67.000 offene Stellen: Wo jetzt Mitarbeiter gesucht werden
Die Arbeitslosigkeit steigt heuer um ca. 100.000 Menschen und wird 2021 – je nach Verlauf der Pandemie – nur leicht zurückgehen. Hat es da überhaupt einen Sinn, sich zu bewerben? Durchaus, zeigt ein Blick auf die offenen Stellen.
Der Personalabbau findet nämlich bei weitem nicht in allen Branchen statt. Schon gar nicht dort, wo es ohnehin seit Jahren schon zu wenige Fachkräfte gibt. In der IT- und Software-Branche, bei Pflege- und Gesundheitsberufen, im Controlling sowie im traditionellen Handwerk, etwa bei Installateuren, Tischlereien oder Dachdeckern.
Die Logik dahinter: Nur weil in einer Branche gerade mehr Personal abgebaut wird, gibt es in der anderen noch lange nicht mehr Bewerber. „Viele Menschen glauben, wenn die Arbeitslosigkeit hoch ist, brauche ich gar keinen Job mehr zu suchen, weil eh niemand mehr eingestellt wird. Aber das stimmt ganz einfach nicht“, sagt AMS-Vorstand Johannes Kopf und verweist auf die hohe Dynamik am Arbeitsmarkt.
Die meisten Neueinstellungen gebe es gar nicht wegen der Konjunktur, sondern „weil täglich Menschen in Pension oder Karenz gehen, die Firma wechseln oder Betriebe neu aufsperren oder wachsen“, erläutert Kopf. Selbst im schwer gebeutelten Tourismus wird täglich Personal rekrutiert. „Der Arbeitsmarkt ist nichts Statisches, sondern immer in Bewegung.“
67.000 offene Stellen
Ende September waren beim AMS gut 67.000 offene Stellen ausgeschrieben, um fast ein Fünftel weniger als vor einem Jahr. Wenig überraschend rekrutieren auch jetzt die größten „Personalbranchen“ Zeitarbeit, Handel und Bau am stärksten. Die große Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft fördert die Kurzzeitbeschäftigung durch temporäre Beschäftigung. Leiharbeiter sind die Ersten, die bei Wirtschaftseinbrüchen abgebaut werden, aber auch wieder die ersten, die eingestellt werden.
„Corona-Jobs“
Pandemie-bedingt sind neue, meist befristete, Jobs entstanden, die es zuvor noch gar nicht gegeben hat. So hat der öffentliche Dienst derzeit Tausende Jobs zu besetzen. Gesucht werden „Contact-Tracer“ ebenso wie Erzieher und Nachmittags-Pädagogen. In der Pharma- und Gesundheitsbranche werden vor allem Laborkräfte für die Covid-Tests rekrutiert. Die viele Bürokratie rund um die staatlichen Corona-Hilfspakete mag auch dazu geführt haben, dass viele Betriebe jetzt im Rechnungswesen und Controlling nachrüsten.
Wegen des boomenden Online-Handels werden mehr Lager(hilfs)arbeiter, Lagerlogistiker, Kommissionierer oder Staplerfahrer eingestellt. Hohe Nachfrage bei zugleich hoher Fluktuation gibt es auch bei den Paket- und Botendiensten.
63 Mangelberufe
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie des Linzer market-Instituts tun sich 51 Prozent der befragten Betriebe „schwer“ oder „eher schwer“, passende Fachkräfte zu finden. Immerhin 63 Berufe stehen auf der aktuellen Mängelberufsliste des AMS. Das heißt, es gibt mehr offene Stellen als vorgemerkte Arbeitslose. Das betrifft etwa Handwerks- und Bauberufe wie Dachdecker, Spengler oder Tischler, aber auch Heizungs- und Klimatechniker.
Entspannt hat sich der Fachkräftemangel in der Metallerbranche sowie bei den Tourismusberufen. Waren im Vorjahr Köche noch ganz oben auf der Mangelliste, so standen Ende September 7.100 arbeitslose Köche rund 1.000 offenen Stellen gegenüber. „Der Koch ist derzeit definitiv kein Mangelberuf mehr“, sagt Kopf. Für die kommende Wintersaison gebe es aber noch Hoffnung, denn die Lage könne sich rasch drehen. „Wenn die Infektionszahlen sinken und Reisewarnungen aufgehoben werden, kommen die Menschen wieder zum Skifahren. Dann steigt im November die Personalsuche sprunghaft an“, glaubt Kopf. Da viele ausländische Saisonkräfte heuer ausbleiben, wären auch schnell wieder Engpässe möglich.
Viele Wechselwillige
Zudem gibt es in einer Krise immer viele Wechselwillige, die sich von ihrem Arbeitgeber nicht gut behandelt fühlen. „Es stimmt nicht, dass die gesamte Belegschaft jetzt auf ihren Jobs verharrt, es gibt eine große Wechselbereitschaft“, bestätigt Georg Konjovic, Chef von Österreichs größtem Karriereportal karriere.at. Besonders gefragte Fachkräfte in der IT-Branche würden sich verstärkt umsehen. Firmen müssten daher die Chance nutzen, sie auch aktiv anzusprechen (siehe Artikel unten). Die Krise habe den Kampf um die besten Köpfe eher ver- als entschärft. Das bestätigt auch Erich Pichorner, Chef der Squadra Personalmanagement GmbH. „Viele Bewerber aus einer bestehenden Beschäftigung sind etwas kritischer geworden und wollen vor allem in krisenfeste Branchen wechseln.“
Der IT-Nachfrageboom werde auch die Corona-Krise überdauern, sind die Experten überzeugt. Aber Achtung: Bewerber berichten, dass offene Stellen nicht immer auch sofort besetzt werden. Manche Groß-Betriebe warten mit der Einstellung ab und legen sich jetzt Kandidatenpools für die Zeit nach der Krise an.
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