Das harte Los der Weltmeister

Seit 1962 konnte kein Champion bei einem WM-Turnier den Titel verteidigen.

Vor zwei Jahren ist den Spaniern gelungen, was vor ihnen noch keine Mannschaft geschafft hatte: La Furia Roja konnte 2012 in Kiew den EM-Titel verteidigen, der vier Jahre zuvor in Wien gewonnen worden war.

Bei der WM in Brasilien könnte dies ungleich schwieriger werden. Nach dem 1:5 gegen die Niederlande steht der Weltmeister 2010 unter Druck: Gegen Chile gilt heute Abend (21 Uhr MESZ, live ORFeins, ARD, SRF2) das Motto "Verlieren verboten", sonst ist der Traum von der Titelverteidigung bereits zu Ende.

Die Historie macht wenig Mut: Nur zwei Mal – und seit 1962 gar nicht mehr – ist es einem Weltmeister gelungen, den Titel zu verteidigen.

Ein Blick zurück auf 18 Titelverteidiger ...

1934 Uruguay: Der erste Weltmeister verzichtete gleich einmal freiwillig auf die Titelverteidigung: Uruguay blieb dem Turnier in Italien fern. Das war eine Retourkutsche für das geringe Interesse an der WM 1930 in Uruguay. Damals hatten mit Belgien, Frankreich, Jugoslawien und Rumänien nur vier Teams aus Europa teilgenommen. Den ganz großen Fußballnationen der damaligen Zeit, darunter auch Österreich, war die Anreise zu strapaziös.

1938 Italien: Nachdem die Squadra Azzurra 1934 im eigenen Land dank krasser Fehlpfiffe Weltmeister geworden war, bewiesen die Italiener in Frankreich Klasse. Auf dem Weg zur Titelverteidigung wurden der Gastgeber, Brasilien und dann im Finale Ungarn besiegt. Italiens damaliger Teamchef Vittorio Pozzo ist in der WM-Geschichte der einzige Trainer, der zwei WM-Titel holen konnte.

1950 Italien: Ein Titel-Triple gab es nach der 12-jährigen WM-Pause wegen des 2. Weltkrieges allerdings nicht. Beim ersten WM-Turnier in Brasilien blamierten sich die Italiener und scheiterten an Außenseiter Schweden, weil das erste Gruppenspiel gegen die Nordeuropäer mit 2:3 verloren ging. Die Italiener besiegten dann zwar noch Paraguay, mussten aber als Gruppenzweiter nach Hause fahren, weil die beiden anderen Teams der Gruppen im direkten Duell 2:2 spielten.

1954 Uruguay: Im zweiten Anlauf versuchten die Uruguayer, den Titel zu verteidigen, scheiterten jedoch im Semifinale an Ungarn (2:4). Auch das Spiel um den 3. Platz verloren die Südamerikaner: Mit einem 3:1-Erfolg gewann Österreich das kleine Finale und fixierte den größten Erfolg in der WM-Geschichte.

1958 Deutschland: Auch die Deutschen kamen vier Jahre nach dem "Wunder von Bern", dem legendären 3:2-Finalsieg nach 0:2-Rückstand gegen die Übermannschaft Ungarn, bis ins Semifinale. Das 1:3 gegen Schweden ging als "Schlacht von Göteborg" in die deutsche Fußballgeschichte ein.

1962 Brasilien: Auch ohne den verletzten Pelé konnte die Seleção ihren ersten Titel verteidigen. Es war das zweite und letzte Mal in der WM-Geschichte, dass dies gelang. In Chile besiegten die Brasilianer dank eines überragenden Garrincha im Finale die Tschechoslowakei mit 3:1.

1966 Brasilien: In England klappte die Titelverteidigung nicht. Wieder verletzte sich Pelé früh im Turnier, dieses Mal kam schon in der Vorrunde das Aus. Portugal und Ungarn setzten sich durch, die Brasilianer mussten als Gruppendritter abreisen.

1970 England: Nach dem Titel in der Heimat kam für das "Mutterland des Fußballs" in Mexiko im Viertelfinale das Aus. Deutschland gewann die Hitzeschlacht von León mit 3:2 nach Verlängerung. Die Engländer lagen in der Neuauflage des WM-Finales von 1966 schon 2:0 in Führung, Beckenbauer, Seeler (mit einem legendären Hinterkopftor) und Müller drehten die Partie aber noch.

1974 Brasilien: Nach einer spielerisch enttäuschenden WM reichte es in Deutschland für die Seleção nur zu Platz 4. In der zweiten Gruppenphase waren die Niederlande einfach stärker, die Brasilianer spielten dazu überhart. Auch das Spiel um Platz 3 ging verloren. Polen setzte sich in München mit 1:0 durch.

1978 Deutschland: Die Deutschen kopierten Brasilien, enttäuschten und schlossen das Turnier mit dem 2:3 gegen Österreich in Córdoba ab. Schon das langweiligste Eröffnungsspiel aller Zeiten, ein 0:0 gegen Polen, war symbolisch für den weiteren Turnierverlauf. Für Deutschlands Langzeit-Teamchef Helmut Schön war es die Abschiedsvorstellung.

1982 Argentinien: Bei der WM-Premiere von Diego Maradona war in Spanien in der Zwischenrunde der spätere Weltmeister Italien zu clever. Claudio Gentile klopfte Argentiens Jungstar nach allen Regeln der Kunst ab. Die Italiener gewannen 2:1. Die Argentinier verloren das zweite Spiel der zweiten Gruppenphase gegen Brasilien. Beim 2:3 verlor Maradona die Nerven und wurde kurz vor Schluss ausgeschlossen.

1986 Italien: Clever waren die Italiener vier Jahre später nicht mehr. Ein verkorkstes Turnier in Mexiko endete mit einem 0:2 im Achtelfinale gegen Europameister Frankreich. Schon in der Gruppenphase hatte die Mannschaft nicht wirklich überzeugt: Ein 3:2 gegen Südkorea sollte der einzige Sieg im Laufe der WM bleiben.

1990 Argentinien: Die Gauchos schwindelten sich mit viel Glück bis ins Finale durch, in diesem war Deutschland einfach besser, siegte aber nur 1:0 durch einen umstrittenen Elfmeter. Schon das Eröffnungsspiel hatte mit einer Enttäuschung für die Argentinier geendet: Kamerun siegte in Mailand mit 1:0. Als Gruppendritter rutschte man gerade noch so ins Achtelfinale. Dort gab es einen dubiosen 1:0-Erfolg gegen Brasilien (Wasserflaschen-Skandal). Danach folgten noch zwei Erfolge nach Elfmeterschießen - sowohl gegen Jugoslawien als auch gegen Italien.

1994 Deutschland: In den USA jagte ein Skandal den anderen im deutschen Team. Stefan Effenberg musste etwa die Heimreise antreten, weil er den Zuschauern seinen Mittelfinger zeigte. Sportlich kam im Viertelfinale gegen Außenseiter Bulgarien das peinliche, aber auch verdientes Aus. Jordan Letschkow, damals Legionär beim HSV, entschied die Partie.

1998 Brasilien: Als letzter Titelverteidiger kam die Seleção nach einigen sehr guten, aber auch nach weniger guten Partien, vor 16 Jahren bis ins Finale. Superstar Ronaldo war nach einem Schwächeanfall in diesem augenscheinlich nicht fit, Gastgeber Frankreich schlussendlich zu stark. Brasilien war chancenlos, verlor mit 0:3.

2002 Frankreich: Ein inferiores Turnier spielten Zinédine Zidane und Kollegen in Südkorea. Mit nur einem Punkt aus drei Spielen gegen Senegal (0:1), Uruguay (0:0) und Dänemark (0:2) kam schon in der Vorrunde das Aus. Die Franzosen hatten nicht einmal ein Tor geschossen.

2006 Brasilien: Es sollte das Turnier von Ronaldinho werden, wurde es aber nicht. Der damalige Superstar des FC Barcelona wirkte in Deutschland müde und ausgelaugt. Die Brasilianer scheiterten im Viertelfinale schlussendlich an Frankreich. Thierry Henry entschied mit seinem Treffer die Parte in Frankfurt am Main.

2010 Italien: Vor vier Jahren kam für den Titelverteidiger schon in der Gruppenphase das peinliche Aus. Italien wurde hinter Neuseeland (!) sieglos Gruppenletzter. Gegen den Underdog gab es nur ein 1:1, nachdem man davor schon gegen Paraguay ebenfalls nur remisiert hatte. Das letzte Spiel gegen die Slowakei ging dann sogar mit 2:3 verloren.

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