrer wertvollen Arbeit an der Wertschöpfungskette mitpartizipieren. Das liegt derzeit im Argen. Dafür brauchen wir die Gunst der Konsumenten, die so aktiv mithelfen, dass heimische Nahrungsmittelerzeugung erhalten bleibt.
Zum Autor:
Maximilian Hardegg studierte Agrarwissenschaften an der TU-München. Leitet seit über 30 Jahren den Familienbetrieb Gut Hardegg.
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