In Costa Rica geht es drunter und drüber

Ein ganzes Land feiert seine Helden.

Immer wieder bebt in Costa Rica die Erde. Hin und wieder auch heftig, meist sind Vulkane oder Plattenverschiebungen die Gründe dafür, doch in den letzten Wochen gibt es einen ganz anderen Auslöser: Die Nationalmannschaft des Landes hat nicht nur die Vorrunde als Gruppensieger überstanden, sondern sie fordert heute (22 Uhr) in Salvador de Bahia im WM-Viertelfinale die Niederlande. Mit zwei Siegen und zwei Unentschieden in vier Spielen haben die Ticos ihre Landsleute in einen Ausnahmezustand versetzt und wieder einmal die Erde zum Beben gebracht.

Einer, der die Gemütslage der Costaricaner bestens nachvollziehen kann, ist Michael Van Muysen. Der 42-Jährige hat einst bei Rapid unter Trainer Hans Krankl gespielt, kam mit Stockerau in den Europacup und wählte später den Ausstieg als neuen Lebensweg. Der führte ihn nach Costa Rica, wo er zunächst mit Freunden Land kaufte und darauf eine Finca baute, die heute als Luxus-Resort Finca Austria zur Erholung angeboten wird. Als Coach des gleichnamigen Fußballteams gelang ihm 2012 im kleinen Ort Nosara an der Westküste der Aufstieg in die zweite Division von Costa Rica.

Ein Husarenstück, das ihn sogar zum Ehrenbürger von Nosara machte. Bei der WM drückt er freilich seiner zweiten Heimat die Daumen und fiebert mit den Ticos mit.

Sind Sie überrascht von dem großen Erfolg der Ticos?

Van Muysen: Ja, ich hätte nicht gedacht, dass sie so weit kommen. Und die Fans im Land haben dem Team diesen Erfolg auch nicht zugetraut. Die Costaricaner waren grundsätzlich stolz, dass sie überhaupt bei der WM dabei sind. Die allgemeine Stimmung im Land vor dem Turnier war: Das Team soll Erfahrung sammeln gegen die Weltmeister Italien, Uruguay und England. Fast alle haben damit gerechnet, dass die Ticos nach der Vorrunde wieder heimkommen. Aber die Vorfreude auf die WM war sehr groß. Und jetzt geht es im ganzen Land drunter und drüber.

Was macht diese Mannschaft von Teamchef Pinto aus?

Die Spieler sind derzeit eine echte Einheit. Drei wichtige Spieler haben sich vor der WM verletzt, sie wurden aber dennoch nach Brasilien mitgenommen. Sie sollen dabei sein. Mit Ruiz und Campbell hat man zwar sehr starke Einzelspieler in den Reihen, aber das Team funktioniert nur über das Kollektiv.

Sie haben den Fußball in Costa Rica mit Ihrem Team Finca Austria praktisch an den Wurzeln kennengelernt. Wie wird in den unteren Ligen so gekickt?

Egal, in welche Ortschaft man kommt, es gibt überall, auch im kleinsten Dort im letzten Winkel des Landes, technisch begabte Fußballer. Sie spielen teilweise bloßfüßig auf Wiesen oder auf Staubstraßen. Im Gegensatz zu Österreich existieren dort noch die klassischen Straßenfußballer, auch weil viele so beginnen müssen. Was ihnen sicher fehlt sind Disziplin, taktisches Verständnis und ein Team-Gefüge.

Haben Sie mit diesen "europäischen" Zutaten den Aufstieg in die zweite Liga geschafft?

Ich möchte nicht sagen, dass ich ihnen das beigebracht habe. Zu Beginn habe ich zwei, drei Spieler aussortieren müssen. Am Ende hat aber das Gefüge über den Aufstieg entschieden, das war unser großes Plus. Wenn sich der Costaricaner wohlfühlt, dann gibt er wirklich alles und ist mit Leib und Seele bei der Sache. Beim Fußball, wie auch im privaten Bereich oder im Beruf.

Die Ticos gelten als glückliches Volk. Wie sehr brauchen sie dazu den Fußball?

Wie einen Bissen Brot. Fußball wird gelebt in diesem Land. Das ist keine Phrase, das ist wirklich so. Der Tico ist leidenschaftlich, vor allem, wenn es um den Fußball geht. In Nosara sitzt der ganze Ort bei den WM-Spielen in einem Lokal vor dem Fernseher. Nach den Siegen haben alle auf den Straßen in Team-Trikots und mit Fahnen gefeiert, und die Nicht-Costaricaner, die sich dort niedergelassen haben, waren stets mit dabei. Dieses Gefühl steckt nämlich an.

Was ist für Costa Rica gegen die Niederlande möglich?

Sie sind in diesem Duell der Außenseiter. Aber sie brauchen jetzt nicht mehr nachzudenken, weil sie Historisches geschafft haben. Sie werden jetzt schon in der Heimat von den Fans und den Medien als Helden gefeiert. Gegen Griechenland waren sie erstmals als Favorit ins Spiel gegangen, das hat sie im Kopf blockiert. Jetzt sind die Rollen wieder so verteilt wie in der Vorrunde. Costa Rica kann nur überraschen, und das macht sie gefährlich. Ein Weiterkommen von Costa Rica wäre eine große Sensation.

Andreas Ivanschitz urlaubt noch im Burgenland, ehe er am 10. Juli wieder seinen Dienst bei seinem spanischen Klub Levante antreten muss. Beim Trainingsauftakt sicher fehlen wird Torhüter Keylor Navas, der mit Costa Rica heute bei der WM gegen die Niederlande ums Halbfinale kämpft. Navas spielt bisher ein überragendes Turnier, was Ivanschitz nicht wundert. „Nicht umsonst wurde er zum Torhüter des Jahres in Spanien gewählt. Er hat eine hohe Konstanz in seinen Leistungen, hat uns viele Punkte im Alleingang gerettet.“

"Ein überragender Typ"
Für den Österreicher ist Navas mehr als nur ein Kollege, er bezeichnet ihn als Freund. „Als ich zu Levante gekommen bin, hat er sich um mich gekümmert. Ich bin mit ihm zu jedem Training gefahren. Er ist ein überragender Typ.“
Gegen die Niederländer wird der von einer Schulterblessur rechtzeitig genesene Navas mehr zu tun bekommt als in den Partien zuvor. Doch ängstlich wirkt er deshalb nicht: „Wir werden unser Leben geben im wichtigsten Spiel unserer Karrieren. Wir haben bewiesen, dass wir Qualitäten haben und mit den Besten mithalten können.“ Giancarlo González sagt: „Wir haben die Todesgruppe überlebt, jetzt sind wir hier und wollen auch das nächste Spiel unbedingt gewinnen“, sagte der Verteidiger, der mit seinen Kollegen in vier Spielen erst zwei aus dem Spiel heraus erzielte Gegentore zuließ.

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