Abgasskandal: VW-Manager weiter im Visier der Ermittler

VW erleidet mit 1,4 Milliarden Euro den größten Verlust in der Geschichte.
VW-Konzern muss nach Einigung mit US-Behörden 20,27 Milliarden Euro zahlen. Sechs VW-Manager werden in den USA angeklagt. Die Details lesen Sie hier.

Mit Platzen des Abgasskandals bei Dieselfahrzeugen Mitte September 2015 war die Aktie des VW-Konzerns in den Keller gerasselt. Sie durchschlug deutlich die 100-Euro-Marke. Mitte März 2015 lag der Kurs noch bei 257 Euro.

Die Erholung nach dem Absturz lief nur auf niedrigen Drehzahlen, am Mittwoch legte die Aktie um 2,23 Prozent auf 150 Euro zu. Denn: VW konnte mit einer "guten" Nachricht aufwarten. Der Wolfsburger Autobauer hat sich mit der US-Justiz in Sachen Abgasbetrug auf eine Strafzahlung in Höhe von umgerechnet 4,1 Milliarden Euro in geeinigt.

Sechs VW-Manager werden laut dem amerikanischen Justizministerium DOJ in den USA angeklagt: Heinz-Jakob Neusser, Jens Hadler, Richard Dorenkamp, Berndt Gottweis, Oliver Schmidt und Jürgen Peter. Sie waren bzw. sind unter anderem in den Bereichen Motorenentwicklung, Qualitätsmanagement und Produktsicherheit bei VW leitend tätig.

Der VW-Aufsichtsrat muss dem Deal aber noch zustimmen. Dazu kommen jene 16,17 Milliarden Euro, die als Bußgeld an die US-Umweltbehörden EPA und CARB gezahlt sowie für den Rückkauf von 475.000 Dieselfahrzeugen in den USA aufgebracht werden müssen.

Mehr erwartet

Dabei hatte VW-Manager Oliver Schmidt sogar damit gerechnet, dass alleine das Bußgeld der EPA zwischen 17,5 und 21,3 Milliarden Euro ausfallen wird. Und Schmidt, seit Herbst 2015 Vize-Chef der Motorenentwicklung in Wolfsburg, wusste, welche rechtliche Lawine auf VW zurollte. Führte doch er die Dieselgate-Gespräche mit den US-Umweltbehörden. Laut der 17 Seiten starken Anklage, die dem KURIER vorliegt, soll Oliver Schmidt versucht haben, diese hinters Licht zu führen, indem die illegal eingebaute Abgasabschalt-Vorrichtung nicht offengelegt wurde.

"Smoking Gun"

Am vergangenen Wochenende hat ihn das FBI im Urlaub in Florida verhaftet. Die US-Bundespolizei hat nicht nur drei Kronzeugen aus dem VW-Konzern an der Hand, wie den geständigen Ex-Manager James Liang, sondern auch in den eMails von Oliver S. eine sogenannte Smoking Gun, sprich einen eindeutigen Beweis, gefunden.

Drei Kronzeugen

"Zuerst sollte entschieden werden, ob wir ehrlich sind", schrieb der VW-Manager laut Anklage bereits im April 2014 an Kollegen. "Sind wir nicht ehrlich sind, bleibt alles wie es ist." In einem weiteren eMail schrieb S., dass ein bestimmter VW-Kollege zu den Gesprächen mit den US-Umweltbehörden nicht mitkommen sollte, damit dieser "nicht bewusst lügen muss". Der ist nun einer der Kronzeugen des FBI.

Über die Enthaftung von Oliver S., der zu den sechs VW-Managern zählt, die in den USA angeklagt werden, soll heute entschieden werden.

Die Detail des Deals mit den US-Behörden

"Die getroffenen Vereinbarungen umfassen vier Vergleiche, darunter auch ein sogenanntes Plea Agreement mit dem US-Justizministerium", heißt es in einer VW-Stelungnahme. "Dieses geht einher mit der Veröffentlichung eines sogenannten Statement of Facts, das die gewonnenen Erkenntnisse und Fakten über die Entstehung und Entwicklung der Dieselverfehlungen wiedergibt. Der Aufsichtsrat hat die Kanzlei Jones Day beauftragt, dem US-Justizministerium vollumfänglich Zugang zu den Erkenntnissen zu gewähren, die im Rahmen der unabhängigen Untersuchung gewonnen wurden."

Schuldanerkenntnis

Das Statement of Facts baut laut VW sowohl auf der umfangreichen Arbeit von Jones Day auf, als auch auf Beweismaterial, das vom US-Justizministerium erhoben wurde. Als Teil des Vergleichs (Plea Agreement) mit dem US-Justizministerium hat die Volkswagen AG einem Schuldanerkenntnis (Guilty Plea) im Hinblick auf drei nach US-amerikanischem Recht strafbaren Handlungen zugestimmt.

"Der Vergleich, der der gerichtlichen Genehmigung auf Bundesebene bedarf, enthält Bestimmungen zur Leistung einer Strafzahlung in Höhe von 2,8 Milliarden US-Dollar sowie zur Bestellung eines unabhängigen Monitors für die kommenden drei Jahre", heißt es dazu weiter. "Dieser Monitor hat die Aufgabe, die Erfüllung der im Vergleich dargelegten Bedingungen seitens Volkswagen zu bewerten und zu beaufsichtigen. Zu diesen Bedingungen zählen auch Maßnahmen zur weiteren Stärkung der Compliance und der Berichts- und Kontrollsysteme bei Volkswagen sowie die Implementierung eines erweiterten Programms für ethisches Verhalten."

Zivilrechtliche Ansprüche

Volkswagen habe darüber hinaus einer kombinierten Strafzahlung in Höhe von 1,45 Milliarden US-Dollar zugestimmt, um Umweltschutzklagen des Bundes sowie Zoll-bezogene zivilrechtliche Ansprüche in den USA beizulegen. Des Weiteren hat sich Volkswagen zu einer separaten Zivilstrafe in Höhe von 50 Millionen US-Dollar an die zivilrechtliche Abteilung (Civil Department) des US-Justizministeriums bereit erklärt, um potenzielle Ansprüche beizulegen, die im Rahmen des Financial Institutions Reform, Recovery and Enforcement Act (FIRREA) geltend gemacht werden.

Haftung zurückgewiesen

Volkswagen weist die Haftung in der letzteren Sache sowie entsprechende Ansprüche ausdrücklich zurück, hat einem Vergleich jedoch zugestimmt, um die Unsicherheit und den Aufwand einer langwierigen rechtlichen Auseinandersetzung zu vermeiden.

Kooperation mit Ermittlern

"Gemäß ihren Bedingungen stellen die heute bekanntgegebenen Vereinbarungen eine Lösung für Volkswagens Verpflichtungen nach US-Recht dar und sind nicht darauf ausgerichtet, die Verpflichtungen von Volkswagen, sofern sie bestehen, im Rahmen der Gesetze oder Bestimmungen eines Rechtssystems außerhalb der USA zu adressieren", erklärt der Wolfsburger Konzern. "Volkswagen kooperiert weiterhin vollumfänglich mit dem US-Justizministerium in Bezug auf Handlungen von Individuen sowie mit den Staatsanwaltschaften in Braunschweig und München im Hinblick auf die dort laufenden Ermittlungen." Nachsatz: "Um Vorverurteilungen zu vermeiden und die noch laufenden Untersuchungen nicht zu behindern, wird das Unternehmen zum Statement of Facts oder zu den Erkenntnissen aus der Arbeit von Jones Day nicht weiter Stellung nehmen."

Andere Länder

Auch Südkorea hat sechs örtliche (Ex-)VW-Manager wegen Luftverschmutzung angeklagt. Hingegen wird in Frankreich, Spanien, Belgien und Deutschland nach wie vor gegen diverse VW-Manager ermittelt. Mit einer Ausnahme: Österreich hat die Betrugsermittlungen gegen VW-Manager an die Staatsanwaltschaft Braunschweig abgetreten.

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