Weniger Zellmüll durch Fasten

Periodisches Fasten regt Aufräumprozesse in der Zelle an.
Neueste Erkenntnisse zeigen, dass Nahrungsreduktion das Altern verlangsamt und die Zellen schützt.

Fasten gilt als der Mega-Lifestyletrend der vergangenen Jahre – und bleibt es auch. Neueste Erkenntnisse zeigen nämlich, dass der Verzicht viele Vorteile bringt. "Autophagie" nennt sich das Wunderwort, mit dem Wissenschaftler und Mediziner den Fasten-Effekt beschreiben.

Das ist ein Programm des Körpers zur Selbsthilfe – um den angesammelten Zellmüll loszuwerden. Beim Fasten passiert das von selbst. "In Tierversuchen konnte bereits gezeigt werden, dass periodisches Fasten die Autophagie anregt", erklärt Jasmin Url. An der MedUni Graz koordiniert die Gesundheitswissenschaftlerin seit zwei Jahren laufende InterFAST-Studie, die sich mit den Effekten des "alternate day fasting" am Menschen beschäftigt. Die endgültigen Ergebnisse erwarten die Studienleiter, Biochemiker Univ.-Prof. Frank Madeo und Endokrinologe Univ.-Prof. Thomas Pieber, im Frühsommer.

Die zellschützenden Eigenschaften des Fastens zeigen sich nach 13- bis 15stündigem Fasten, erklärt Madeo den Mechanismus. "Bei der Autophagie wird zellulärer Schrott, der sich während des Alterns ansammelt, in den Magen der Zelle verfrachtet und zerhäckselt." Die Einzelbestandteile werden dem Organismus wieder als Energie zur Verfügung gestellt. "Gleichzeitig wird die Zelle gereinigt, denn der Zellschrott kann den Alterungsprozess beschleunigen." Dies sei "durchaus eine Art Katharsis".

In der Studie fastete ein Teil der 90 normalgewichtigen, gesunden Teilnehmer (zwischen 35 und 65 Jahren) vier Wochen lang zwischenzeitlich. Jasmin Url: "Einen Tag aßen sie ganz normal was sie wollten, am zweiten Tag durften sie nur ungesüßten Tee, Wasser und schwarzen Kaffee, der keine Auswirkungen auf den Stoffwechsel hat, zu sich nehmen." Auch wenn noch keine detaillierten Ergebnisse vorliegen, sind die ersten Zwischenanalysen vielversprechend. "Während der vier Fastenwochen sank der Blutdruck und im Schnitt nahmen die Teilnehmer ein Kilo pro Woche ab." Die Teilnehmer berichten auch, dass sie an den erlaubten "Völler-Tagen" weniger essen. "Der Körper zeigt offenbar besser auf, wann sie satt sind."

Weniger Zellmüll durch Fasten

Fasten löst einen weiteren hilfreichen Prozess im Körper aus, betont Madeo: Es werden vermehrt Ketonkörper gebildet, da die Glukosespeicher in der Leber bei fehlender Nahrungszufuhr rasch geleert werden. "Die Ketonkörper sind transportable Formen von Energie, die aus den Fettpolstern hergestellt werden. Sie besitzen neuroprotektive (die Nerven und das Nervengewebe schützende, Anm.) sowie generell zellschützende Funktion."

Gut für die Seele

Abseits der physiologischen Vorzüge tut Fasten der Seele gut. "Wenn man die eingefahrenen Muster in Frage stellt, kann auf seelischer und emotionaler Ebene manches in Gang kommen", sagt Fastenarzt Eduard Pesina. Wenn dies im Vordergrund steht, empfehle sich eine begleitete Fastenwoche. "Da wird man aus dem eigenen Leben herausgeholt, es ist wie eine Zäsur. Der Alltag ist für die meisten so laut geworden, dass sie sich nicht mehr spüren oder ihre Bedürfnisse hören."

Reduktion – von Nahrung und äußeren Reizen – sorgt paradoxerweise sogar für Glücksgefühle. Viele Fastende kennen diese Hochgefühle als "Fasteneuphorie", die sich nach einigen Tagen einstellt. Das dürfte ein evolutionäres Erbe sein, erklärt der deutsche Naturheilkundler Andreas Michalsen in der März-Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft. Um sich bei Nahrungsmangel nicht in die Höhle zurückzuziehen, schalte das Gehirn sozusagen in einen Euphorie-Modus. Und der steigert bei modernen Menschen wiederum die Motivation zum Fasten.

Im Judentum gilt das Versöhnungsfest Jom Kippur als höchster Feier- und Fastentag. Am zehnten Tag im siebten Monat des traditionellen jüdischen Kalenders verzichten die Gläubigen 25 Stunden auf Essen, Trinken, Arbeit, Körperpflege und Sex als Zeichen der Reue und Umkehr.

Im Islam stellt das Fasten eine der fünf Säulen dar, die der Koran als Zeichen der Ergebenheit gegenüber Gott vorschreibt. Gefastet wird im Ramadan, dem neunten Monat des islamischen Mondkalenders. Zwischen Sonnenaufgang und Dämmerung sind weder feste noch flüssige Nahrung oder Genussmittel wie Zigaretten erlaubt.

Im Hinduismus und Buddhismus gibt es keine festen Fastenzeiten, doch Gläubige verzichten immer wieder, um sich innerlich zu reinigen. Manche buddhistische Nonnen und Mönche essen grundsätzlich ab mittags nichts mehr.

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