Vom Bauen kultureller Brücken
Wussten Sie, dass Herzog Rudolf IV., der Stifter des Stephansdoms und der Universität Wien, 1365 in einem Seidenstoff bestattet wurde, der im Iran hergestellt worden war? Dass Johann Bernhard Fischer von Erlach sich um 1700 für seinen ursprünglichen Plan für den Neubau von Schönbrunn von der antiken persischen Palastanlage von Persepolis inspirieren ließ? Oder dass das erste moderne Polytechnikum im Iran ab 1851 von österreichischen Experten aufgebaut wurde? „Die kulturellen, wirtschaftlichen und diplomatischen Beziehungen des Irans mit Europa, und besonders auch mit Österreich, reichen weit ins Mittelalter zurück und sind bis heute aktuell“, so Florian Schwarz, Direktor des Instituts für Iranistik der ÖAW in Wien. Iranistik beschäftigt sich mit Sprachen, Kultur, Geschichte und Gesellschaft des Iran vom Altertum bis in die Gegenwart. „Es ist ein sehr vielseitiges Forschungsgebiet, in dem unterschiedliche Forschungsrichtungen wie Geschichtswissenschaft, Sprachwissenschaft, Anthropologie, Archäologie, Literaturwissenschaft und Religionsgeschichte zusammenspielen“, erklärt Schwarz weiter.
25 Mitarbeitende sind derzeit am Institut beschäftigt – Tendenz steigend. Das Institut für Iranistik ist international besonders sichtbar in der Erforschung der iranischen Geschichte des 20. Jahrhunderts, der Zentralasienforschung, der Geschichte des Mongolenreichs sowie der Lebensrealitäten nicht-muslimischer Gemeinschaften im iranischen Raum und bearbeitet dabei herausfordernde Quellen wie mittelpersische Papyri, Handschriften und Familienarchive, mit aktuellen Projekten zu jüdischem Leben im persischen Raum im 19. und 20. Jahrhundert und einer neuen Arbeitsgruppe zum modernen Kaukasus.
Perspektivenwechsel
Das öffentliche Bild des Iran ist aufgrund der politischen Lage zunehmend von Unterdrückung und Menschenrechtsproblematiken geprägt. Dass es dort aber auch ein „normales“ Leben gibt, in dem Religion oder Ideologie kaum eine Rolle spielen, gerät dabei in den Hintergrund, wie Ariane Sadjed, stellvertretende Direktorin des Instituts für Iranistik, betont: „Gerade in Zeiten zunehmender gesellschaftlicher und internationaler Polarisierung sehen wir unsere Aufgabe darin, einen forschungsbasierten, unvoreingenommenen und ideologiefreien Blick auf Iran zu werfen, der zu einem differenzierten, realistischeren und vielleicht auch weniger bedrohlichen Bild von diesem Land und seiner Gesellschaft führt.“ Und weiter: „Wir hoffen, dass unsere Forschungen auch in Zukunft auf der Basis wissenschaftlicher Grundlagen die österreichische Öffentlichkeit auf Iran, Zentralasien und den Kaukasus neugierig machen und stabile Brücken bauen können.“