Acht Monate bis zur Staatspleite?

Der Hang zur Dramatik ist ihr geblieben: Laut Maria Fekter droht Österreich ein US-artiges Fiasko.
Gibt es bis Mai oder Juni 2014 keine handlungsfähige Regierung, wäre Österreich in der Bredouille.

Denn sie wissen nicht, was sie tun. Der Filmklassiker mit James Dean (1955) liefert die passende Szene zum Irrwitz, der die USA derzeit an den Rand des Absturzes bringt. Zwei Halbstarke rasen auf die Klippe zu: Wer ist der größere Draufgänger? Zur Katastrophe führt eine Kleinigkeit: Buzz will sich aus dem Auto werfen, bleibt hängen – und stürzt ab. Eine Staatspleite haben auch die „Halbstarken“ der Republikaner und Demokraten nicht eingeplant. Sie könnte aber „passieren“.

Wirtschaftlich gesehen wäre das völlig verrückt: Die USA sind keineswegs zahlungsunfähig. Anders als Griechenland und Co. erhalten sie jederzeit Kredite – sogar so günstig wie nie. Schuld wäre ausschließlich politisches Hasardieren. Für die Finanzmärkte macht das aber keinen Unterschied: Zahlungsausfall ist Zahlungsausfall, Pleite ist Pleite. Dass es dann rundginge, daran zweifeln wenige Experten. US-Staatsschuldpapiere galten als eine Art globaler Standard für risikofreie Papiere. Wer sie kauft, verzichtet auf hohe Zinsen, setzt dafür auf Sicherheit. Wenn das nicht mehr gilt, was gilt dann überhaupt noch? Ein Lehman-Schock zum Quadrat.

„Fallbeil“ im Budget

Zu allem Überdruss warnte nun Finanzministerin Maria Fekter vor „amerikanischen Verhältnissen“. Droht Österreich Mitte 2014 tatsächlich ein ähnliches Fiasko? Der sachliche Hintergrund: Die Regierung müsste bis 22. Oktober den Entwurf für das Budget 2014 vorlegen. Wegen der Wahl und den laufenden Regierungsverhandlungen wird das wohl nicht passieren – dann tritt automatisch ein Provisorium in Kraft.

Dafür gelten mit dem neuen Haushaltsrecht aber neue Regeln. Früher durfte die Regierung (grob gesagt) Monat für Monat dasselbe ausgeben wie im Vorjahr. Jetzt dürfen nur halb so viele Schulden wie im gesamten Vorjahr aufgenommen werden. Weil im Frühjahr aber viele Zahlungen anfallen, wäre das Ende der Fahnenstange wohl vor Jahresmitte erreicht. Bis Mai oder Juni 2014 muss das neue Budgetgesetz beschlossen sein, damit Österreich in keine Zahlungsschwierigkeiten gerät. Sonst kommt das „Fallbeil“ des Provisoriums, heißt es in Unterlagen des Finanzministeriums.

Fazit: Sollte die Republik in acht Monaten keine handlungsfähige Regierung haben, drohen Probleme wie in den USA. Kein realistisches Szenario – findet auch Alois Strasser, führender Österreich-Analyst bei der Ratingagentur Standard & Poor’s.

Fekter gibt aber vor, ganz sicher gehen zu wollen. Anstelle des automatischen Provisoriums soll extra ein Übergangsbudget beschlossen werden. Damit wäre das „Fallbeil“ entschärft. Mit einem Budget – und sei es nur für ein Jahr – müsste sich die (in Haushaltsfragen weniger restriktive) SPÖ aber in die Karten schauen lassen und Budget-Schwerpunkte jetzt schon festlegen. Ein klarer Nachteil im Koalitionspoker.

Wäre es aber nicht generell eine gute Idee, wenn Österreich eine richtige Verschuldungsobergrenze wie die USA hätte? Dort ist bei 16.700 Milliarden US-Dollar (12.300 Mrd. Euro) Schluss. Bei uns summierten sich die Staatsverbindlichkeiten Ende 2012 auf 227,2 Milliarden Euro. Experten schlagen bei dieser Idee die Hände über dem Kopf zusammen. Die „debt ceiling“ der USA war 1917 als Mittel zur Verwaltungsvereinfachung gedacht: Bis dahin musste der Kongress jeden Kredit, den der Staat aufnahm, einzeln bewilligen – die Obergrenze wirkte dann wie ein „Beschluss auf Vorrat“ und räumte mehr Spielraum ein.

Die US-Schuldengrenze lässt aber das Wirtschaftswachstum und die Inflation völlig außer Acht. Ihre Anhebung war in den USA somit schon zum Politritual verkommen – es sei denn, sie wird für absurde Vorhaben gekapert: wie den Plan ultrakonservativer Republikaner, mit diesem Hebel die Gesundheitsreform von Präsident Obama zu kippen.

Keine starren Ziele

Acht Monate bis zur Staatspleite?
Margit Schratzenstaller,Wifo
Auch ohne „Tea-Party-Bewegung“ sollte sich Österreich dergleichen ersparen. „Die hiesigen Regelungen sind sicherlich intelligenter“, sagt WIFO-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller (Bild). Österreich hat nämlich eine Art Selbstbeschränkung mit dem mehrjährigen Finanzrahmen: Dieser hat aktuell die Haushaltsobergrenzen bis 2016 festgesetzt. Diese dürfen auch Budgetprovisorien nicht überschreiten.

Europaweit war zwar der Vertrag von Maastricht mit seinen starren Grenzen – Schulden nicht höher als 60 Prozent der Wirtschaftsleistung, Defizit maximal 3 Prozent – ein Reinfall. Der neue EU-Fiskalpakt (mit der „Schuldenbremse“ in Österreich) ist eine intelligente Ergänzung: Künftig sind nur –0,5 Prozent Defizit erlaubt. Dabei wird aber auf das Auf und Ab der Wirtschaftszyklen Rücksicht genommen. So sollen auch die Schulden langfristig wieder sinken.

KURIER: Maria Fekter hat gewarnt, dass Österreich "amerikanische Verhältnisse" drohen könnten - bis hin zu einem Zahlungsausfall. Halten Sie für realistisch, dass Österreich bis Mai oder Juni 2014 noch keine handlungsfähige Regierung hat?

Alois Strasser: Das würden wir anhand der Erfahrungen aus der Vergangenheit als nicht sehr realistisch ansehen. Wir sehen vielmehr die Chance, dass eine geschäftsführende Regierung – womit die Vorgängerregierung üblicherweise betraut wird- ein Budget präsentieren wird, das auch vom Parlament genehmigt werden kann. Politische Entscheidungen werden damit der nächsten Regierung überlassen, aber zumindest das "business as usual" würde geregelt. So gesehen wäre es daher leichter, ein reguläres Budget zu beschließen als ein Provisorium, weil das restriktiver bei den Ausgaben ausfallen müsste.

KURIER: Was wäre, wenn tatsächlich der Fall des Falles eintritt?
Strasser: Klar ist: Einen Zahlungsausfall wollen wir bei einem AA+-Land nicht sehen und erwarten das auch nicht. Was das Budget betrifft, vertrauen wir drauf, dass auch die nächste Regierung die bereits festgelegten Budgetobergrenzen bis 2016 einhält und entsprechende Maßnahmen ergreift.

KURIER: Im Wahlkampf hatte man nicht unbedingt diesen Eindruck...
Strasser: Wahlkämpfe sehen immer anders aus als der tatsächliche Regierungskurs hinterher.

KURIER: Ist Österreich bei seinen Sparzielen überhaupt noch auf Kurs?
Strasser: Wir glauben, dass Österreich ziemlich auf Kurs ist. Die Rekapitalisierung von KA Finanz (Abwicklungsbank der Kommunalkredit) und Hypo Alpe Adria war im Budgetplan vorgesehen. Solange dort keine weiteren Zahlungsverpflichtungen entstehen, dürfte kaum ein höheres Defizit anfallen. Sollte die Finanztransaktionssteuer, die ab 2014 mit 500 Millionen Euro eingeplant ist, ausfallen, müsste entsprechend korrigiert und durch andere Einnahmen oder Einsparungen gegengesteuert werden.

KURIER: Wie sinnvoll sind eigentlich der europäische Fiskalpakt und die heimische Schuldenbremse?
Strasser: Alle diese Regeln sind gut, solange man sich daran hält. Das war in der Vergangenheit mit dem Vertrag von Maastricht nicht immer der Fall, wie wir wissen.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) legt sich nur selten mit den USA an, schließlich hat das Land im Fonds ein gewichtiges Wort mitzureden. Wenn es um die globale Stabilität der Finanzen geht, wird schon mal eine Ausnahme gemacht. Mit ungewohnt klaren Worten wird im aktuellen Finanzstabilitätsbericht des IWF die Geldpolitik der US-Notenbank kritisiert. Die Federal Reserve (Fed) müsse ihren langsamen Abschied von der Politik der extremen Niedrigzinsen „klar und zeitlich angepasst“ kommunizieren und an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen knüpfen. Sonst könne es vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten kommen.

Weil laut geäußerte Überlegungen der Fed, ihre laufenden Anleihekäufe einzuschränken, seit dem vergangenen Mai zu einem deutlichen Abfluss von Kapital aus den aufstrebenden Ländern geführt hätten, herrsche die Gefahr von Liquiditätsengpässen. Um Zinsen zu drücken und Investitionen zu erleichtern, kauft die Fed derzeit monatlich für 85 Milliarden Dollar (62,6 Mrd. Euro) Staatsanleihen und Immobilienpapiere. Zudem hält sie den Leitzins seit Ende 2008 zwischen 0 und 0,25 Prozent. Positiv bewertet der Bericht die Eurozone. Umgesetzte Reformen und wichtige Schritte zur verbesserten Architektur der Währungsunion hätten sowohl den Staatshaushalten als auch den Banken viel Druck genommen.

Seit Wochen ist sonnenklar: Für 2014 gibt es noch kein Budget. Letzte Frist für den Startschuss zum Beschluss ist der 22. Oktober. Es sprach und spricht null dafür, dass bis dahin feststeht, wer das Budget künftig als Finanzminister zu verantworten hat. Es sprach und spricht auch null dafür, dass sich Rot und Schwarz bis dahin auf einen neuen Koalitionsvertrag inklusive neuer Haushalts-Rechnung einigen.

Bleibt also das handelsübliche „Budgetprovisorium“, eine – auch im neuen Haushaltsrecht mögliche – Fortschreibung des Budget 2013 bis das neue steht. „Für ein paar Monate ist das kein Problem “, analysierte meine Kollegin Daniela Kittner schon vor der Wahl im KURIER.

Was macht die amtierende Finanzministerin eine Woche nach der Wahl? Sie tut kund: Nix automatisches Provisorium, sie will dieses mit Getöse im Parlament absichern. Andernfalls „könnte es zu amerikanischen Verhältnissen kommen“. Ein doppelter Schuss in den Ofen: In Zeiten, in denen US-Präsident und Kongress um die Verhinderung des Staatsbankrotts ringen, ist das A-Wort („amerikanische Verhältnisse“) ein Spiel mit dem Feuer. Und eine offene Einladung, höhere Zinsen für die Staatsschulden zu verlangen. Fekter wusste zudem, dass die SPÖ ihr Manöver nicht mitträgt.

Der fahrlässig falsche Pleite-Alarm ist der letzte Höhepunkt einer Serie von schweren Fehlleistungen. Fekters Tage im Finanzressort waren schon davor gezählt.

„Finance ist etwas anderes als Kieberei“, sagte sie, als sie 2011 vom Polizei- ins Finanzressort wechselte – und gelobte, ihren „deftigen“ Ton zu mäßigen.

Zwei Jahre danach stellt sich die Frage, was sie nach dem jüngsten Alleingang für den Verbleib in der Regierung, in welchem Minister-Job auch immer, qualifiziert.

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