Was uns zum Beißen bewegt
Ein markantes Gebiss, medienwirksam vor Millionen Fernsehzuschauern in aller Welt in Szene gesetzt: Uruguays Stürmer Luis Suárez dritter Verlust seiner Beißhemmung polarisiert das Fanvolk. Die einen sind empört, ob einer Verrohung der Gesellschaft, die anderen verspüren so etwas wie einen gruseligen Hauch von Vampir-Fantasien.
Psychiater finden aus der Ferne mehr an den psychodynamischen Prozessen hinter dem Biss Gefallen. Die wichtigste Nebensache der Welt emotionalisiert sogar die Erforscher der menschlichen Psyche. "Ich finde es interessant, dass er gerade mit seinem auffälligsten Körperteil – seinem Gebiss, das er nicht sanieren lässt – diese schweren Fouls begeht", sagt etwa Psychiater Georg Psota, Leiter des Psychosozialen Dienstes in Wien. "Abgesehen von seinen Bissen ist Suárez ja nicht so auffällig in Sachen Fouls." Analysieren lasse sich die Psyche dieser Fußballer-Persönlichkeit daraus natürlich nicht. Aber: "Faktum ist, er setzt damit ein Zeichen."
Beißlust
Vielleicht ist der aktuelle Fehl-Biss des Fußballers aus Uruguay aber nur ein Relikt aus der menschlichen Evolutionsgeschichte. "Der urgeschichtlich verankerte Reflex des Beißens war eine Waffe, die dem Überleben im Kampf diente", erklärt der Gerichtspsychiater Reinhard Haller. Der moderne Mensch habe gelernt, diese Reflexe gut zu hüten. Doch ein Fußballturnier ist ein Ausnahmezustand, "eine Form des kultivierten Krieges, in dem kriegerische Elemente vorhanden sind". Es gehe um Geld, Aufrüstung, Taktik – und besonders um Begeisterung und Emotionen.
Primitive Mechanismen
Am ehesten lässt sich derartiges Verhalten wohl mit Kontrollverlust erklären, sagt Haller. "Ich glaube, das überflutet einen Menschen richtiggehend. Ich hatte das Gefühl, Suárez war selbst überrascht." An einen derart verbissenen Wiederholungseffekt in diesem Turnier glaubt er aber nicht. "Ich hoffe, seine Reaktion war wirklich so schambesetzt, wie sie sich mir dargestellt hat. Sonst wäre er ein Psychopath."
Kultiges aus dem Dentalbereich
Die Beißkraft, auch Bisskraft genannt, gibt an, wie hoch die Kraft des Kiefers bei einem Biss in Newton pro Quadratzentimeter ist. Es handelt sich also nicht um die Angabe einer Kraft, sondern um einen Druck.
Der Megalodon - eine bereits ausgestorbene Hai-Art - war vermutlich das Tier mit der höchsten Beißkraft, das jemals gelebt hat. Generell gilt, je größer das Tier, desto höher ist auch der Kieferschließdruck.
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