Bandscheiben: Jeder Dritte wird vorschnell operiert
Männlich, mittlere Altersgruppe, im Beruf stehend – wer zu dieser Zielgruppe gehört, wird sich bei einem Bandscheibenvorfall eher einer Operation unterziehen als konservative Behandlungsmethoden auszuschöpfen, ergab jetzt eine Studie am Hamburg Center for Health Economics (HCHE) ergab. Bei jedem dritten Bandscheiben-Patienten wird vorschnell operiert. Denn viele Patienten fürchten, ohne Operation ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können.
Vergleichbare Ergebnisse
Für die neue Studie wurde untersucht, ob vor der Operation – sofern diese nicht durch einen Notfall begründet war – konservative Behandlungsmethoden ausgeschöpft wurden. Zu den konservativen Mitteln gehören etwa Krankengymnastik, Massagen und Schmerztherapie wie Injektionsbehandlungen, die über einen Zeitraum von sechs bis acht Wochen erfolgen sollen. Frühere Studien zeigen, dass die konservative Behandlung mittelfristig vergleichbare Ergebnisse erzielt, jedoch weniger Kosten verursacht und keinerlei Operationsrisiken birgt. Insgesamt wurden mehr als 6.000 Versicherte einer deutschen Krankenkasse (Barmer GEK) befragt, die 2014 und 2015 an der Bandscheibe operiert wurden. Die Rücklaufquote betrug 47 Prozent.
Sorge um den Beruf
Bei einem Drittel der Befragten wurden konservative Therapieverfahren nicht konsequent verfolgt oder trotz Ansprechens der Therapie operiert. Auch wenn vielfach ohne akute Indikatoren operiert wurde, hielten die Patienten die Operation für den richtigen Weg. Insbesondere die Berufstätigen sorgten sich, ohne Operation ihren Beruf nicht mehr ausüben zu können. Außerdem waren sie der Überzeugung, dass ein Eingriff die bessere Möglichkeit sei, um die Schmerzen zu beheben. Zwar kommt es im Falle einer Bandscheiben-Operation oftmals zu einer Linderung der Beschwerden, doch immerhin zehn Prozent der Operierten leiden nachhaltig unter Komplikationen.
Zweite Meinung ist wichtig
Diejenigen, die sich vor einem Eingriff eine Zweitmeinung eingeholt hatten, wurden häufiger konservativ therapiert. „Dies zeigt, wie wichtig es ist, entsprechende Beratungsangebote auszubauen“, erklärt HCHE-Forscher Prof. Dr. Mathias Kifmann und regt an, konservative Therapiemöglichkeiten insbesondere für Berufstätige besser verfügbar zu machen. In Anbetracht der oft zeitintensiven konservativen Therapien können auch spezialisierte Angebote für bestimmte Berufsgruppen von Nutzen sein. Nicht zuletzt sind auch die volkswirtschaftlichen Kosten interessant: Eine Bandscheiben-Operation kostet im Schnitt etwa 4.350 Euro. Überträgt man die Befunde, sind im Jahr 2014 durch womöglich vorschnelle Operationen Kosten im deutlich zweistelligen Millionenbereich entstanden.
Bei der Studie handelt es sich um ein Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung und der Barmer GEK. Das HCHE ist ein gemeinsames Forschungszentrum der Universität Hamburg und des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
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