RunNa: Von Kobolden und Problemfüßen

Egal ob nach hinten oder nach vorne: Das Bein muss höher
Gentle Running oder der Versuch alles anders zu machen.

"So, jetzt konzentrierst du dich auf die Lampen, die in der Mitte hängen und stellst dir vor, auf jeder zweiten sitzt ein kleiner Kobold, der dich nach vorne und oben zieht. Zu dem willst du hin.“ Mein Blick wandert nach oben. Ich sehe keinen Kobold. Aber na gut, ich versuche es und laufe los. Zuerst mit Blick nach oben. Doch schnell schaue ich wieder zum Boden. Nächster Versuch. Nach vorne und oben, lass dich ziehen, rufe ich mir in Erinnerung. Dieses Wechselspiel geht rund 200 Meter. Dann darf ich den Kobold Kobold sein lassen und mich wieder auf den Boden der Tatsachen konzentrieren.

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"Du schaust viel zu viel nach unten. Dadurch ziehst du automatisch auch die Schultern nach vorne und machst dich klein.“ Ich stehe mitRuth Riehleauf der Prater Hauptallee. Die Personal Trainerin will mir heute genau das beibringen, woran ich trotz mehrmaliger Besuche von Lauftechnik-Seminaren in der Vergangenheit gescheitert bin: Besser, im Sinne von ökonomischer, zu laufen. Theoretisch einfach anwendbar. In der Praxis alles andere als einfach umsetzbar. Denn wie bei allen Dingen im Leben, die ich nicht gut kann: Sie werden auf morgen und dann auf übermorgen verschoben und nächste Woche ist ja auch noch Zeit.

Nun gut. Die vergangenen Wochen standen mit meiner Yoga-Challenge bereits ganz im Zeichen von "Ich stelle mich endlich meinen größten Schwächen und ziehe nach einem kläglich gescheiterten Versuch nicht wieder den nicht vorhandenen Schwanz ein, sondern mache es so lange, bis der imaginäre Schwanz vor lauter Freude wedelt.“ Und siehe da, es hat geklappt. Was anfangs wirklich, wirklich die Hölle war, wurde nach vier Wochen zum fixen Bestandteil meines Alltags, den ich nicht mehr missen möchte. Ok, den Krieger kann ich noch immer nicht so gut leiden, dafür bringen mich Happy Baby, Adler und Trikonasana ins innere Gleichgewicht. Aber das ist eine andere Geschichte. Also zurück auf die Hauptallee.

Tacka, tacka, tacka

Ruth Riehle hat entgegen der meisten anderen Trainer einen anderen Zugang, um die Lauftechnik zu verbessern. „Gentle Running – natürliches Laufen nach Feldenkrais“ nennt sich die Methode, die sie mir nun binnen einer Stunde beizubringen versucht. Wie gesagt, Lauftechniktraining ist für mich kein Fremdwort, umso neugieriger bin ich, welchen Unterschied es gibt.

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Zuerst geht es darum, den Körper warm zu machen. "Das kannst du gut vorm Weglaufen in der Früh machen“, meint Ruth und beginnt mit dem Fuß zu kreisen. "Zecherl weich machen“, nennt sie es. Von den Zehen wandern wir weiter zu den Knie – nach innen und nach außen drehen – weiter zur Hüfte, Schultern und schließlich als Abschluss den Kopf nach links und rechts drehen. "Jetzt haben wir unseren Körper aufgeweckt, also los“, sagt sie und trabt auch schon davon.

Wenige Meter später heißt es auch schon wieder "Stopp", denn ich habe ich noch meinen Auftritt: Ruth holt ihr Handy heraus und filmt mich beim Laufen. Von hinten, von vorne, von der Seite. Etwa 200 Meter. Dann laufen wir gemeinsam locker weiter. Ruth richtet sich nach meinem Tempo und gibt mir immer wieder Aufgaben. "Jetzt konzentrierst du dich einmal nur auf deinen rechten Fuß. Wie fühlt er sich an, wo kommst du auf?“ Hm, gar nicht so einfach. Irgendwo zwischen Mittelfuß und Ferse. Das gleiche Spielchen folgt mit dem linken Fuß. Dann laufen wir bewusst nur auf den Außenkanten mit O-Beinen, dann bewusst nach innen geknickt mit X-Beinen - was mir nicht ganz so schwer fällt ;-) Anschließend wieder normal.

"Versuche jetzt bei gleichem Tempo nur die Schrittfrequenz zu erhöhen. Tacka, tacka, tacka“, gibt mir Ruth den Takt vor. "Aber nicht schneller werden." Ich soll mitzählen und komme auf 168. "Sehr gute Läufer kommen auf 180“, meint die Personal Trainerin. Hm, ist das nicht eine individuelle G'schicht? Wie die Körpergröße? Gibt es nicht auch sehr viele, sehr gute Läufer mit 170 oder sogar drunter? Und diese, wenn sie danach gefragt werden, noch nicht einmal wissen wie viele Tapser sie in einer Minute machen, weil sie sich gar nicht damit beschäftigen? Und warum soll ich bei gleichem Tempo mehr Schritte machen? Die Meinungen gehen da auseinander und jeder Läufer hat wohl seine eigene zu dem Thema.

Eine Stunde lang geht das so, der Kobold kommt ziemlich zum Schluss, bevor ich abschließend noch einmal meinen Auftritt habe: Ruth filmt mich noch einmal. Abschließend habe ich wieder meinen Auftritt: Sie zückt wieder ihr Handy und filmt mich: "Na das schaut ja schon richtig wie Laufen aus“, ruft sie mir zu. Haha oder aha?

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Ja tatsächlich, es fühlt sich anders an als vorher, denn ich habe bewusst etwas anders gemacht. Genau da setzt Gentle Running nach Wim Luijpers, sozusagen dem Erfinder von Gentle Running nach Feldenkrais an: Weg von den alten Gewohnheiten und Bewegungsmustern, hin zur Vielfalt. Den Körper vielseitiger einsetzen, als er es gewohnt ist und sei es bei kleinsten Bewegungen. "Auch im Alltag sollte man das praktizieren, Bewegungen variieren und so den Körper immer wieder aufs Neue fordern. Kinder machen das, nur wir Erwachsene sind viel zu sehr kopfgesteuert, probieren nichts Neues mehr aus.“

Mit allen Sinnen

Kopfgesteuert ist auch das Stichwort für "Run Camino“, ein neues Konzept, das Ruth Riehle kommendes Frühjahr erstmalig anbietet. "Es gibt so viele Läufer, die ohne ständig auf die Uhr zu schauen gar nicht mehr laufen können. Das will ich ändern. Ich will sie wieder zur mehr Körpergefühl, mehr Genuss und weg vom Leistungsdenken bringen“, erzählt sie ihr Motiv für das Laufabenteuer, das vom 29. März bis 1. April 2018 stattfindet. Motto dabei: Genussvolles Laufpilgern im Weinviertel. An drei der vier Tag werden Strecken von 23 bis 32 Kilometer zurückgelegt. Pace? "Wohlfühl-Plaudertempo. Die Landschaft mit all ihren Sinnen, dazu gehört auch guter Wein und gutes Essen, steht im Vordergrund“, sagt Ruth. Gentle Running also.

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Während Ruth erzählt, sind wir auch schon am Ende der Stunde. Und ehrlich gesagt bin ich froh, denn wie bereits anfangs erwähnt, habe ich es nicht so mit der Technik. Ich laufe halt. Und ich muss zugeben, ich war vor der Stunde sehr skeptisch. Gentle Running nach Feldenkrais. Was soll das sein? Die Idee dahinter, dass eingelernte Bewegungsmuster nicht immer das Gelbe vom Ei sind und sich dadurch früher oder später Verschleißerscheinungen bemerkbar machen, kann ich jedenfalls gut nachvollziehen. Nach der Stunde spüre ich meine Waden. "Die merk ich normal nie“, sage ich zu Ruth. Sie grinst.

Was mir jedenfalls durch dieses bewusste Hineinfühlen in meinen Körper aufgefallen ist: Dass ich rechts anders aufkomme und somit auch laufe als links. "Mein Problemfuß. Da macht die Sehne öfter mal Probleme“, erkläre ich Ruth. "Das ist kein Problemfuß, sondern er macht sich nur bemerkbar, dass etwas nicht passt.“ Naja eh.

Und was nehme ich sonst noch von Gentle Running mit? Dass ich ständig auf den Boden schaue, als würde ich statt einem Straßen- einen Hindernislauf machen. Dass die Schultern zu weit nach vorne kommen, ich mich nicht aufrichte (hörte ich nicht zum ersten Mal). Dass ich eine unbewegliche Hüfte habe (ah ja, ein Déjà-vü, denn daran werde ich beim Yoga ständig erinnert). Dass ich eher lande als mich abdrücke und die Kraft daher in den Boden abgebe, statt mitzunehmen. Dass mein Hüftbeuger verkürzt und mein Hintern zu schwach ist... Also von wegen ich habe nur einen Problemfuß ;-)

Und zu guter Letzt: Dass ich auf den Lampen in der Hauptallee nun immer einen Kobold seh.

Autorin Natascha Marakovits finden Sie auch auf Instagram.

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