Agrana profitiert vom Onlinehandel

Johann Marihart, Vorstandsvorsitzender der Agrana Beteiligungs-AG.
Generaldirektor Johann Marihart baut die Produktion von Stärke aus. Denn die Nachfrage steigt.

Der österreichische Zucker-, Frucht- und Stärkekonzern Agrana bleibt auf Expansionskurs. Generaldirektor Johann Marihart rechnet mit einer steigenden Nachfrage nach Stärke. Im Lebensmittelbereich etwa wird Stärke, im Reinzustand ein weißes Pulver, als Verdickungsmittel genutzt.

KURIER: Die Agrana hat in den Ausbau der Stärkeproduktion investiert. Was ist der Grund dafür?

Johann Marihart: Stärke ist sowohl in der Nahrungsmittelindustrie als auch für technische Belange vielfältig verwendbar und daher nicht von einem Trend abhängig. Im Moment steigt die Nachfrage in der Papierindustrie. Heute werden die Produkte online bestellt und in Kartons verschickt. Der Recyling-Anteil der Verpackungen liegt etwa bei 80 Prozent. Man braucht viel Stärke, um aus dem Altpapieranteil wieder einen festen Karton zu machen. Der Stärkegehalt dieser Kartons liegt zwischen fünf und zehn Prozent. Wir profitieren also vom Onlinehandel.

Sie gehen also von einer steigenden Nachfrage nach Stärke aus.

Ja, sowohl bei technischer als auch bei Lebensmittelstärke.

Gibt es weitere Ausbaupläne?

Wir haben 82 Millionen Euro in den Ausbau der Maisstärkeerzeugung in Aschach (Oberösterreich, Anm.) investiert. In Bau ist eine Verdoppelung der Weizenstärkekapazität in Pischelsdorf (Niederösterreich) mit einem Investitionsvolumen von 92 Millionen Euro. Bereits Ende 2019 soll die neue Anlage in Betrieb gehen. Wir wollen dort jährlich zusätzlich 130.000 bis 140.000 Tonnen Weizenstärke erzeugen. Und auch zusätzlich 20.000 Tonen Weizengluten (Eiweiß) herstellen.

Das ist für die Backshops im Lebensmitteleinzelhandel interessant, die Weizengluten zum Backen benutzen.

Nicht nur für Backshops. Weizengluten werden auch für Fischfutter verwendet. Fischfutter muss Fett und Eiweiß enthalten und darf sich nicht im Wasser auflösen, weil sonst die Verschmutzung des Wassers zu hoch wird. Gluten werden auch für die Erzeugung von Tierfutter benötigt, etwa für Katzenfutter.

Die Einsatzmöglichkeiten für Stärke sind in der Öffentlichkeit kaum bekannt. Stärke wird ja auch für Gummibärchen verwendet.

Stärke ist das Verdickungsmittel im Lebensmittelbereich. Das gilt für Suppen und Soßen ebenso wie für Pudding oder Sirup. Ein Zuckerl besteht etwa zur Hälfte aus Zucker und zur Hälfte aus Stärkesirup. Wir produzieren auch Babynahrung für bekannte Marken.

Könnte das von der Agrana verarbeitete Getreide auch direkt für die Lebensmittelproduktion verwendet werden?

Wir verwenden keinen backfähigen Weizen mit einem hohen Glutengehalt. Qualitätsweizen mit einem Eiweißgehalt von 14 bis 15 Prozent wird für die Müllerei verwendet oder nach Italien für die Pastaproduktion exportiert. Wir verarbeiten Futterweizen mit einem Eiweisgehalt von 10 bis 11 Prozent. Dieser Weizen ist nicht backfähig und wird daher für die Tierfütterung genutzt. Die daraus gewonnen Gluten und die Stärke können dann allerdings für die Lebensmittelproduktion verwendet werden.

Die Bauern haben dadurch einen zusätzlichen Absatzmarkt für schlechtere Qualitäten. Im Regierungsübereinkommen kommt auch Biosprit vor. Dafür werden ja auch schlechtere Qualitäten verwendet.

Mit Biosprit ist Biodiesel und Bioethanol gemeint. Die EU hat beschlossen, dass Palmöl nicht mehr für Biodiesel verwendet werden darf. Unser Geschäft ist Bioethanol. Wir haben in Österreich seit 2007 eine Beimischung von fünf Prozent Bioethanol (E5, Anm.). Bisher waren vier Ministerien dafür zuständig. Daran ist die Anhebung der Beimischung auf zehn Prozent ( E10) bisher gescheitert. Wir könnten die notwendigen Mengen für E 10 morgen liefern. Wir haben die dafür notwendigen Kapazitäten in Pischelsdorf. Derzeit müssen über 50 Prozent der Bioethanol-Produktion exportiert werden.

Was würde das für die Umwelt bringen?

Das Bioethanol, das wir exportieren, spart verglichen mit Benzin 80 Prozent an Treibhausgasen. Wir verflüssigen das beim Produktionsprozess anfallende CO2 und lassen es nicht in die Atmosphäre entweichen. Man könnte jährlich ungefähr 200.000 Tonnen an CO2 Emissionen sparen indem man von E5 auf E10 umstellt. Dazu kommt, dass die Feinstaubemissionen durch E 10 um gut 20 Prozent sinken würden. E 10 ist ökonomisch und ökologisch sinnvoll. Elektroautos werden nicht so schnell die notwendigen positiven Effekte bringen.

So wie bei der Milch sind auch bei den Rüben die Preise nach dem Auslaufen der Produktionsquoten gefallen. Wie lange wird es dauern, bis sich der Rübenmarkt wieder erholt?

Beide Sektoren sind schwer vergleichbar. Die Milchproduktion kann man über die Fütterung der Kühe steuern. Man kann auch die Zahl der Kühe reduzieren oder Milch an Kälber verfüttern. Außerdem gab es ein EU-Hilfsprogramm für die Bauern. Daher sind die Milchpreise wieder gestiegen. Der Zucker wird kampagnenweise produziert und stark vom Weltmarktpreis beeinflusst. Unmittelbar kann man nur auf höhere Weltmarktpreise hoffen. Zwei Rekordernten hintereinander sind unwahrscheinlich. Im Herbst könnte es daher wieder eine Veränderung bei den Preisen geben.

Was hilft noch?

Auch ein höherer Benzinpreis hilft. Dann sind die Ölgesellschaften bereit, dem Benzin mehr Alkohol beizumischen und ein höherer Anteil der Zuckerrohrproduktion in Brasilien wird für die Alkoholproduktion verwendet. Außerdem steigt weltweit der jährliche Zuckerverbrauch etwa um dieselbe Menge, die nun in der Europäischen Union zusätzlich produziert wird.

Agrana steigert Umsatz

Die Agrana beschäftigt rund 8600 Mitarbeiter an 56 Standorten. Zuletzt betrug der Jahresumsatz 2,56 Mrd. Euro. Johann Marihart studierte Technische Chemie an der TU Wien. Seit 1988 ist der Dipl. Ing. Mitglied des Vorstandes und seit 1992 dessen Vorsitzender und Generaldirektor.

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