RunNa: Ich bin dann mal off
"Machst du denn nie Pause?“ Doch, das ist ja Pause. "Weil der Körper muss sich ja auch erholen können.“ Ja eh, zehn lockere Kilometer sind ja auch Erholung. Wenige Tage später: "Du läufst jetzt sehr wenig, gell?“ Ja, Auszeit nach Saisonende. Macht man ja so. "Aha, macht man das so?“
Zwei Dialoge mit zwei unterschiedlichen Personen. Jede hat eine Meinung von mir und die ist bei jedem anders. Während es für den einen immer noch viel – zu viel – ist, meint der andere, dass es total wenig ist.
Der Grat zwischen Off- und Neverending-Season ist mitunter schmal. Vor allem wenn man seinen Sport so sehr liebt, dass man ihn einfach immer machen will. Egal ob man nun erst einen Marathon gelaufen oder nicht. Was für mich Pause ist, ist für andere maximales Trainingspensum. Insgesamt 3594 Kilometer stehen auf meiner persönlichen Kilometertafel dieses Jahr. Obwohl ich gesundheitlich angeschlagen war, kam bei zwei Marathonvorbereitungen doch einiges zusammen. Dass es bei beiden nicht sein sollte, wusste ich ja im Vorhinein nicht.
In der Regel waren es sechs Läufe die Woche, nicht selten zwischen 80 und 100 Wochenkilometern. Dazu das übliche Läuferprogramm mit Kraft, Stabi und Co (wobei eigentlich ohne Co, denn das Arbeiten an der Beweglichkeit ignorierte ich gekonnt). Was am Plan stand wurde durchgezogen. Nicht selten stand ich vor fünf Uhr auf, um eine lange Trainingseinheit vor der Arbeit unterzubringen. Automatik in Gehirn und Körper: Der Blick am Vortag auf den Plan (den es eigentlich nicht brauchte, denn ich die Einheiten brannten sich Woche für Woche bereits am Sonntag, spätestens am Montag in meinem Hirn ein). Dennoch, ein letzter Check um sicherzugehen: Was genau steht morgen an? Wecker stellen. Aufstehen. Laufschuhe an. Los. Beinahe Tag für Tag. Woche für Woche. Bis zum 15. Oktober. Dem Tag des Amsterdam Marathon, mein Jahreshighlight und gleichzeitig Saisonabschluss. Dass dann doch alles anders kam, isteine andere Geschichte…
Off-Modus an
Also zurück zur Off-Season. In der ersten Woche nach dem Marathon, der im Endeffekt doch keiner war, hieß es: Nothing. Nada. Niente. Oder in Winston Churchills Worten: no sports. Obwohl es mir schwer fiel, siegte die Vernunft, die sagte: Du machst jetzt wirklich einmal nichts! Genau eine Woche hat dieser Vorsatz angehalten. Dann war Schluss und ich drehte meine erste Runde. Denn ich liebe das Laufen, es versüßt mein Leben, egal ob im Sommer oder Winter. Ich muss mich nicht motivieren dafür. Das Gefühl dabei ist Motivation genug.
Fünf Wochen sind nun bereits vergangen und ich bin immer noch im Off-Modus. Laufe nach Lust und Laune, mal locker, mal flockig und auch mal schnell. Ich genieße es einmal nicht starre Vorgaben zu haben, die ich erfüllen bzw. meist noch unterbieten will. Keine zwei bis drei knackigen Tempoeinheiten in der Woche zu haben, sondern auch mal unter der Woche zumindest ein bisschen länger schlafen zu können, weil eben nicht 20 Kilometer, sondern nur sieben, zehn oder zwölf auf meinem Wohlfühlplan stehen.
Statt 100 sind es jetzt 40, 50 oder maximal 60 Wochenkilometer. Für mich wenig, für andere viel, womit ich wieder bei den anfangs erwähnten Dialogen bin. Jeder Mensch ist eben anders und das ist gut so. Der wesentlichste Unterschied dabei: Es ist mein Programm, das nach meinem Kopf und vor allem nach meinem Gefühl geht. Alles kann, nichts muss und weil ich stets im Wohlfühlbereich bleibe, ist auch noch genügend Energie vorhanden, um sich anderen schönen Dingen des Lebens zu widmen. Denn nach einem sonntäglichen 30er mit Endbeschleunigung war viel mehr als der Weg von der Couch zum Kühlschrank nicht mehr drin.
Loslassen
Dieses bewusste Loslassen im Kopf und im Körper ist wichtig, sagt die Wiener Sportpsychologin Andrea Engleder. "Einerseits für die Regeneration und andererseits für die Motivation.“ Dabei werde die psychische Komponente häufig übersehen. Mentale Pausen seien Zeiten, wo man sich mit anderen Dingen beschäftigen soll, nur nicht mit dem Sport. Andere Freizeitaktivitäten ausüben, in Urlaub fahren oder Leute treffen, die nicht übers Laufen reden wollen. "Diese mentalen Pausen sind unabhängig von der Sportart. Wenn ich mich viel mit einem Bereich beschäftige, ermüdet es mich irgendwann, die Motivation beginnt zu leiden. Wenn dann auch die Leistung nicht zufriedenstellend ist, kann es in eine depressive Verstimmung kippen, im Sinne von 'Jetzt macht mich nicht mal mehr das Laufen glücklich‘ - daher ist es ganz wichtig, sich mentale Auszeiten zu gönnen“, betont die Sportpsychologin.
AuchSportmediziner Sven Thomas Fallebestätigt die Wichtigkeit einer bewussten Auszeit. "Die Off-Season eignet sich sehr gut, um in dieser Zeit anderen Sportarten nachzugehen. Nicht nur, um dem Körper eine Auszeit von den immer gleichen Bewegungsmustern zu geben, sondern auch für den Kopf. Neue Eindrücke und neue Bewegungsmuster sind ideal für diese Zeit. Ob Wandern oder andere Ausdauersportarten. Auch Yoga oder ein neuer Yogastil als man bisher praktiziert hat, ist perfekt für diese Zeit."
Wie lange diese Auszeit dauert, sei individuell. "In meiner Praxis empfehle ich jedem Läufer, unabhängig vom Leistungsniveau, eine zumindest vierwöchige Regenerationsphase nach einer Wettkampfsaison. Ein Unterschied ist sicherlich, dass Topathleten in dieser Zeit oft insgesamt aktiver mit Ausgleichssportarten sind als Gesundheitssportler.“
Meine Challenge
Weil es ganz ohne Herausforderungen selbst in der Off-Season bei mir nicht geht, habe ich mir etwas vorgenommen, wofür unterm Jahr nie Zeit war (Ausrede Nummer Eins) und zu dem ich mich im Gegensatz zum Laufen wirklich motivieren muss(te): Meine Yoga-Challenge.
20 Klassen in 30 Tagen. Solange die läuft, werde ich beim Laufen noch zurückschrauben. Dabei geht es mir erstens darum, an meiner größten Schwäche – der Beweglichkeit – zu arbeiten. Und zweitens ist es für mich auch eine mentale Geschichte. Es geht viel ums Atmen, zur Ruhe kommen, herunterkommen. Perfekt für meinen Off-Modus. Loslassen. Im Kopf und im Körper. So, jetzt geh ich Yoga. Die Challenge wartet. Namaste.
Autorin Natascha Marakovits finden Sie auch auf Instagram.
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