Aggressiver Überflieger Uber auf Crash-Kurs

Schwierige Persönlichkeit: Uber-Gründer Travis Kalanick
Führungskrise: Wie sich die private Taxi-Konkurrenz aus den USA selbst ein Bein stellt.

Seit sich Travis Kalanick 2009 zur Aufgabe machte, weltweit die Taxi-Branche von der Fahrbahn zu schubsen, hat sich der aus Los Angeles stammende Unternehmer finanziell öffentlich nie in die Karten gucken lassen.

Uber, sein privates "Baby", machte sich abseits aller Börsennotierungen und gegen Widerstände von Justiz, Behörden und Mitbewerbern in heute mehr als 75 Ländern breit. Tausende Autobesitzer erzielen als Privat-Chauffeure unter Uber-Kennung ihr Einkommen. Und der 40-jährige Informatiker ist die bewunderte wie angefeindete Führungsfigur des mittlerweile mit 70 Milliarden Dollar am höchsten bewerteten Start-ups der Welt.

Erfolgsserie gerissen

Reihenweise Skandale, in die der oft unbeherrscht und rabaukenhaft agierende Kalanick nicht selten selbst verwickelt ist, haben Uber aber auf einen abschüssigen Kurs gebracht. Tausende Kunden haben die blassblaue Uber-App auf ihrem Smartphone aus Protest gelöscht. Analysten und Investmentbanker halten den rasant gewachsenen Konzern aus Kalifornien für schlecht bis miserabel geführt. In US-Medien sorgt Uber, das sich kürzlich Geld vom deutschen Springer-Verlag holte und die beratenden Dienste von Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann in Anspruch nimmt, vorwiegend für Negativ-Schlagzeilen.

Zeit für eine Kurskorrektur, dachte sich Kalanick wohl und schickte kurz vor Ostern Rachel Holt an die Front. Gegenüber der Wirtschafts-Agentur Bloomberg gab die Managerin zum ersten Mal einen kurzen Einblick in die Bücher. Das Ergebnis: Mit 20 Milliarden Dollar hat Uber sein Bestellvolumen bei vermittelten Fahrten 2016 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt. Die Botschaft: Wir sind gesund und auf Expansionskurs. Die schlechte Nachricht: Mit 2,8 Milliarden Dollar fiel der Verlust, hauptsächlich ausgelöst durch schlechte Geschäfte in China, gigantisch aus.

Bedeutsamer als die nackten Zahlen war jedoch eine unverfängliche daherkommende Formulierung Holts, die das Breitband-Dilemma beschreibt, in dem sich Uber befindet. Demnach geben die Umsätze "Spielraum für Veränderungen an der Unternehmensspitze sowie für einen Wandel unserer Kultur, unserer Organisation und unserer Beziehungen zu den Fahrern". Mit anderen Worten: Uber muss sich komplett neu erfinden. Sonst fährt das Unternehmen, das im Besitz von über 40 Millionen Kunden-Daten ist, irgendwann gegen die Wand.

Manager-Schwund

Indizien für einen Crashkurs gab zuletzt am laufenden Band. Fast ein Dutzend Top-Funktionäre, darunter Kommunikationschefin Rachel Whetstone und Konzern-Präsident Jeff Jones, verließen das Unternehmen; auch aus Verärgerung über Boss Kalanick und dessen Führungsstil. Der hatte sich und der Marke Uber im März einen Bärendienst erwiesen. Er beschimpfte – als normaler Passagier – einen Uber-Fahrer unflätig, der sich über umsatzsenkende Regularien beschwert hatte. Der Ausraster wurde von einer Videokamera festgehalten, geriet über das Internet in Umlauf und offenbarte vor einem Millionen-Publikum das, was Kalanick seit Anfang an begleitet: mangelnde Führungsqualität. Um der Peinlichkeit Herr zu werden, streute sich der Sohn eines Ingenieurs und einer Anzeigenverkäuferin öffentlich Asche aufs Haupt – und verkündete die Suche nach einem Geschäftsführer, der die Firma neu aufstellt.

Aber auch im Kerngeschäft stiegen alsbald Fäulnis-Gerüche auf. Googles Mutterkonzern Alphabet zog Uber vor den Kadi, weil Kalanicks Ingenieure von dem Google-Ableger Waymo das Wissen um technische Innereien für selbstfahrende Robotertaxis gestohlen haben sollen. Um den Mitbewerber Lyft in Schach zu halten, bediente sich Uber bis 2016 einer Software namens "Hölle", die Fahrer des Konkurrenten mit perfiden Methoden bespitzelte und behinderte.

Zuletzt flog auf, dass Uber mit Reizen aus der Verhaltensforschung und Spiele-Industrie hantiert, um Fahrer zu einem selbstausbeuterischen Arbeitsstil zu verleiten. Wie? Indem sinngemäß Botschaften wie Weitermachen-sonst-Bonus-futsch auf dem Navi-Bildschirm erscheinen, wenn sich ein Chauffeur von der Schicht abmelden möchte.

Robotaxis auf Eis gelegt

Die heikelste Baustelle, die Kalanick aufgerissen hat, ist die perspektivisch wichtigste. Nach einem Unfall mit einem selbstfahrenden Auto in Arizona musste Uber die in mehreren US-Städten laufende Experimentierphase mit Robotaxis auf Eis legen. Für Travis Kalanick ist das Projekt wie für viele Mitbewerber das goldene Kalb für die nächsten Jahrzehnte.

In Deutschland hat sich Kalanick den 18. Mai rot im Kalender angestrichen. Dann wird ein Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs (BGH) erwartet. Es geht um die Frage, unter welchen Bedingungen Uber via Smartphone-App Mietwagen plus Fahrer überhaupt vermitteln darf. Geklagt hatte ein Taxiunternehmer. Und auch in Wien muss Uber einen Rückschlag hinnehmen. Die Stadt hat die Regulierung für Mietwagen so verschärft, dass das Geschäft für Uber-Fahrer unattraktiver wird. Die Neuregelung tritt 2018 in Kraft.

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