Lieber daheim statt im Heim

Pflege
Aus dem ehemaligen Schwarzmarkt entwickelte sich ein boomender Wirtschaftszweig.

Spätestens, wenn Oma oder Opa aus dem Krankenhaus entlassen wird, stellt sich die entscheidende Frage: „Pflege daheim oder im Heim?“ Nach einem Schlaganfall oder bei nachlassender Mobilität sind Angehörige mit der Betreuung oft überfordert und suchen fremde Unterstützung. Wenn ständige Anwesenheit erforderlich ist, gibt es seit nunmehr fünf Jahren die Möglichkeit der 24-Stunden-Betreuung.

Aus dem ehemaligen Schwarzmarkt hat sich inzwischen ein boomender, aber extrem unübersichtlicher Wirtschaftszweig entwickelt. Schon 40.000 selbstständige Personenbetreuer zählt die Wirtschaftskammer als Mitglieder. Fast alle sind weiblich und kommen aus den osteuropäischen Nachbarländern, die meisten davon aus der Slowakei und Ungarn. Maria Adamkovicova, Leiterin der Personalauswahl beim Dienstleister gutbetreut.at erklärt, warum: „Eine diplomierte Krankenschwester mit vielen Nachtdiensten verdient in der Slowakei nach drei Dienstjahren 666 Euro im Monat. In Österreich verdienen sie in zwei Wochen 700 Euro aufwärts“. Die 24-Stunden-Betreuung erfolgt jeweils im 14-Tage-Rhythmus, den sich zwei Betreuungskräfte teilen. „Die restlichen zwei Wochen können sie sich voll und ganz um ihre Familien daheim kümmern.“

Auch wenn die Pflegerinnen selbstständig auf Werkvertragsbasis arbeiten, sind die meisten von ihnen an Agenturen bzw. Vereine gebunden, die sie an die Haushalte weitervermitteln. Die Angebotsvielfalt ist groß und steigt ständig. Rund 70 Vermittlungsagenturen gibt es in Österreich, weitere 100 sollen vom benachbarten Ausland aus agieren. Eine genaue Zahl kennt niemand. Die Palette reicht von einzelnen Krankenpflegerinnen, über Pflegeheime, sozialen Vereinen bis zu Hilfsorganisationen wie Caritas, Volkshilfe oder Hilfswerk. Allein das Hilfswerk verfügt über rund 1000 Personenbetreuerinnen. „Wir machen kein Marketing für diesen Bereich, aber der Bedarf wächst“, sagt Walter Marschitz vom Hilfswerk Österreich. Die 24-Stunden-Pflege ist dort eine eigene GmbH. Auf die Hilfsorganisationen entfällt rund zehn Prozent des Marktes.

Dumping

Was seriösen Anbietern zu schaffen macht, sind schwarze Schafe, die zu Dumpingpreisen Personal anbieten bzw. Geld nicht an die Betreuerinnen weitergeben. So sollen etwa Rumäninnen von einigen Agenturen nur rund 20 Euro pro Tag erhalten. „Das ist nichts anderes als Ausbeutung, die entschieden bekämpft werden muss“, sagt Heinz Würländer von Seniorenhilfe Wien, zugleich Branchensprecher der Personenbetreuung in der Wirtschaftskammer. Probleme gebe es auch mit Knebelverträgen, mit denen Agenturen Personal an sich binden. Berichtet wird auch von „Abzockern“, die sowohl von den Betreuerinnen als auch von den Familien überhöhte Gebühren verlangen.

Um den Wildwuchs an Anbietern einzudämmen, will die Wirtschaftskammer im nächsten Jahr mit einem eigenen Gütesiegel Qualitätsstandards für Agenturen einführen, die laufend überprüft werden sollen. „Der Markt ist noch sehr jung, da gibt es jede Menge Regulierungsbedarf“, erklärt Würländer. Eines sei mit der 24-Stunden-Betreuung jedenfalls gelungen: „Die Pflege wurde leistbarer, und der Anreiz zur Illegalität ist nicht mehr sonderlich hoch.“

VKI: Erhebliche Unterschiede bei Preis und Leistung

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) verglich Anfang des Jahres die Dienstleistungen von 45 Anbietern und stellte dabei erhebliche Preis- und Leistungsunterschiede fest. So kosteten die Betreuer je nach Anforderung zwischen 40 und 115 Euro pro Tag, auch bei den Vermittlungsgebühren gab es eine riesige Bandbreite. „Jeder Pflegefall ist individuell. Wichtig für die Betroffenen ist es daher, im Vorfeld genau abzuklären, welche Leistungen überhaupt benötigt werden“, rät VKI-Sozialexpertin Angela Tichy. Bevor ein Vertrag unterzeichnet wird, sollten unbedingt mehrere Angebote verglichen und jeweils eine detaillierte Kostenaufstellung verlangt werden. Die Betreuer sind zu einem schriftlichen Vertrag mit allen Dienstleistungen verpflichtet.

Betreuungskraft Selbstständige Personenbetreuer müssen eine Ausbildung nachweisen, die jener einer Heimhilfe entspricht. Sie schließen mit der Pflegeperson einen Werkvertrag ab und sind unfall-, pensions- und krankenversichert. Sie helfen im Haushalt und führen einzelne pflegerische Tätigkeiten aus.

Kosten Das Honorar ist direkt an die Personenbetreuer zu zahlen. Je nach Qualifikation und Schwere der Tätigkeit zwischen 40 und 100 Euro pro Tag, plus Kost und Logis. Dazu kommen Vermittlungsgebühr (ab 500 Euro pro Person) und/oder Jahresgebühr an eine Agentur.

Die monatlichen Kosten liegen je nach Leistung zwischen 2000 und 3000 Euro und können zum Teil mit staatlichen Zuschüssen (Pflegegeld) gedeckt werden.

Die Idee zur Firmengründung kam durch die persönliche Erfahrung: „Ich habe selbst neun Jahre lang meine Omi gepflegt und wurde dabei von slowakischen Pflegerinnen unterstützt. Das hat mich motiviert, selbst eine Agentur für die 24-Stunden-Betreuung zu gründen“, erzählt Unternehmerin Margit Hermentin von gutbetreut.at mit Sitz in Wien.

Hermentin will ein leistbares und vor allem seriöses Rundum-Service für Pflegebedürftigen anbieten. Zur 24-Stunden-Pflege oder Urlaubsvertretung geht sie auch auf individuelle Wünsche ein und hilft bei Förderansuchen. „Die Pflegerinnen aus der Slowakei suche ich persönlich aus, sie sprechen alle sehr gut Deutsch“, erzählt sie. Zwei Mal im Monat fährt sie zum „Casting“ in die Slowakei. Neben Kompetenz zähle auch „ein Herz für Menschen“. Kontrolliert wird die Qualität der Betreuung durch regelmäßig Besuche bei den Betreuten.

Derzeit konzentriert sich das Service von gutbetreut.at vor allem auf Ostösterreich. Ziele? „Rundum zufriedene Kunden. Damit ich weiß, dass ich etwas wirklich Sinnvolles mache“, sagt Hermentin.

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