Neue Erkenntnisse: Müssen Schnuller abgewaschen werden?
Für viele ist es eine Frage der Hygiene: Eltern, die den Schnuller ihres Babys lieber abwaschen anstatt ihn kurz selbst abzuschlecken, könnten sich von einer neuen US-Studie eines Besseren belehren lassen.
Die Erhebung, die kürzlich beim jährlichen Kongress des American College of Allergy, Asthma and Immunology (ACAAI) vorgestellt wurde, legt nahe, dass der Kontakt mit dem elterlichen Speichel sich wünschenswert auf die Immunabwehr des Kindes auswirken könnte. Auch das Risiko für die Entwicklung von Allergien könnte dadurch reduziert werden. Der Effekt wurde bei Säuglingen unter eineinhalb Jahren festgestellt.
Für die Erhebung wurden in Summe mehrere Interviews mit 128 Mütter über einen Zeitraum von 18 Monaten durchgeführt. Dabei wurde unter anderem abgefragt, wie oft Mütter den Schnuller ihrer Kinder im eigenen Mund reinigen. Von den befragten Frauen gaben 58 Prozent an, ihren Kindern aktuell Schnuller zur Verfügung zu stellen. Von diesen gaben wiederum 41 Prozent an, diesen mittels Sterilisator zu reinigen, 72 Prozent gaben an ihn zu waschen und zwölf Prozent gaben an ihn selbst abzulecken.
Allergien verhindern?
Es zeige sich, dass Kinder von Müttern ab dem zehnten und bis zum 18 Monat, die dem mütterlichen Speichel verstärkt ausgesetzt waren, einen niedrigeren Gehalt des Antikörpers Immunglobulin E (IgE) im Blut hatten. Immunglobulin E ist ein Antikörper, der im Körper vor allem für die Abwehr von Parasiten zuständig ist. Außerdem spielt er eine Schlüsselrolle bei allergischen Reaktionen wie Heuschnupfen oder allergisches Asthma. Je höher der IgE-Wert im Blut ist, desto höher ist das Risiko entsprechende Allergien zu entwickeln.
Effekt überprüfen
"Wir wissen, dass die Exposition gegenüber bestimmten Mikroorganismen zu einem frühen Zeitpunkt im Leben die Entwicklung des Immunsystems stimuliert und später gegen allergische Erkrankungen schützen kann", weiß Allergie-Expertin und Studieleiterin Eliane Abou-Jaoude. Weitere Forschung seien dennoch jedenfalls notwendig, um herauszufinden, ob der Effekt tatsächlich auf die Übertragung von gesundheitsfördernden Mikroben aus dem Mund der Eltern zurückzuführen sein könnte, erklärt Edward Zoratti, Mitautor der Studie und ACAAI-Mitglied. Unklar sei zudem, ob sich die niedrigen Antikörper-Werte auch zu einem späteren Zeitpunkt im Leben der Kinder nachweisen lassen. Auch seien in der Studie zu wenig Kinder untersucht worden.
Im Jahr 2013 waren Forscher der Universität Göteborg aber zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen. Die Forscher stellten in der Studie, die im Fachblatt Pediatrics veröffentlicht wurde, fest, dass Kinder, deren Eltern ihren Schnuller dazu zumindest gelegentlich ableckten, bevor sie ihn dem Kind gaben, ein geringeres Risiko hatten, bis zum Alter von 18 Monaten allergische Symptome zu entwickeln.
Kinderärzte skeptisch
Der Sprecher des deutschen Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte, Josef Kahl, ist jedenfalls vorsichtig. Er hält die Zahl der Studienteilnehmer für zu gering. "Damit lassen sich keine gesicherten Aussagen über die Wirkung auf das Immunsystem treffen", sagte Kahl. Er rät Eltern, den Schnuller höchstens dann abzulutschen, wenn es keine anderen Reinigungsmöglichkeiten gibt.
Auch die schwedische Studie bewertet er kritisch: "Bereits aus dieser Studie haben wir die Schlussfolgerung abgeleitet, uns von der mancherorts ausgesprochenen Empfehlung, den Schnuller von Säuglingen wegen der befürchteten Übertragung von Karieskeimen nicht abzulecken, zu distanzieren", sagte Zimmer. Die jetzige Studie bestätige diese Haltung. Er habe die Empfehlung, den Schnuller nicht abzulecken, ohnehin nie geteilt, weil Karies keine Infektionskrankheit sei und der Effekt der Maßnahme nicht nachhaltig nachgewiesen wurde.
In der Mundhöhle eines Menschen seien mehrere Hundert Keimspezies zu Hause, erklärte Zimmer. Mit Karies hänge nur ein Bruchteil davon zusammen. "Die Rolle der meisten Keime ist nicht geklärt, aber offenbar hat sich im Laufe der menschlichen Evolution eine sinnvolle Koexistenz mit diesen Keimen in unserer Mundhöhle etabliert, so dass es keinen Sinn macht, sie alle zu bekämpfen", so der Experte. "Wie wir jetzt sehen, könnte man es sogar als fahrlässig bezeichnen, weil es das Risiko von Allergien erhöht."
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