Vegane Pflanzenmilch: Hemmt sie Wachstum bei Kindern?

Viele Kinder trinken statt Kuhmilch Pflanzenmilch.
Immer öfter bieten Eltern ihren Kindern statt Kuhmilch pflanzliche Alternativen an. Mediziner haben nun herausgefunden, dass sich Milchalternativen negativ auf die Größe der Sprösslinge auswirken. Die Erkenntnisse werden von anderen Fachleuten kritisch beäugt.

Statt Kuhmilch steht in vielen Haushalten mittlerweile Sojamilch im Kühlschrank. Auch Kinder trinken immer öfter die als veganer Ersatz für Kuhmilch verkauften Produkte. Neben Sojamilch werden auch Mandelmilch, Hafermilch und andere Getreidemilchsorten beliebter. Ob und wenn ja welche Effekte die alternativen Nahrungsmittel auf Heranwachsende haben, hat sich ein Team um Kindermediziner Jonathon Maguire vom St. Michael's Hospital in Toronto angesehen. Seine Erkenntnisse veröffentlichte er kürzlich im American Journal of Nutrition.

Kleinere Kinder durch Getreidemilch?

Nach der Auswertung von Daten von mehr als 5.000 gesunden kanadischen Kindern im Alter von zwei bis sechs Jahren zeigte sich, dass Dreijährige, die täglich drei Tassen Pflanzenmilch zu sich nehmen, durchschnittlich um 1,5 Zentimeter kleiner sind als Gleichaltrige. Von den 5.000 Kindern tranken 92 Prozent täglich Kuhmilch, 13 Prozent nahmen jeden Tag pflanzlichen Milchersatz zu sich.

Bei der Erhebung zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen der Menge an Getreidemilch, die konsumiert wurde und der verminderten Größe der Kinder. Für jede Tasse Pflanzenmilch täglich waren die Kinder im Schnitt um 0,4 Zentimeter kleiner. "Es ist nicht so, dass man etwas kleiner ist, wenn man keine Kuhmilch trinkt. Vielmehr ist es so, dass das Kind mit jeder konsumierten Tasse Pflanzenmilch kleiner wird", wird Jonathon Maguire von CNN zitiert.

In ihrem Bericht erklären die Wissenschafter, dass Milchalternativen als gesundheitlich vorteilhaft verkauft werden. Während Kuhmilch in der Vergangenheit von der Wissenschaft mit einem positiven Wachstumseffekt bei Kindern in Verbindung gebracht wurde, könne selbiges für Getreidemilch derzeit nicht gesagt werden, so die Forscher.

Den Grund für die Wachstumshemmung untersuchten die Forscher nicht. Auch zwischen unterschiedlichen Getreidemilchsorten wurde nicht differenziert. Unklar sei auch, ob die kleineren Kinder im Laufe der Zeit den Wachstumsrückstand aufholen könnten. Man räumte daher ein, dass weitere Studien notwendig seien, um den genauen Zusammenhang zwischen Pflanzenmilchkonsum bei Kindern und ihrer Größe zu erforschen.

"Einseitig und unangemessen"

Jedenfalls befeuert die Untersuchung die aktuelle Debatte rund um die vegane Kinderernährung und die Vor-bzw. Nachteile von Kuhmilch im Vergleich zu Milchalternativen. Als problematisch erachtet das unter anderem Amy Joy Lanou, Gesundheitsprofessorin an der University of North Carolina-Asheville. Im Interview mit CNN bemängelt sie, dass für die Studie der Fokus nur auf den Milchkonsum der Kinder gelegt wurde. "Es ist einfach sonderbar für mich, warum man sich nicht die gesamte Ernährung der Kinder angesehen hat", sagte Lanou. Die Annahme, dass der unterschiedliche Milchkonsum zu den unterschiedlichen Wachstumsergebnissen führe, sei einseitig. Auch die subtile Botschaft, dass größere Menschen automatisch gesünder seien, hält die Expertin für nicht angemessen: "Größere Kinder und schwerere Kinder werden nicht zwingend zu gesünderen Erwachsenen, oder gesünderen Kindern. Ich denke, dass hier die Größe als Indikator für die Gesundheit verwendet wird und ich bin mir nicht sicher, dass das angemessen ist."

Connie Weaver, Ernährungswissenschafterin an der Purdue University, beurteilt die Erkenntnisse gegenüber CNN als spannend. Es sei ihrer Einschätzung zufolge die erste Untersuchung, die Kuhmilch und Pflanzenmilch hinsichtlich möglicher physischer Vorteile untersucht. "Wir wissen, dass einige Pflanzenmilchprodukte, Mandelmilch ganz besonders, geringere Proteinmengen aufweisen und ich kann daher spekulieren, dass die Kalziumaufnahme dadurch geringer ist." Dies könnte Weaver zufolge ein Grund für die höhere Wertigkeit von Kuhmilch sein. Man müsse die Botschaft der Studie jedoch klarer formulieren, da Menschen, die ohnehin keine Kuhmilch konsumieren, aufgrund der neuen Erkenntnisse nun auch noch auf pflanzliche Alternativen verzichten könnten.

Weaver plädiert daher dafür, Kindern Pflanzenmilch ergänzend zu Kuhmilch zur Verfügung zu stellen. Lanou empfiehlt Eltern, die ihren Kindern alternative Milchprodukte zu trinken geben, nicht in Panik zu verfallen. Stattdessen sollten Erziehungsberechtige darauf achten, dass ihr Nachwuchs insgesamt genug Eiweiß über Nahrung aufnimmt.

Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) empfiehlt eine tägliche Zufuhr von 1.000 Milligramm Kalzium für Erwachsene ab 19 Jahren, Schwangere und Stillende. Kinder bis vier Jahre sollten 600 Milligramm zu sich nehmen, zwischen vier und sieben 750 Milligramm und ab dem siebten Lebensjahr 900 Milligramm. Ab dem 10. Lebensjahr sollten zwischen 1.100 und 1.200 Milligramm aufgenommen werden.

Größer durch Kuhmilch?

Den förderlichen Effekt von Kuhmilch auf das Wachstum bei Kindern bestätigt Matthias Schulze vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke im Interview mit der Welt. Dass Kuhmilch für das Längenwachstum förderlich sei, sei schon länger bekannt. Daher sei es nicht überraschend, dass eine verminderte Aufnahme von Kuhmilch in einem geringeren Wachstum resultiere. Die genaue Implikation für die Gesundheit des Menschen sei jedoch unklar: "Wir wissen nicht, ob das gut oder schlecht für die Gesundheit ist."

Schulz, der im vergangen Jahr eine Studie erforschte, wie die Körpergröße das Risiko für eine Reihe von Krankheiten beeinflusst, will pflanzliche Milchprodukte dennoch nicht gänzlich verteufeln. Der geringe Proteingehalt der Nahrungsmittel bedeute nicht zwingend, dass Kinder in Summe zu wenig Eiweiß zu sich nehmen. "Um das herauszufinden, müsste man die Nährstoffzufuhr viel detaillierter aufschlüsseln, also auch erfassen, wie die Kinder sich sonst ernähren", betont er.

Mehr über die vegane Ernährung von Kindern lesen Sie hier.

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