Ernährungsfrage: Plastik bleibt ein Schlüsselmaterial

Der größte Anteil von Plastik in der Landwirtschaft entfällt auf Mulchfolien, unter denen Erdbeeren, Spargel, Salat und vieles mehr gedeiht.
Trotz seiner negativen Auswirkungen ist Plastik derzeit unverzichtbar für die Landwirtschaft.

Plastik ist in unserem Alltag unverzichtbar geworden. Es gibt kaum einen Bereich, wo wir nicht auf Kunststoff treffen. Das erklärt auch die jährlich produzierte Menge von weltweit über 400 Millionen Tonnen. Obwohl Kunststoff ein Wertstoff ist, der sich gut zum Recyceln eignet, werden weltweit nur neun Prozent des Plastiks wiederverwertet, 22 Prozent landen in der Umwelt, der Rest wird verbrannt oder endet auf Mülldeponien.

Landwirtschaft & Plastik

Kunststoffe sind in der modernen Landwirtschaft, die auf hohe Ernteerträge abzielt, allgegenwärtig. Ihr Siegeszug liegt in ihren Eigenschaften begründet. Sie gelten als strapazierfähig, leicht transportierbar, billig und langlebig.

„Schon jetzt werden laut der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN (FAO) global 12,5 Millionen Tonnen Plastik jährlich in der Landwirtschaft verwendet“, erklärt Prof. Dr. Tilo Hofmann vom Zentrum für Mikrobiologie und Umweltsystemwissenschaft an der Universität Wien, der die globale Plastikverschmutzung untersucht und auf dem Gebiet des Verhaltens von Umweltschadstoffen forscht.

Beim Getreide-, Gemüse- und Obstanbau sowie bei der Viehzucht fällt mit rund zehn Millionen Tonnen jährlich das meiste Plastikmaterial an. Es folgen die Fischerei und Fischzucht mit etwa 2,1 Millionen Tonnen, gefolgt von der Forstwirtschaft mit 0,23 Millionen Tonnen pro Jahr. Über polymerbeschichtete Düngemittel gelangen etwa 0,1 Millionen Tonnen Plastik in die Umwelt. Folien machen mit bis zu 50 Prozent den Hauptteil aller in der Landwirtschaft benutzten Kunststoffe aus.

„Der größte Anteil entfällt auf Mulchfolien, unter denen Erdbeeren, Spargel, Salat und vieles mehr gedeiht. Dazu kommt eine lange Liste an weiteren Plastikprodukten, zum Beispiel Befestigungsclips, Bewässerungsschläuche, Netze, Schutzfolien, Gewächshäuser, Silagefilme, Verpackung für Agrochemikalien und Transport- behältnisse und vieles mehr“, zählt der Umweltgeowissenschafter auf.

Ernährungsfrage: Plastik bleibt ein Schlüsselmaterial

Die globale Problematik der Plastikverschmutzung auf landwirtschaftlichen Flächen ist noch nicht im Bewusstsein von Politik und Öffentlichkeit

von Tilo Hofmann, Umweltgeowissenschafter

Negative Effekte

Plastik hat jedoch auch viele negative Effekte: Es verringert die Bodenfruchtbarkeit, der Ertrag sinkt langfristig – besonders bedenklich ist, dass giftige Additive aus dem Plastik in die Pflanze aufgenommen werden, und über die Nahrungskette in den menschlichen Körper gelangen. Weiters warnt die FAO, dass langlebige Kunststoffe in der Weltlandwirtschaft zu einer Hauptquelle für Umweltverschmutzung geworden sind – mit unübersehbaren und viel zu wenig erforschten Folgen. Das Geschäftsmodell für landwirtschaftliches Plastik basiert zumeist auf Einmalprodukten mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von etwa einem Jahr. Nach Gebrauch werden die Produkte entweder vergraben oder verbrannt, oder sie verschmutzen als Kunststoffreste die Felder.

Segen und Fluch

Doch können wir die Weltbevölkerung 2050 ohne Plastik in der Landwirtschaft ernähren? Um bis zum Jahr 2050 geschätzte zehn Milliarden Menschen sicher und für den Planeten verträglich ernähren zu können, wird Plastik wohl ein Schlüsselmaterial bleiben. Durch Kunststoffe können Produktivitäts- und Effizienzsteigerungen erreicht werden. Sie können beispielsweise auch helfen Lebensmittel- und Nachernteverluste zu verringern.

Sollen wir also Plastik in der Landwirtschaft verbieten? „Besser nicht, denn der ökologische Schaden wäre aktuell größer als der Nutzen. Der Einsatz von Plastik spart erhebliche Mengen an Dünger, Pestiziden und Wasser ein. Es kann früher und öfter geerntet werden und der ökologische Gesamtfußabdruck sinkt“, erklärt Tilo Hofmann. Aber sind die kurzfristigen Vorteile des Einsatzes von Plastik in der Landwirtschaft langfristig nachhaltig?

„Bei den derzeitigen Anwendungspraktiken nicht. Daher bedarf es mehrerer Schritte: Vermeiden, wo möglich, recyclen, Wiederverwenden. Die Vision: Der Hersteller bietet kein Wegwerfprodukt an, sondern die vollständige Rückholung des Plastikprodukts vom Acker inklusive Aufbereitung – und das mit gesetzlich verbindlichen Quoten. Und nur wo dies nicht möglich ist, also Plastik auf dem Feld verbleibt, wird vollständig biologisch abbaubares Material ohne toxische Additive verwendet. Hier sind Forschung und Innovation nötig“, so Hofmann

Nicht im Bewusstsein

Für dieses Thema muss es wissenschaftlich fundierte Lösungen geben, die Probleme ganzheitlich und über den Lebenszyklus des Produktes betrachten. Hofmann: „In Summe ist die globale Problematik der Plastikverschmutzung auf landwirtschaftlichen Flächen noch nicht im nötigen Bewusstsein der Politik und Öffentlichkeit. Während international die Thematik auf der Ebene der Vereinten Nationen und ihren Unterorganisationen bearbeitet wird, sollte in den Ländern das Thema Plastikverschmutzung in der Landwirtschaft stärker in den Fokus rücken.“