RunNa: Eiszeit adé, Frühling olé!

Laufen bei jedem Wetter erfordert Überwindung
Über Laufen bei jedem Wetter und Symptome von abrupten Wetterumschwüngen.

„Du fühlst dich gut beim Laufen und noch besser hinterher.“ Fred Lebow, der rumänisch-amerikanische Marathonläufer und ehemalige Renndirektor des New-York-City-Marathons, beschreibt mit diesem Satz ganz gut, was Laufen ausmacht. Man fühlt sich gut. Währenddessen nicht immer. Nein, ich denke jetzt gar nicht an meine 16 Vollgas-400er, bei denen ich mich nach spätestens 200 Metern verarscht fühlen würde, wenn mir jemand sagt, ich fühle mich gut dabei. Nein, die Rede ist schlicht und einfach vom Laufen bei jedem Wetter.

Und damit meine ich jedes Wetter. Schönwetterläuferin war gestern bzw. vor Jahren, heute halte ich es mit dem amerikanischen Leichtathletiktrainer Bill Bowerman: „There’s no such thing as bad weather, just soft people.“ Na gut, ganz so ist es dann doch nicht. Denn wenn ich etwas wirklich hasse, dann ist es Wind. Nur ist Wien ohne Wind wie ein klassisches Wiener Kaffeehaus ohne grantigen Ober. Quasi nicht vorhanden. Also das Beste daraus machen. Oder es zumindest versuchen, denn in der Regel hört mich zum Glück keiner, wenn ich den treuesten Begleiter Wiens regelmäßig lautstark verfluche.

Bett versus Plansoll

Dienstag vergangene Woche. 5.47 Uhr. Minus elf Grad. Die Eiszeit hat die Stadt fest in Griff. Als ich die Haustür aufmache, schlägt mir die eisige Luft entgegen. Dazu kommt schneidiger Wind, der, wie bereits erwähnt, eigentlich eh immer da ist, aber heute die tiefen Temperaturen so verschärft, dass mir kurz der Atem wegbleibt. An „du fühlst dich gut beim Laufen“ ist da nicht zu denken, an „wärst du doch im Bett geblieben“ schon eher. Es liegt an jedem von uns ‚Ich kann nicht‘ in ‚Ich kann‘ zu verwandeln“ – das Zitat der ehemaligen britischen Triathletin und Weltmeisterin über die Langdistanz, Chrissie Wellington, trifft es wohl am besten.

Natürlich ist es bei dem Wetter feiner im Bett zu bleiben. Um 5.30 Uhr aufzustehen, damit man um 5.47 Uhr auf den Startknopf der Uhr drückt, ist nicht gerade das, was man um diese Uhrzeit bei dem Wetter am liebsten macht. Aber Ziele haben Pläne und was am Plan steht, wird in der Regel durchgezogen. Und bevor ich aufs Laufband geh, lauf ich lieber bei minus elf Grad und Eiswind. Also Haustür auf und durch. Nach rund drei Kilometern war mir schließlich halbwegs warm und zuhause angekommen, war eindeutig das „du fühlst dich besser hinterher“-Feeling eingetreten und „wärst du doch im Bett geblieben“ war längst vergessen.

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Neuer Tag, neues Glück. Am nächsten Eistag, dem Mittwoch, standen zehn Kilometer an. Eigentlich wäre längeres Wechseltempo am Plan gewesen, stattdessen auf easy umgeswitcht. Der Körper hat mit der Kälte schließlich eh genug zu tun. Anpassen, statt sich in der Kälte abzuschießen. Ich laufe normalerweise nie mit Tuch vorm Mund. Finde es unangenehm, wenn es vom Atem feucht wird. Noch dazu bekommt man schlechter Luft. An diesem Tag ging es nicht anders. Der Wind verwandelte die minus zehn Grad in gefühlt minus 20. Statt dem Wechseltempo gab es daher einen ständigen anderen Wechsel: Gegenwind - Tuch rauf. Rückenwind - Tuch runter. Knapp 60 Minuten, dann war das Spielchen vorbei und ich freute mich auf den heißen Kaffee.

Abrupter Wetterwechsel

Wie heißt es: Alles hat ein Ende. So schnell wie der tiefste Winter für eine Woche über Wien hereingebrochen ist, war er auch wieder vorbei. Statt der minus elf Grad hat es mittlerweile plus elf und mehr. Macht einen Temperaturunterschied von etwa 20 Grad binnen weniger Tage. Vom Winterschlaf in die Frühjahrsmüdigkeit oder so. Was macht ein solch abrupter Wetterumschwung mit uns? Heribert Waitzer, Facharzt für Innere Medizin und internistische Sportheilkunde, beschäftigt sich seit mittlerweile über 20 Jahren mit Läufern. Er gibt Auskunft:

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„Die Beschäftigung mit den Wechselwirkungen ist bereits sehr alt. Bereits Hippokrates hat gefunden: Man sei besonders auf der Hut vor Wetterwechseln und vermeide während dieser Zeit den Aderlass, das Ausbrennen und die Anwendung des Messers“, sagt Waitzer. Ausbrennen? Messer? Dann habe ich wohl richtig gehandelt und mich mit einer harten Einheit nicht ins Messer laufen lassen.

„Relevant ist vor allem die gefühlte Temperatur – dabei spielen Faktoren wie Luftfeuchtigkeit und Wind eine große Rolle. Relativ wenig wissenschaftlich untersucht sind die Auswirkungen von sogenannten Sferics auf die Gesundheit. Ein Zusammenhang mit Wetterfühligkeit wird angenommen. Es handelt sich dabei um elektromagnetische Wellen, die zum Beispiel auch durch die Reibung von großen Luftmassen entstehen, wie sie jetzt gerade stattfinden“, erklärt Waitzer.

Die Symptome

Welche Symptome können bei derartigen Wechseln auftreten? „Wetterfühlige Personen bekommen Blutdruckschwankungen. Wärme stellt primär die Gefäße weit, dadurch kommt es zum Blutdruckabfall. Überschießende Gegenregulationen können aber auch zu Blutdruckspitzen führen. Dazu kommen Auswirkungen auf Neurotransmitter, zum Beispiel Serotonin-Gefühlsschwankungen. Andere hormonelle Regulationsmechanismen können zu Steigerungen von Herzrhythmusstörungen führen. Läufer mit niedrigem Blutdruck, die bei Temperaturanstiegen unter besonderen Blutdruckabfällen leiden, wird Flüssigkeitszufuhr, Salzzufuhr und Training empfohlen. Hartnäckige und ausgeprägte Wetterfühligkeit sollte als Anlass genommen werden, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen.“

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Ein bisschen damisch bin ich diese Tage. Das beste Mittel meiner Meinung nach dagegen: Laufen. Bewegung an der frischen Luft ist die beste Medizin. Bei diesen Temperaturen zieht es einen ja förmlich die Laufschuhe an. Frühling liegt in der Luft. Damit verbunden folgt oftmals auch die unbändige Motivation alles niederreißen zu wollen. Von Null auf Hundert binnen weniger Tage. Vor allem bei Schönwetterläufern ein gängiges Symptom. Sinnvoll?

Infekte ausheilen

„Aus meiner Erfahrung erscheint derzeit auch die ausklingende Grippewelle von großer Bedeutung. Durch die lange Kälteperiode sind so manche Sportler nun besonders ‚ausgehungert‘ was Training anbelangt und sind durch das wärmere Wetter und die Sonne besonders verlockt wieder durchzustarten und berücksichtigen nicht, dass sie zuerst noch ihre Infekte ausheilen sollten. Nach einer richtigen Grippe sollten zwei Wochen Fieberfreiheit abgewartet werden, bis wieder mit einem richtigen Training begonnen wird“, rät Waitzer. Vermehrte Anfragen an den Sportkardiologen, ob durch zu frühes Losstarten der Herzmuskel gelitten hätte, sind die Folge. Bei Risiken oder Nebenwirkungen fragen Sie also Ihren Arzt. Ansonsten einfach auf den Körper hören. Dann klappt’s in der Regel auch mit „du fühlst dich gut beim Laufen und noch besser hinterher“.

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Besonders gute Laufleistungen würden übrigens bei Temperaturen zwischen 18 und 22 Grad erbracht werden. „Dabei scheint der zusätzliche Energieaufwand für die Regulation der Körpertemperatur geringer zu sein und es bleibt mehr Energie für das Laufen", erklärt der Sportmediziner. Ist die Frühjahrsmüdigkeit überwunden, steht bei diesen Wetteraussichten einem perfekten Laufwochenende also nichts mehr im Weg.

Autorin Natascha Marakovits finden Sie auch auf Instagram.

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