IV-Vizepräsident zu Wien als Forschungsstandort: „Da kann man stolz sein!“

IV-Vizepräsident zu Wien als Forschungsstandort: „Da kann man stolz sein!“
Was Wien als Forschungsstandort so besonders macht, erklärt IV-Vizepräsident Philipp von Lattorff.

Wie würden Sie Österreich im internationalen Vergleich als Forschungsstandort beurteilen? 

Philipp von Lattorff: Sehr positiv. Es gibt eine sehr ambitionierte und interessante Community in Österreich, vor allem in Wien und im Bereich Life Sciences. Wichtig für einen Forschungsstandort ist vor allem das Umfeld: Universitäten, Grundlagenforschungsinstitute, Start-ups und große forschende Unternehmen. Wichtig für Forschende sind auch Möglichkeiten zum Austausch und zur beruflichen Weiterentwicklung. Innerhalb der Community gibt es  rege Diskussionen und manchmal entstehen auch neue Projekte daraus. Darüber hinaus punkten Österreich und Wien mit einer sehr hohen Lebensqualität und einem guten Bildungssystem. Das sind gute Argumente, internationale Wissenschafter für den Standort zu gewinnen. Last but not least braucht es die entsprechende finanzielle Unterstützung. Und auch hier kann Österreich punkten.

Die österreichische Forschungsszene wurde zuletzt mit zwei Nobelpreisen gewürdigt; wie geht es der Grundlagenforschung? 

Sehr gut, wenn ich mir anschaue, welche internationalen Kapazunder nach Österreich gekommen oder zurückgekehrt sind. Aber auch, wenn wir schauen, wohin Forscherinnen und Forscher gehen, nachdem sie in Österreich gearbeitet haben und wie sich ihre Karrieren auf internationaler Ebene entwickeln. Da kann man stolz sein!

IV-Vizepräsident zu Wien als Forschungsstandort: „Da kann man stolz sein!“

Wie sieht es mit der politischen Unterstützung aus? 

Aus Unternehmenssicht ist die Forschungsprämie von 14 Prozent der gesamten Forschungsaufwendungen ein wichtiges Argument. Sie ist sehr hilfreich, wenn es international um Standortentscheidungen für Forschungsprojekte geht. Auf der anderen Seite braucht es die Unterstützung auf Landes- und Gemeindeebene. Auch hier ist eine gute Zusammenarbeit und ein reibungsloser Ablauf von Behördenwegen ein gutes Argument für Investitionen in Österreich.

Ein großes Thema in der Medizin ist die Verfügbarkeit von Daten – ein heikles Thema in Bezug auf Datenschutz. Sollte die Wissenschaft leichteren Zugang zu Registerdaten bekommen? 

Interessant ist, wie zum Beispiel auf Social Media viele Menschen sehr persönliche Details aus ihrem Leben preisgeben. Aber wenn es darum geht, anonymisierte Gesundheitsdaten für die Forschung zu nutzen, gibt es auf einmal Vorbehalte. Dabei sind die Einzelpersonen, die hinter den Daten stehen, für die Wissenschaft gar nicht relevant und nicht erkennbar. Wenn man die Gesundheitsversorgung verbessern und Forschungsprojekte im Arzneimittelbereich vorantreiben will, müssen Gesundheitsdaten miteinander vernetzt und der Zugang zu anonymisierten Daten verbessert werden. Gerade mit der rasanten Entwicklung in den Bereichen Künstliche Intelligenz (KI) und Data-Science eröffnen sich neue Möglichkeiten, um mit Hilfe von Algorithmen die Entwicklung neuer Medikamentenarten zu beschleunigen.

IV-Vizepräsident zu Wien als Forschungsstandort: „Da kann man stolz sein!“

Wichtig für einen Forschungsstandort ist das Umfeld. In Österreich gibt es eine ambitionierte Community

von Philipp von Lattorff, Industriellenvereinigung

Inwiefern wird durch den Umgang mit Daten die Standortfrage beeinflusst?

Ich glaube nicht, dass der Zugang zu anonymisierten Gesundheitsdaten standortentscheidend für die Pharmabranche ist. Wie bei vielen Dingen gilt: Österreich steht im internationalen Wettbewerb. Und hier sehen wir, dass die im medizinischen Alltag gewonnenen Daten kaum für die Arzneimittelforschung oder die Weiterentwicklung des Gesundheitswesens genutzt werden. Andere europäische Länder nutzen dieses Potenzial viel stärker. Das hat auch – aber nicht nur – mit dem fehlenden Zugang zu Gesundheitsdaten zu tun.

Der Pharmabranche wird oft vorgeworfen, beim Umgang mit Daten zu wenig durchlässig zu sein. Wie sehen Sie das? 

Persönliche Daten müssen sehr sorgfältig behandelt werden, geben sie doch einen tiefen Einblick in das persönliche Leben. Gerade die Pharmaindustrie agiert hier in einem hochgradig regulierten und streng kontrollierten Umfeld. Es gelten strenge Gesetze und es gibt klare Spielregeln. Klar ist, dass das Sammeln von Daten, sie zur Verfügung zu stellen und nutzbar zu machen – unter Einhaltung aller datenschutzrechtlicher Vorgaben – letzten Endes für die Betroffenen und für die Gesellschaft von großem Nutzen ist. Hier braucht es mehr Aufklärung für die Öffentlichkeit, warum es für jeden Einzelnen sinnvoll ist, anonymisierte Gesundheitsdaten zur Verfügung zu stellen und zu nutzen.