Neue Studie enthüllt: Gesellschaft stumpft bei Hass im Netz ab

Forscher haben herausgefunden, dass 65 Prozent der Befragte negative Kommentare auf Social Media befürchten.
Zusammenfassung
- Studie zeigt, dass Toleranz gegenüber Hass im Netz steigt.
- Mehrheit der Befragten bevorzugt Plattformen ohne Hass und Falschinformationen, trotz Meinungsfreiheit-Debatte.
- Verantwortung für sicheres Social-Media-Umfeld wird unterschiedlich gesehen – Befragte sind der Meinung, dass unter anderem Plattform-Beitreiber, -User, oder aber auch die Regierung dafür verantwortlich sein sollen.
Beleidigungen und Mobbing im Netz ist im Zeitalter der digitalen Medien leider keine Seltenheit mehr. Immer mehr Menschen sind von Online-Übergriffen betroffen. Eine Studie zeigt, dass die Toleranzgrenze gegenüber Hass im Netz immer mehr gestiegen ist.
Experten und Expertinnen der Technischen Universität München (TUM) und der University of Oxford haben eine Umfrage in Afrika, Amerika, Australien und zehn Staaten in Europa durchgeführt. 13.500 Probanden und Probandinnen wurden im Herbst 2024 zu dem Thema Social Media, Meinungsfreiheit und Sicherheit vor digitaler Gewalt und Falschinformationen befragt.
Meinungsfreiheit und Beleidigungen
Liest man Aufrufe zur Gewalt im Netz, sind 79 Prozent der Befragten dafür, dass diese gelöscht werden. 86 Prozent der Mehrheit kommt aus Brasilien, Deutschland und der Slowakei. Von den US-amerikanischen Probanden und Probandinnen waren nur 63 Prozent dafür. 14 Prozent gaben an, dass die Gewaltäußerungen online bleiben sollten, vor allem, damit Nutzer und Nutzerinnen auf diese reagieren können.
- 17 Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen sind der Meinung, dass Beleidigungen gegen bestimmte Gruppierungen als "Kritik" erlaubt sein sollten.
- Mit 29 Prozent wird diese Meinung vor allem in den USA am meisten vertreten, gefolgt von Brasilien (9 Prozent) und Deutschland (15 Prozent).
- Die Experten und Expertinnen wollten wissen, ob sich die Befragten eher eine Social-Media-Plattform mit uneingeschränkter Meinungsfreiheit oder einer Plattform, die frei von Hass und Falschinformationen sei, wünschen würden. Die Mehrheit war für die zweite Option.
"Einflussreiche Unternehmer wie Mark Zuckerberg und Elon Musk haben mit dem Vorrang der Meinungsfreiheit gegen die Moderation der Inhalte von sozialen Medien argumentiert. Die Studie zeigt, dass sich die Mehrheit der Menschen in Demokratien Plattformen wünscht, die gegen Hass und Gewalt vorgehen. Das gilt sogar für die USA, wo eine weit ausgelegte Meinungsfreiheit als besonders hohes Gut zählt", erklärte Studienleiter Yannis Theocharis, Professor für Digital Governance der Hochschule für Politik an der TUM in einer Presseaussendung.
"Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass es nicht bei allen konkreten Abwägungen zwischen Meinungsfreiheit und Moderation einen globalen Konsens gibt. Die Vorstellungen der Menschen hängen stark von kulturellen Normen, politischen Erfahrungen und rechtlichen Traditionen in den jeweiligen Ländern ab. Dies erschwert eine weltweite Regulierung", erklärte Politics-Professor Spyros Kosmidis von der University of Oxford. Er ist genauso wie Theocharis Co-Leiter des Content Moderation Lab des TUM Think Tank.
Muss die Regierung mehr Verantwortung übernehmen?
Doch wer kann dafür sorgen, dass es auf Social Media eine sichere Umgebung gibt, außer die User und Userinnen selbst? 39 Prozent in Brasilien, Deutschland und Großbritannien sehen die Verantwortung bei den Plattform-Betreibern und -Betreiberinnen. 37 Prozent in Deutschland und Frankreich, jedoch nur 14 Prozent in der Slowakei sind der Meinung, dass die Verantwortung bei den Regierungen liegen sollte. 39 Prozent in Schweden gaben an, dass die Nutz und Nutzerinnen selbst die Verantwortung haben, in Deutschland waren es nur 17 Prozent.
- Allgemein sind 35 Prozent der Studienbefragten der Meinung, dass die Plattform-Betreiber und -Betreiberinnen die Verantwortung haben.
- 31 Prozent ziehen Bürger und Bürgerinnen zur Verantwortung.
- Für 30 Prozent ist die jeweilige Regierung für ein sicheres Umfeld zuständig.
Kein Social Media ohne Hass?
Für 59 Prozent aller Befragten sei es unvermeidlich, auf Social Media Intoleranz und Hass ausgesetzt zu sein. 65 Prozent befürchten negative Kommentare, wenn sie ihre Meinung auf Plattformen äußern. Diese Angst haben vor allem 81 Prozent aus Südafrika, in den USA sind es 73 Prozent der Befragten. 20 Prozent der Teilnehmer und Teilnehmerinnen gaben an, dass man manchmal unhöflich im Netz sein muss, um seinen Standpunkt effektiv zu vertreten.
"Wir stellen eine weit verbreitete Resignation fest", sagte Yannis Theocharis in der Presseaussendung weiter. "Die Menschen haben offenbar den Eindruck, dass sich trotz aller Versprechen, gegen verletzende Inhalte vorzugehen, nichts bessert. Dieser Gewöhnungseffekt ist ein enormes Problem, weil er nach und nach gesellschaftliche Normen untergräbt und Hass und Gewalt normalisiert."
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