Citizen Science: Immer der Nase nach
Gerade jetzt im Frühling betören uns viele Gerüche – der Flieder blüht, die ersten Schanigärten werden eröffnet, wodurch es vermehrt nach Kaffee duftet, die Temperaturen bringen aber auch so manchen ins Schwitzen. All diese Gerüche zusammen sind so etwas wie die Visitenkarte einer Stadt. Eine solche hat Stephanie Weismann vom Fakultätszentrum für transdisziplinäre historisch-kulturwissenschaftliche Studien der Uni Wien mit Hilfe der Wiener*innen erstellt.
Wie kam es zu Ihrem Projekt „Wien riecht“?
Stephanie Weismann: Ich beschäftige mich schon lange mit historischen Gerüchen, wobei mich speziell interessiert hat, wie diese die Geschichte einer Stadt widerspiegeln. Gerüche sind ein unwahrscheinlich weites Feld – selbst wenn sie meistens nicht bewusst wahrgenommen werden, beeinflussen sie uns stark und erzählen uns viel. Das beginnt beim nachbarschaftlichen Zusammenleben und endet tatsächlich bei internationalen Beziehungen. Mir geht es um lieb gewonnene Gerüche, die verschwinden und vermisst werden, aber auch um Gerüche, die den Menschen im wahrsten Sinn des Wortes zu stinken beginnen. So kam ich auf die Idee, diese auf einer Karte für Wien zu katalogisieren.
Dafür waren Sie auf Hilfe der Wiener*innen angewiesen?
Ganz genau! Gerüche lösen Emotionen aus. Das können Erinnerungen sein, aber auch Wut, Nostalgie oder ein Gefühl von Zuhause. Das ist natürlich individuell, was für den einen gut riecht, über das rümpft der nächste die Nase. Für das Projekt haben die Wiener*innen persönlichen Eindrücke „der Nase nach“ geteilt und daraus ist eine Geruchslandkarte der Stadt entstanden, die Grätzelgeschichten und Erfahrungen aus Gegenwart und Vergangenheit festhält.
Gab es dabei überraschende Erkenntnisse für Sie?
Ja, durchaus. Es war mir nicht bewusst, wie stark die Großstadt Wien immer noch von dem Geruch von Tieren geprägt ist. Und da geht es nicht nur um das leidige Thema der Hundstrümmerln. In Wien riecht es nach Pferden – und zwar nicht nur in der Innenstadt, wo die Fiaker stehen, sondern auch in den Vororten, wo ihre Stallungen liegen. Der zweite dominante Geruch stammt von der Nahrungsmittelproduktion. In Ottakring und Hernals etwa gehört der Geruch der Manner-Fabrik oder Ottakringer Brauerei zur Grätzel-Identität. Es ist spannend zu sehen, wie ambivalent Gerüche sind, wie unterschiedlich wir darauf reagieren. Die Geschichte einer Stadt ist auch von Gerüchen geprägt, mit denen viele persönliche Geschichten und Erinnerungen verbunden sind. Und diese festzuhalten, war mir ein Anliegen.