Gemeinsam gegen das Auensterben
Es steht schlecht um Europas Auen und Feuchtgebiete. „Circa 80 % dieser Gebiete, die vor 100 Jahren noch existierten, sind vollkommen verloren gegangen oder massiv degradiert“, erklärt Gabriele Weigelhofer vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der BOKU University in Wien und BOKU Projektleiterin von Restore4Life.
Wichtige Funktionen
Ein Umstand, der uns zu denken geben sollte, immerhin haben Auen, Moore und Co. eine wesentliche Bedeutung für die Natur und für uns. Sie dienen gleichermaßen zum Schutz vor Hochwasser als auch vor Niedrigwasserständen. Zudem haben sie eine positive Klimabilanz, da sie mehr Treibhausgase speichern, als sie freisetzen. Doch sie schrumpfen rapide, vor allem durch die Umwandlung in Nutzflächen und die Degradierung von Gewässern. „Fließgewässer wurden für Landnutzung oder früher für noch nicht integrativen Hochwasserschutz kanalisiert, mit Dämmen belegt und so von Auen abgeschnitten“, sagt Weigelhofer. Klimawandel, Artenverlust und Verschmutzung durch Schiffsverkehr verschärfen die Lage. Die Folgen sind spürbar: „Wir merken an den Hochwasserkatastrophen und den massiven Trockenzeiten, dass Auen ihre Funktion verloren haben“, warnt sie.
Renaturierung
Um diesen Negativtrend zu stoppen, hat sich unter anderem die EU dazu verpflichtet, durch Initiativen für den Schutz und die Renaturierung von Auen, Mooren, Küstengebieten etc. in Europa zu sorgen. Ein solches Projekt ist Restore4Life. Es zielt darauf ab, Süßwasser- und Küstenfeuchtgebiete wiederherzustellen, um ihre Ökosysteme, Biodiversität und Klimaresilienz zu stärken.
Das Projekt, an dem 31 Partner aus 14 europäischen Ländern beteiligt sind, verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der nicht nur Umweltvorteile, sondern auch sozioökonomische Verbesserungen wie lokale Einkommensmöglichkeiten und verbesserte Ökosystemdienstleistungen umfasst. Ein zentraler Baustein ist die Entwicklung eines Entscheidungsunterstützungssystems für die Feuchtgebietsrenaturierung. „Unser Ziel ist es, einen Service in Form einer Onlineplattform bereitzustellen, der es Ländern sowie verschiedenen Stakeholdern ermöglicht, Renaturierung von Auen und Feuchtgebieten umzusetzen. Auf dieser Plattform sollen sie alle nötigen Ansätze, Anleitungen und Kontakte finden, die sie brauchen, um eine Renaturierung erfolgreich in Gang zu setzen“, erklärt Projektleiterin Weigelhofer.
Ein besonderer Punkt ist die Einbindung von Bürger*innen in Form eines Citizen Science Projects. Das bedeutet, dass jede und jeder von uns zu Wissenschafterinnen und Wissenschaftern werden kann – und zwar ganz einfach über verschiedene Apps. „Beispielsweise können uns Fotos des Bodens, die während eines Spaziergangs aufgenommen wurden, schon wertvolle Daten über den Zustand des Feuchtgebietes liefern“, erklärt Weigelhofer. Das Partizipieren der Bevölkerung ist ein wichtiger Teil, da es wesentliche Daten generiert und die Menschen außerdem Verantwortung für die Umwelt übernehmen lässt.
Maßnahmen
Aber was braucht es nun am dringendsten, um Auen und Feuchtgebiete ihre Funktion zurückzugeben? „Man muss Regulierungen zurücknehmen und Flusslandschaften wieder an die Flussdynamik anbinden“, rät Weigelhofer und nennt die March als Beispiel. Hier wurden die Blockwurfufer, die einst dazu dienten die March zu begradigen und Ufer zu fixieren, wieder entfernt, damit wieder genügend Wasser in die Au fließen kann.
Bei Restore4Life geht es darum, den Gewässern ihren natürlichen Raum zurückzugeben, damit das Ökosystem und auch die Ökonomie davon profitieren können. „Der Ansatz ist ein Zurück zur Natur, ohne dabei die Wirtschaft zu beeinträchtigen.“