Alarm ignoriert? Klinik-Pflegerinnen wegen TikTok-Live freigestellt

Krankenschwester blickt auf Bildschirme
Krankenschwestern, die während ihrer Nachtschicht auf TikTok live gingen, sorgten für Aufruhr. Einige von ihnen wurden freigestellt.

YouTuber und TikToker Kevin Hartwig (im Netz als "Kevinits" bekannt), der eigenen Angaben zufolge selbst als Pflegekraft im Krankenhaus tätig war, nutzt seine Reichweite, um auf Missstände im Pflegealltag aufmerksam zu machen. Besonders kritisch sieht er leichtsinnige Livestreams während der Arbeitszeit. 

Zuletzt sorgten zwei Fälle in Deutschland für Aufsehen: Pflegekräfte einer Klinik in Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen starteten während ihres Dienstes TikTok-Livestreams. Nach Einschätzung von Kevin Hartwig verletzten sie dadurch nicht nur ihre Dienstaufsichtspflicht, sondern setzten möglicherweise auch die Gesundheit der Patienten aufs Spiel.

Im jüngsten Fall einer Klinik in Sachsen-Anhalt gingen zwei Pflegerinnen während ihrer Nachtschicht auf TikTok live im Bild zu sehen war jedoch nur eine der beiden zu sehen. Knapp 30 Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen sollen sich laut Bild-Bericht auf der besagten Station befunden haben. Etwa 90 Minuten lang chatteten die Klinik-Mitarbeiterinnen mit TikTok-Usern und beantworten Fragen zum Berufsalltag. 

Pflegerinnen sollen Signale ignoriert haben

Als immer mehr Zuschauende in der Kommentarspalte auf die visuellen und akustischen Signale auf den Monitoren aufmerksam machten ("Geht ihr auch mal nach den Patienten schauen?"), reagierte die Angestellte genervt: "Geh mir nicht auf den Sack, Alter." 

Auf Anfrage der Bild-Zeitung betonte der Geschäftsführer der besagten Klinik, dass der Umgang mit sozialen Medien konzernweit klar geregelt sei. Insbesondere das Filmen und Live-Streamer während der Dienstzeit sei für Mitarbeitende nicht gestattet.

YouTuber erhebt Vorwürfe 

YouTuber Kevin Hartwig kritisiert, dass die Hinweis-Töne im Hintergrund von den Mitarbeiterinnen übergangen wurden und erklärt im Interview mit RTL: "Speziell in diesem Fall sind das sogenannte Drei-Sterne-Alarme, wo Patienten vielleicht Herz-Rhythmus-Störungen haben oder vielleicht auch mal was Schlimmeres. Da reagieren dann Pflegekräfte nicht und selbst wenn sie zu spät reagieren durch den Stream, kann es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen, es kann zu lebensgefährlichen Situationen kommen und Menschen können unterm Strich auch versterben."

Der medizinische Pressesprecher der Klinik versichert gegenüber RTL, dass "zu keinem Zeitpunkt eine Gefährdung für die Patient:innen bestand."

Laut Informationen der Bild-Zeitung wurde die im Livestream zu sehende Pflegerin freigestellt. 

Drei Pflegekräfte starteten TikTok-Live aus Intensivstation

Insbesondere der TikTok-Livestream von drei Intensivstation-Pflegerinnen eines Spitals in Dortmund, der bereits Ende April stattgefunden hat, zieht einen juristischen Rattenschwanz nach sich. Hartwig warf den Mitarbeitenden vor, während des Livestreams die Töne eines Beatmungsgeräts angeblich ignoriert zu haben. Laut Bild wies Personalleiter darauf hin, dass es sich um Hinweis- und nicht um Alarmsignale gehandelt habe. Dennoch wurden die Pflegerinnen vorerst freigestellt.

  • Mai 2025: Hartwig meldete den Vorfall dem Gesundheitsministerium und erhob Strafanzeige gegen die drei Angestellten.
  • Juni 2025: Kurz darauf wurde der Influencer von den Anwälten der Pflegekräfte wegen unzulässiger Verdachtsberichterstattung abgemahnt. Eine einstweilige Verfügung untersagte ihm zudem, die Frauen weiterhin öffentlich zu zeigen –  eine identifizierende Berichterstattung wurde ihm verboten.
  • Juli 2025: Am 7. Juli bekam der YouTuber bereits das vierte Verfahren über eine Abmahnung vom Dortmunder Hüttenhospital.

Trotz der juristischen Auseinandersetzung, die mit hohem finanziellen Kosten verbunden ist, macht Hartwig weiter - aus Überzeugung, denn er hält seine Kritik für absolut berechtigt, erklärt er in einem TikTok-Statement.

Kommentare